Urige Inselgäste

Noch suhlen sie sich genüsslich in ihrem Wasserloch auf der Berliner Pfaueninsel. Die Wasserbüffel Nelke und Nike mit ihren beiden Kälbern Mona und Nelson. Zum nunmehr sechsten Mal leiht die Biolandwirtin Sonja Moor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten einige ihrer Wasserbüffel. „Damit wird die erfolgreiche Beweidung der Hechtlaichwiese aus den Vorjahren fortgesetzt“, so Jan Uhlig von der zuständigen Gartenabteilung der Schlösserstiftung. Angst muss man vor den gewaltigen Tieren nicht haben. Domes-tizierte Wasserbüffel haben einen gutmütigen und friedfertigen Charakter. Besuchern gegenüber  können sie durchaus zutraulich sein. Sicherheitshalber ist das Weide-Terrain aber von einem Elektrozaun umgeben. Der verhindert auch, dass sich die Tiere von der Insel stehlen, immerhin sind sie sehr gute Schwimmer. Die Pfaueninsel ist etwas Besonderes, in jeder Hinsicht. Möglichst exotisch sollte es hier immer schon zugehen. Da passen die urtümlichen Wasserbüffel als Weidetiere gut ins Bild. Zumal es von 1803 an bis vermutlich 1842 auf der romantischen Insel in der Havel schon einmal solche mächtigen Tiere mit charakteristischen Hörnern gab. Schon Königin Luise hat diese Tiere, die seit der letzten Eiszeit in Europa ausgestorben waren, bestaunt. In historischen Plänen der Zeit ist jedenfalls ein Büffelteich vermerkt gewesen. Wasserbüffel vor dem Luisentempel stehen also nicht nur für Naturschutz, sie sind lebendige Zeugen der Gartendenkmalpflege.

Wie auf der Pfaueninsel, so werden in Berlin auch in klassischen Feuchtgebieten wie dem Tegeler Fließ und dem Erpetal Wasserbüffel im Landschaftsschutz eingesetzt. René Krawczynski, promovierter Ökologe und Wasserbüffelexperte von der Technischen Universität Cottbus, hat den Überblick: „Die Erfahrungen sind in der Regel sehr gut, da Büffel Teil mitteleuropäischer Ökosysteme waren und nun wieder sind, wenngleich nun als Haustiere.“ Wasserbüffel sind sehr genügsame und robuste Tiere. Krank werden sie nur selten. Das Hornvieh ersetzt auf feuchtem Untergrund teure Spezialtechnik. Dabei sind Büffel bei der Auswahl ihrer Nahrung bei Weitem nicht so wählerisch wie Rinder. Ist das leckere Gras erst einmal verspeist, gehören sogar Disteln, Binsen und Brennnesseln mit auf ihren Speiseplan. Die stark gespreizten Hufe geben den Tieren auf sumpfigem Untergrund sicheren Halt. 

Erfolgreiche Büffel-Projekte gibt es auch in Brandenburg, so im Unteren Odertal, in der Sernitzniederung/Uckermark oder in der Spreeaue bei Cottbus. Weil die Tiere schwimmen können und sich sicher auf Sumpfland bewegen, hofft man im Nationalpark Unteres Odertal,  auf den Polderflächen Weidewirtschaft ermöglichen zu können, ohne das Wasser zuvor abpumpen zu müssen. Wasserbüffel im Naturschutz stellen also auch für die regionalen Landwirte eine klassische Win-win-Situation dar, bekommen sie doch zusätzliches Weideland zur Verfügung gestellt. Die Büffel sollen die Flächen offen halten und dadurch zum Beispiel eine höhere Pflanzenvielfalt ermöglichen. Auch Vögel haben dann wieder eine Chance zu brüten. „Zusätzlich erhoffen wir uns von der Haltung dieser Tiere auch positive Auswirkungen auf den Tourismus im Nationalpark“, erklärt Thomas Berg, Vorsitzender des Vereins der Freunde des Deutsch-Polnischen Europa-Nationalparks Unteres Odertal.

In der Sernitzniederung bei Greiffenberg/Uckermark weiden Wasserbüffel, um ein trocken gelegtes Moor zu renaturieren. Das EU-Life-Projekt Schreiadler verfolgt das Ziel, den natürlichen Lebensraum zahlreicher bedrohter Arten, allen voran des Schreiadlers, zurückzugewinnen. Benjamin Herold, im Projektteam für die Büffel zuständig, zum Hintergrund der Entscheidung für die neuen Weidetiere: „Die Flächen sind nicht durch landwirtschaftliche Technik befahrbar und mussten traditionell immer mit der Sense gemäht werden. Das brachte eine große Vielfalt auch an Pflanzenarten hervor. Heute halten sich nur noch wenige Anwohner Tiere für den Eigenbedarf. Deshalb fällt die für den Naturschutz so wichtige Mahd jetzt leider weg.“ Typische Moorpflanzen wie Orchidee, Trollblume und Mädesüß hatten kaum noch eine Chance zu überleben. Die Wasserbüffel sollen es nun richten. Sie sollen den Raum bereiten für Insekten, Schmetterlinge und Vögel. Artenvielfalt ist das Stichwort.

Zurück auf die Berliner Pfaueninsel. Sonja Moor hat die Saison über immer mal wieder nach ihren Tieren geschaut und sich davon überzeugt, dass ihnen die königliche Umgebung auch gut bekommt. Spätestens Ende Oktober läuft ihre Zeit in der exklusiven Sommerfrische jedoch ab. Dann werden die Wasserbüffel von der romantischen Insel wieder abgeholt. Sie kommen zurück auf die Winterweide ins brandenburgische Hirschfelde (Barnim). Frieren würden die Tiere nicht, der Futtervorrat auf der zirka drei Hektar großen Feuchtwiese der Pfaueninsel ist aber einfach begrenzt. René Krawczynski ergänzt zu den Lebensgewohnheiten der Tiere: „Wie alle Weidetiere brauchen auch Büffel trockene Liegeplätze und im Winter vor Wind geschützte Bereiche. Sind diese nicht vorhanden, sollten die Büffel aus Gründen des Tierwohls auf andere Flächen gebracht werden.“   

Karen Schröder

 

64 - Herbst 2015