Wie aus dem Nichts etwas wird

Als Ergänzung zu den traditionellen Gärten der Welt entstanden moderne Gartenkabinette. Die Internationale Gartenausstellung in Berlin-Marzahn ist reich an Attraktionen, die es so hier zuvor nicht gab. Da sind zweifelsohne die Seilbahn und der Wolkenhain sowie der neu gestaltete Kienberg und die Wassergärten ganz vorn mit dabei. Praktische Tipps für das eigene Gärtnern sowie zahlreiche Angebote zum Mitmachen und Entdecken sind auf dem IGA-Campus zu bekommen. Kinder und Jugendliche sowie Familien sollen hier angesprochen werden.

Die bereits bestehenden Gärten der Welt stehen weiterhin im Fokus. „Sie greifen auf tradierte Landschaftsarchitektur zurück, die über Jahrhunderte entwickelt wurde“, sagt Christoph Schmidt, Geschäftsführer der IGA. Eine spannende Ergänzung seien die internationalen Gartenkabinette, die von neun internationalen Gartenarchitektinnen und -architekten entworfen wurden. Sie kommen aus Großbritannien, Australien, Brasilien, Thailand, Chile, China, dem Libanon, Südafrika und Deutschland. Auf engem Raum greifen sie Landestypisches modellhaft auf. Die einzelnen Gartenkonzepte sollen so in Dialog treten. Wie wird aus einem Nichts etwas? Wie aus einer Ödnis im Prozess so etwas wie ein Garten, samt Behausung? Der Entwurf des Briten Tom Stuart-Smith „The Garden of Vulcan“ hat etwas Archetypisches. Bewusst hat er die Zeitdimension eingeplant. In vier Etappen hat er das Projekt umgesetzt. Vor zwei Jahren war er wie die anderen internationalen Gartenarchitekten nach Berlin gekommen, um seine Ideen zu präsentieren. Doch Stuart-Smith tat mehr, er säte eigenhändig verschiedene Wildpflanzen. Ein Jahr später wurden Essigbäume gepflanzt, später Wege angelegt und ganz zum Schluss symbolisch ein Bereich für menschliches Leben geschaffen. Eine Eisenschale, eine Mauer und ein Quader stehen stellvertretend für eine Ansiedlung. Sinnfällig wird der Entwurf besonders vor dem Hintergrund der Hochhausbebauung von Marzahn.

Das Büro P Landscape aus Thailand präsentiert sich mit dem „Garden of the Mind“, Garten des Geistes. Die Planer ließen sich dabei von geologischen Formen ihrer Heimat inspirieren. Für sie ist die Landschaft „Medium und Forum für die Verbindung von Mensch und Natur“. Insbesondere die Insel-Landschaft des südlichen Thailand fand Eingang in den Entwurf. Den Eingangsbereich bildet eine abstrakte Mündungslandschaft. In Serpentinen schlängelt sich ein Weg durch die blau leuchtenden Agapanthus-Beete. Schließlich scheint er hinter Hecken zu verschwinden. Doch die Landschaft setzt sich später sedimentartig fort. Wie goldene Tempel ragen inselartige Monumente aus einer dunklen gespiegelten Fläche heraus. Durch die reflektierenden Seitenwände gewinnt der Garten optisch an Weite. Bewusst wird mit Sinnestäuschungen gespielt. Dieses Gartenkabinett bekommt so etwas surreal Zauberhaftes. 

Während die asiatischen Gartenkabinette mit dem Element Wasser arbeiten, greift der australische Entwurf „Cultivated by Fire“ des Büros T.C.L das Element Feuer auf: die Gefahr, die von ihm ausgeht wie auch seine lebensspendende Erneuerungskraft. Gerade die Ureinwohner Australiens haben sich dieser Kraft über die Jahrhunderte hinweg bedient. Wenn der Boden im Winter noch feucht war, legten sie im Wald kontrolliert Feuer. Trockenes Gras verbrannte, nicht aber die noch feuchten Bäume. So konnte der Boden verbessert werden. Verheerenden Waldbränden wurde dadurch vorgebeugt. Dieses alte Wissen spiegelt sich in dem mosaikartig angelegten T.C.L-Entwurf wider. Auf landestypisch roter Erde stehen angekohlte Baumstämme als Symbole der Fruchtbarkeit und als Reminiszenz an die Aborigines. Die kalten Berliner Winter machten es auch diesen Planern nicht leicht, geeignete Pflanzen für ihr Gartenkabinett zu finden. Eine Herausforderung, der sie sich gestellt haben. Auf Eukalyptus indes mussten sie nicht verzichten.

Deutschland ist auch international dabei und mit dem „Los Angeles Garden“ vertreten. Gezeigt wird eine Garteninsel in einer von Autos dominierten Stadt. Der Berliner Martin Kaltwasser hat eine eingezäunte Rasenfläche mit sechs hohen Palmen bepflanzt. Zwei Gartenbänke möblieren das Grün. Umgeben ist das Ganze von einer Asphaltfläche und parkenden Fahrzeugen. Natur übernimmt an den Rand gedrängt gleichsam nur eine Alibifunktion. Der Entwurf formuliert bildhaft Kritik an der gegenwärtigen westlichen Zivilisation, die Lebensräume und das Klima gefährdet. Auch das ist bei aller Blumenpracht die Berliner IGA.

Karen Schröder

 

70 - Frühjahr 2017
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