Gläserne Kuppeln über alten Sitzreihen

Die Avus-Tribüne wird auch als „Tor zu Berlin“ bezeichnet. Sie ist Relikt aus vergangener Zeit und Mythos zugleich. Die gut acht Kilometer lange Avus („Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße“) ist 1921 als erste Autobahn der Welt gebaut worden. Allerdings diente sie nur Test- und Rennzwecken, nicht dem öffentlichen Verkehr. Für damals stolze zehn Mark konnte die Avus später auch privat genutzt werden. Heute ist sie Teilstück der A115. Vor seinem inneren Auge sieht man aber immer noch die historischen Rennautos der 1930er Jahre vorbeiflitzen. Glanzzeit der Avus. Die 240 Meter lange Tribüne bot 4 000 Besuchern Platz. Bis 1998 wurde die Avus für Autorennen genutzt. Zu Recht steht sie unter Denkmalschutz.

In den letzten Jahren war die Avus-Tribüne starkem Verfall ausgesetzt. Das Dach drohte einzustürzen, die hölzernen Sitzbänke zerbröselten, der Beton erodierte. Sogar ein Abriss wurde zeitweise diskutiert. Seit 2007 gehörte die historische Tribüne einem privaten Eigentümer, aber nichts passierte. Seine hochfliegenden Pläne einer straßenseitigen Vollverglasung waren schlicht eine Nummer zu groß. Zwischenzeitlich wollte die Messe Berlin das Bauwerk übernehmen, aber dazu kam es nicht. Statt dessen kaufte der umtriebige Berliner Geschäftsmann Hamid Djadda vor drei Jahren die Avus-Tribüne. Er will den Ort zu einem Büro- und Eventstandort umbauen, allerdings in bescheidenerem Umfang. Knapp sechs Millionen Euro will er in das Projekt investieren.

„Immer wenn ich nach Berlin hineinfuhr, konnte ich gar nicht glauben, dass die Tribüne an solch prominenter Stelle einfach verfällt“, erklärt er heute seine Motivation. Mittlerweile hat er die maroden Sitzbänke entfernen lassen und ist dabei, das Dach denkmalgerecht zu erneuern. Alles in enger Abstimmung mit der Berliner Denkmalschutzbehörde, die die Pläne Hamid Djaddas ausdrücklich begrüßt. „Es war gar nicht so leicht einen geeigneten Architekten zu finden, erst im vierten Anlauf ist es mir gelungen“, so der Unternehmer mit iranischen Wurzeln. Er ist drangeblieben an dem Projekt, auch wenn sein Umfeld ihn für komplett verrückt erklärte, viel zu riskant sei das Ganze.

Der Hamburger Architekt Christoph Janiesch hat bereits ein innovatives Konzept für die Umnutzung erarbeitet. Die historische Struktur der Tribüne soll dabei ausdrücklich erhalten werden, „wobei sich die neuen Elemente vom Bestand deutlich absetzen“. Geplant sind behutsame Eingriffe, um eine zukünftige Nutzung zu ermöglichen. Ihr „Gesicht“ soll die historische Tribüne jedoch nicht verlieren. In großem Umfang soll deshalb mit Glasflächen gearbeitet werden. Die große Kanzel im mittleren Teil der Tribüne wird nach den Plänen dreiseitig verglast werden. Auf 400 Quadratmetern entstünde so Platz für diverse Veranstaltungen. Gerade Firmenevents aus dem Bereich der Automobilindustrie wären denkbar. Darüber hinaus sollen auf der Anlage 16 gläserne Boxen eingebaut werden, die Präsentationszwecken dienen könnten. Gleichzeitig würden sie „natürliches Licht in das Erdgeschoss leiten, um die darunter liegenden Flächen nutzbar zu machen“, so sieht es das Konzept des Architekten vor.

Im Erdgeschoss wiederum ist ein Nutzungsmix denkbar. Büros, Cafés, Läden sowie nach Möglichkeit auch ein Museum zur Geschichte der Avus könnten einziehen. Der ADAC hat bereits sein Mietinteresse signalisiert. Große Fensteröffnungen zum Messedamm erhöhen die Transparenz hin zu den Gebäuden der Messe. Sollen doch Messe und Avus-Tribüne, was die Nutzung angeht, später möglichst Synergien entwickeln. Erste Gespräche gibt es schon.

„Der Bauantrag für die neue Avus-Tribüne ist bereits von den zuständigen Behörden bewilligt“, so Hamid Djadda. Nur mit dem Bundesfernstraßenamt muss er sich regelmäßig abstimmen, denn Bauarbeiten dürfen nur in Ferienzeiten stattfinden. Beginnen könnte man nicht zuletzt deshalb mit dem Ausbau der Büroflächen auf der Rückseite. Bis zum 100-jährigen Jubiläum der Avus im Jahr 2021 soll alles fertig sein, so der ehrgeizige Plan. Vielleicht könnte es dann ja auch wieder ein Autorennen geben, dem Zeitgeist entsprechend natürlich gefahren mit E-Autos.
 
Karen Schröder

 

74 – Frühjahr 2018
Stadt