Der große Traum des Tankerkönigs

Spätestens an der 15. und 16. Bahn greift die viertausendjährige Geschichte dieser südgriechischen Region unmittelbar ins Spiel ein: Neben dem 15. Grün, und nach dem nächsten Abschlag sogar bis ins beginnende Fairway hineinreichend, sind mehrere etwa 20 Meter breite und bis zu 80 Meter lange blaue Planen gespannt, die man für die Abdeckungen einer Gemüseplantage halten könnte. Doch daneben warnen schlichte Holzschilder: „Archaeological Dig – no entry!“ Willkommen im Land der Antike!

Wo immer auf diesem von Historie durchtränkten Boden ein Spaten oder eine Baggerschaufel in die Erde stößt, wird man fündig. So auch auf dem Navarino Dunes Course, für dessen Design kein Geringerer als der deutsche Ausnahme-Golfer Bernhard Langer verantwortlich zeichnete. Beim Bau des ersten Signature Golfplatzes auf dem griechischen Festland wurden unter anderem Mauerreste und Tonwaren einer prähistorischen Siedlung aus der frühen Bronzezeit gefunden, die Reste eines Tempels, ein mykenisches Grab und zahlreiche Überbleibsel einer Wohnsiedlung aus der Zeit um 1000 bis 1200 vor Christus. Ein eigenes Museum ist schon in Planung, das die zahlreichen beim Bau des Golfplatzes zutage geförderten Schätze aus den unterschiedlichen Geschichts- epochen Messeniens demnächst präsentieren soll. Der Captain selbst hat dies noch verfügt.

Vassilis C. Konstantakopoulus, respekt- und huldvoll „Der Captain“ genannt. Ohne den im Februar 2011 im Alter von 76 Jahren gestorbenen Reeder gäbe es in dieser landschaftlich reizvollen, aber extrem abgelegenen Küstenregion ganz im Südwesten des gebirgigen Peloponnes weder ein Museum noch ein Luxushotel, weder Golfplätze noch mehr als tausend neue touristische Arbeitsplätze. Er war der Spiritus Rector und über Jahrzehnte die treibende Kraft hinter dem Projekt Costa Navarino, dem ersten und einzigen Luxus-Öko-Resort ganz Griechenlands. Und er war, zum Segen der Region, ein bekennender Lokalpatriot.

Aus einer armen Bauernfamilie im Dorf Diavolitsi in Messenien stammend,    wurde Vassilis durch klugen Geschäftssinn, viel Arbeit und Hartnäckigkeit einer der größten und reichsten Reeder Griechenlands. Mit 18 kaufte er auf Kredit sein erstes Boot, gründete wenige Jahre später seine Reederei Costamare und wurde damit einer der ganz Großen in der griechischen Handelsschifffahrt, quasi ein neuer Aristoteles Onassis. Und eines rechnen ihm die Leute bis heute hoch an: Anders als bei vielen anderen Reedereien fuhren die Schiffe des Captain alle unter griechischer Flagge. Sein Credo: „Nur wenigen ist es vergönnt, Träume nicht nur zu träumen, sondern auch zu verwirklichen. Diese wenigen Glücklichen sollten beides in den Dienst der Allgemeinheit stellen.“

Ebenso zielstrebig wie als Reeder war Vassilis auch bei der Verfolgung seiner wichtigsten Vision: Schon früh nahm er sich vor, seine von der Welt vergessene Heimat Messenien zu entwickeln und auf die touristische Landkarte zu setzen – und zwar als eine der luxuriösesten Destinationen am ganzen Mittelmeer. In zweieinhalb Jahrzehnten sammelte er von der Provinzhauptstadt Kalamata bis westlich von Pylos in einem Umkreis von 40 Kilometern, fleißig wie ein Eichhörnchen, kleine und kleinste Grundstücke zusammen, in vier großen zusammenhängenden Flächen, teils direkt am Ionischen Meer, teils hoch über der wild romantischen, völlig unverbauten Küste gelegen.

