Hier muss nichts verkauft werden

Da wo Berlin am dichtesten ist – zwischen S-Bahn, Kneipen, Straßenbahn, umherirrenden Touristen und forschen Radfahrern, am Hackeschen Markt –, da hat die Gasag ihren Firmensitz und sich passend zum Quartier einen Kunstraum eingerichtet. Vom Eingangsbereich des Bürohauses, zwischen Counter und den Plätzen für Kundengespräche, führt ein Durchgang in die Kunstwelt. 

Das Berliner Unternehmen versorgt seit 170 Jahren die Stadt mit Energie und verfolgt seit einigen Jahren ganzheitliche Energiekonzepte. Als Sponsor und Unterstützer der Kunst und Kultur hat sich die Gasag längst einen Namen gemacht. Sie lobt den Berliner Opernpreis aus, stiftet gemeinsam mit dem Grips-Theater den Berliner Kindertheaterpreis. Und seit drei Jahren ist der Kunstraum in Betrieb.

Der Gedanke, dass ein Energieunternehmen Kunst fördert, scheint im weitesten Sinne folgerichtig. Schöpft man nicht auch aus Kunst Energie? 

Birgit Jammes ist zuständig für das Sponsoring des Unternehmens und die Kulturformate. Sie sagt, dass dieser Kunstraum für alle Künstler offen ist, die sich mit dem Thema Urbanisierung auseinandersetzten, das Genre spielt dabei keine Rolle. Aber eine Bedingung ist zu erfüllen, sie müssen Berliner sein. Innerhalb dieser Klammer ist alles möglich. Und sie spricht auch über einen großen Luxus: Der Kunstraum wirkt zwar wie eine Galerie, aber in ihm muss nicht verkauft werden. Das eröffnet die Möglichkeit für Experimente aller Art, die jenseits von Markt und Nachfrage liegen. 

Von der gegenwärtigen Ausstellung „Schnittstellen“ des Künstlerkollektivs Korinsky ist Birgit Jammes begeistert, denn sie zeige, wie Tradition und Moderne, Analoges und Digitales miteinander verbunden sind. Und sie stehe gewissermaßen auch für die Gasag, die den Weg vom Traditionsunternehmen mit analogem Energievertrieb zum Energiedienstleister im Zeitalter der Digitalisierung eingeschlagen hat. 

Um zu erfassen, was die drei Brüder Korinsky zeigen, muss der Betrachter sich etwas Zeit nehmen. In den Arbeiten geht es vor allem darum, wie Sehen und Hören auf besondere Weise miteinander verbunden sind. Hören macht auf Sehen aufmerksam und umgekehrt. In der fast Fünf-Meter-Arbeit „Digi.flat 90-12“ sind Scanner miteinander verbunden und sie rauschen auf eine beruhigende Weise gleichmäßig hin und her. Diese „Digi.flat 90-12“, die schon 2012 entstand, war Ausgangspunkt für das Konzept, dass das Künstlerkollektiv geschaffen hat. Dazu gehören drei weitere Kunstwerke, die eigens dafür entstanden sind. Gegenüber der Wand, an der die Scanner ihre künstlerische Arbeit verrichten, nimmt ein Relief im leuchtenden Neonrahmen die Lichtimpulse des Scanners auf. Sie heißen „Klangrelief no. 11, 12 und 13“. Dreiecke sind in den Reliefs so angeordnet, dass sie zu einem Zentrum, vielleicht zu einem alles verschlingenden Krater führen. Die Interpretation liegt, wie so oft, beim Betrachter. Die Kombination der Farben, Formen und die Plastizität haben etwas Anziehendes. Und während man so sitzt und schaut, ist zu spüren: Da ist noch etwas. Die Bilder rufen, geben Töne von sich, leise, aber an- und abschwellend, dann Pause, dann wieder. Jedes Relief klingt anders. Ein angenehm leises Geräusch, als würde es nur noch vom Unterbewusstsein wahrgenommen. Die Arbeiten locken, man lauscht ihnen, muss ganz nahe herantreten. Und so wirken die geometrischen Reliefs wieder anders. Ein interessantes Spiel zwischen Bild, Ton und Betrachter. 

Die drei Brüder Korinsky beabsichtigen mit ihren Arbeiten genau diese Wirkung, nämlich, mit Visuellem das Hören und mit Akustischem das Sehen zu erweitern. Abel Korinsky erzählt, dass die Töne in den Reliefs mittels Kristallplättchen erzeugt werden, die durch Stromzufuhr in Schwingungen versetzt werden. Ein physikalisches Phänomen, das nun einem künstlerischen Werk seinen aufsehenerregenden Dienst tut. 

Man kann sicher von diesen jungen Künstlern, sie sind erst Anfang 30, noch viele überraschende Dinge erwarten. Seit 2011 konzipieren sie gemeinsam audiovisuelle Installationen und waren damit unter anderem schon im Berliner Dom und der Schinkel’schen Bauakademie zu sehen. Und ihre Künstlervita verzeichnet bereits mehrere internationale Preise. 

So ganz nebenbei eröffnet der Gasag-Kunstraum gerade für diese Ausstellung „Schnittstellen“ noch eine weitere Dimension. Das urbane Leben, die Geräusche vom S-Bahnhof, von der Haltestelle der Straßenbahn, strömt in den Kunstraum hinein. Das bereichert, ungewollt, die Schau der jungen Künstler um einen weiteren, spannenden Aspekt. So vermischen sich Kunst und Leben.

 

Information

Die Ausstellung läuft vom 16. Juni 2017 bis zum 13. Oktober 2017. Ein Besuch ist wochentags von 10–18 Uhr im GASAG Kundenzentrum möglich. Der Eintritt ist kostenfrei.

 

71 - Sommer 2017
Kultur