Nachtschwärmen für Anfänger und Fortgeschrittene

Zum Abschluss des Tages bei einem Cocktail entspannen, das ist das eine. Das kann man überall tun, wo das Ambiente angenehm und die Qualität verlässlich sind. Sich aber für eine Weile wirklich der Nacht anzuvertrauen, ihrem glitzernden Lichtern ebenso wie den dunkleren Verheißungen, das ist etwas völlig anderes. Dazu benötigt man ganz besondere Orte. Ein solcher Ort ist das „Lanni’s“ in der Schlüterstraße 52. Gleich hinter der Tür bremsen weiche Polster die Härten des Alltags, glätten üppige Stoffe alle Kanten, stellen sich Säulen und Bodenvasen, überbordende Lüster und goldene Ornamente der Nüchternheit entgegen, und irgendwo dazwischen schimmert ein gepflegtes Piano. 

Ganz am Ende des glänzenden Tresens sitzt der Patron. Andreas Lanninger lächelt schüchtern, doch seine freundlichen Augen registrieren jede Bewegung. Schmeicheleien wehrt er ab. „Nennen Sie mich bloß nicht Legende, das macht mich viel zu alt.“ Tatsächlich aber ist er eine, seit er 1991 mit „Harry’s New York Bar“ im Hotel Esplanade die erste klassische Cocktailbar in Berlin eröffnete und in den folgenden Jahren all die Preise und Ehrungen holte, die ein Barkeeper bekommen kann.

Seit Januar dieses Jahres empfängt er im mit opulentem Überschwang ausgestatteten „Lanni‘s“. Viele Gäste kommen zwei-, dreimal die Woche, andere gönnen sich den Ausflug sporadisch oder trauen sich zum ersten Mal an die sorgfältig kontrollierte Tür. Members bekommen eine Schlüsselkarte, mit der sie die Tür öffnen können wie ihre eigene Wohnung. Alle zusammen werden sie im Lanni’s jeden Abend verwöhnt: mit Üppigkeit, Entertainment und vor allem mit makellosen Cocktails. Am Mittwoch sind Frauen bis um 23 Uhr Gäste des Hauses und dürfen kostenlos trinken. Für diejenigen, die eine Mitgliedskarte besitzen, steht außerdem ein Fahrdienst mit S-Klassen bereit, der sie zu jeder gewünschten Zeit abholt und sicher wieder nach Hause bringt. Puristen und Asketen werden anderswo wohl glücklicher. Für alle anderen hat die Dunkelheit hier offene Arme. Übrigens auch für Neulinge, wie der Hausherr versichert: „Die bilden wir hier ganz schnell zu Nachtschwärmern aus.“

Susann Sitzler

 

67 - Sommer 2016
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