Was der Captain damit vorhatte, hätte sich denken können, wer die täglichen Gewohnheiten des Reeders in Athen kannte: Kaum ein Tag, an dem der Cos-
tamare-Chef, den sie in Piräus respektvoll den „Tankerkönig“ nannten, nicht morgens um sieben wenigstens ein paar Löcher auf dem einzigen, qualitativ ziemlich bescheidenen Golfplatz der griechischen Hauptstadt spielte.

Jetzt kommen viele gut betuchte Athener nach Messenien, und sei es nur für ein verlängertes Golf- und Wellness-Wochenende. Gut drei Stunden dauert die Autofahrt von der Hauptstadt zur Costa Navarino. Es könnte deutlich schneller gehen; doch der Bau der seit Langem geplanten Schnellstraße von Kalamata an die Südwestküste, die die zeitraubende, schmale und kurvenreiche Landstraße übers Gebirge dereinst ersetzen soll, kommt nur im Schneckentempo voran. In Griechenland wurde die Demokratie erfunden – aber die Bürokratie, das Missmanagement und die Korruption nicht minder.

Auch der Captain muss sich oft gefühlt haben wie bei einem schier unendlichen Hindernislauf. Mehr als 1 100 Einzel-Lizenzen und Baugenehmigungen musste er den unterschiedlichsten lokalen, regionalen und nationalen Behörden abhandeln, abtrotzen – oder abkaufen. Man redet besser nicht darüber. Fest steht: Nur einer wie Captain Vassilis mit klarem Ziel, viel Bauernschläue und – auch finanziell – extrem langem Atem konnte diesen harten, enervierenden Kampf durchstehen. In mehreren Phasen soll das Projekt Costa Navarino zur vollen Blüte gelangen, mit langfristig insgesamt elf Fünf-Sterne-Hotels und einem guten halben Dutzend Golfplätzen – ein Ferien- und Golfparadies, das in Griechenland nicht seinesgleichen hat, aber auch international Maßstäbe setzen soll. Eine sportliche Kampfansage in Richtung Belek in der benachbarten Türkei ausgerechnet aus der Bucht von Navarino? 

Nur wenige Kilometer oberhalb des Costa-Navarino-Resorts, auf einem Hügel mit herrlichem Panoramablick über die Küstenlandschaft, liegen die Reste des Palastes des legendären Königs Nestor. Der Held aus Homers Ilias und weise Ratgeber Agamemnons schickte, so die Überlieferung, eine Flotte von 90 Schiffen nach Osten, in den Krieg um Troja. Rund 3 000 Jahre danach, am 20. Oktober 1827, versenkte eine britisch-französisch-russische Armada in der Navarino-Bucht Dutzende türkischer Kriegsschiffe – eine mitentscheidende Schlacht im jahrelangen Kampf der Griechen um die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Weil von der mit untergegangenen Munition in den Wracks vermutlich immer noch Gefahr ausgeht, ist bis heute das Tauchen in der malerischen, weiten Bucht, die von der langgestreckten Felseninsel Sfaktiria nahezu vollständig vom offenen Meer abgeschirmt wird, streng untersagt. 

Costa Navarino soll – so das Vermächtnis von Captain Vassilis, das jetzt von seinem Sohn Achilles weitergeführt wird – für einen Griechenland-Tourismus stehen, wie er in dem Land, das keinen touristischen Masterplan kennt, bislang unbekannt ist: nachhaltig, umweltfreundlich und mit größtmöglichem Nutzwert für die einheimische Bevölkerung. Im Village-Stil, mit meist nur ein- bis dreistöckigen    Natursteingebäuden,  entstanden die  ersten beiden Hotels mit bioklimatischer Architektur: Das Fünf-Sterne-Haus The Westin Resort (445 Zimmer und Suiten) und das noch etwas edler eingerichtete The Romanos (321 Zimmer und Suiten – bis zu 192 Quadratmeter groß), das der Luxury Collection der amerikanischen Starwood-Kette angehört.

Dreiviertel der schon über 1 000 Resort-Angestellten stammen aus der Region Messini, wo Costa Navarino schon jetzt der größte Arbeitgeber ist. Zu dem Viertel Zugewanderter zählt Petros Tourgaidis. Der in Köln aufgewachsene „Deutsch-Grieche“, wie er sich selbst nennt, hat als Golfmanager von Costa Navarino eine der Schlüsselpositionen im Projekt inne. Die Golfplätze vor allem sollen künftig ganzjährig möglichst viele ausländische Gäste in den tiefen griechischen Süden locken, der dafür ein besonders geeignetes Mikroklima mit warmen Sommern und milden Wintern vorweisen kann.

Schnell kommt Petros auf das zu sprechen, auf das sie in Costa Navarino besonders stolz sind: auf die größte Olivenbaum-Verpflanzung, die es in Europa je gab. Exakt 6 492 zum Teil jahrhundertealte Olivenbäume wurden – mit fachkundiger Unterstützung durch Wissenschaftler, Baumexperten und Landschaftsarchitekten – vor dem Bau der beiden Hotels und des Dunes Courses mit großer Sorgfalt und all ihrem ausladenden Wurzelwerk aus der Erde geholt, auf einem großen Gelände beim Dorf Gialova zwischengelagert und dann auf dem Resortgelände wieder eingepflanzt. Ein riesiger Aufwand mit nahezu 100-prozentiger Erfolgsquote: ganze vier Olivenbäume starben bei der Mammutaktion.

Die anderen 6 488 schmücken das Resortgelände und den topgepflegten Langer-Golfplatz, als hätten sie nie woanders gestanden. Olivenbäume, wohin das Auge reicht, entlang der sanft wellig gestalteten, zum Meer hinabführenden Fairways der Bahnen 2 und 11 ebenso wie am Abschlag der 6, dem höchsten Punkt des Platzes mit einem fantastischen Fernblick über weite Teile der Golfanlage und bis zu der im Nordosten aufragenden bläulichen Bergkette. Schöner kann ein Resort-Golfplatz am Mittelmeer kaum sein, denkt der Gast – bis er den Navarino Bay Course gesehen und gespielt hat.

„Dies ist ein Golfkurs, den die Leute immer wieder und wieder werden spielen wollen“, hat Robert Trent Jones jr. über seine erste griechische Kreation gesagt – und damit keineswegs übertrieben. Der Bay-Course, knapp zehn Kilometer vom Dunes entfernt nahe der idyllischen kleinen Hafenstadt Pylos gelegen, zählt zweifelsohne zu jenen mediterranen „Traumplätzen“, auf denen der Urlaubsgolfer ein Utensil mindestens ebenso oft aus der Tasche zieht wie den Driver oder Putter: den Fotoapparat. Breite, dafür nicht übermäßig lange, von Olivenbäumen gesäumte, hügelan und hügelab verlaufende Fairways bieten fast pausenlos geradezu kitschig schöne Ausblicke auf die im Sonnenlicht blinkende Wasserfläche der Bucht von Navarino. 

Auch auf dem erst im Herbst 2011 eröffneten Bay Course wurden an die 5 000 Olivenbäume „transplantiert“. Für eine die Umgebung nicht belastende Bewässerung der Golfplätze sorgen zwei in nahen Schluchten angelegte riesige künstliche Reservoire, die das vor allem in den Wintermonaten aus den Bergen herabströmende Regenwasser auffangen. 

Captain Vassilis war es nur vergönnt, die Eröffnung seines ersten Hotels mitzuerleben und den Navarino Dunes Course noch selbst zu spielen. Als das Romanos und der traumhafte Bay Course eröffnet wurden, hatte er seinen Kampf gegen den verdammten Krebs schon verloren. „Der Bay Course ist aus der Erde und den Felsen des griechischen Bodens geschaffen, vergleichbar mit den Marmorskulpturen und Plastiken antiker Gottheiten“, hat sein Designer Robert Trent Jones jr. beim Grand Opening gesagt – und dem schönsten Golfplatz Griechenlands den Beinamen „Captain’s Course“ gegeben. Ehre, wem Ehre gebührt!

Wolfgang Weber

 

64 - Herbst 2015