Eine spektakulär renovierte und um einen Ausstellungsbau erweiterte Shell-Tankstelle aus den 1950er-Jahren samt Garten und Café würdigt das Werk von George Grosz.
Ein Refugium im Großstadttrubel: die ehemalige Tankstelle ist für fünf Jahre Ausstellung und Café [Foto: Berlin vis-à-vis]
„Geboren in Berlin, gestorben in Berlin und dazwischen ein ganzes Künstlerleben inspiriert von und gelitten an Berlin: George Grosz (1893–1959) ist vielleicht der bedeutendste Künstler, den diese Stadt hervorgebracht hat. Mit Sicherheit ist er ihr wichtigster Chronist und Porträtist. Präsent ist der Künstler in Berlin indes nicht ausreichend. Aus eigenen Beständen können die Berliner Museen dem Werk, das von den Nazis dezimiert wurde, nicht den gebührenden Platz einräumen“, lautet die Presseerklärung der 2015 gegründeten Initiative George Grosz in Berlin e.V. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern und Grosz die verdiente Anerkennung und Präsenz zukommen zu lassen.
Im Hof plätschert das Wasser, es blühen gelbe Sumpfdotterblumen. Der Bambus bildet einen grünen Rahmen. Wären da nicht der Straßenlärm und die U-Bahn, die sich in den großen Fensterscheiben der alten Tankstelle spiegelt, käme man direkt in meditative Stimmung. Der Galerist Juerg Judin hatte das Gebäude 2008 zu einem Wohnhaus mit Galerie umgebaut. Hier hielt der passionierte Hobbykoch Hühner und baute Kräuter an. Die ehemalige Tankstelle und der Galerieneubau wurden zu einem lebendigen Treff der Berliner Kunstszene. Jetzt hat er sich entschieden, sein Refugium zu verlassen. Frisch saniert hat er das Anwesen dem Verein George Grosz in Berlin e. V. übergeben, vorerst für fünf Jahre. Dann will man weitersehen. Juerg Judin, der eine Galerie in der Potsdamer Straße betreibt, ist ein Mann für Anfänge. Er unterstützt das Museumsprojekt nach Kräften. Die Kunst von George Grosz schätzt er persönlich sehr. Zusammen mit den Vereinsgründern ist er überzeugt, dass Grosz, ein gebürtiger Berliner, in die Stadt gehört – ein Glücksfall gerade für Nachlassverwalter und Grosz-Kenner Ralph Jentsch. Der Kunsthistoriker ist denn auch Vorsitzender des Vereins. Lange schon trug sich Jentsch mit dem Gedanken eines Grosz-Museums: „Schon 2003 entwickelte ich die Idee für ein George-Grosz-Museum in Berlin. Natürlich ist das Haus in der Bülowstraße recht klein, aber ein guter Anfang“. Ralph Jentsch und sein junger Kollege Pay Matthis Karstens kuratieren gemeinsam die Schau. Neben der Dauerausstellung, die einen Überblick über das gesamte Schaffen des Künstlers gibt, sind im Obergeschoss jeweils zwei wechselnde Expositionen pro Jahr vorgesehen. „Der Plan für die fünf Jahre steht bereits“, ergänzt Ralph Jentsch zufrieden.
Der ersten Ausstellung im Obergeschoss haben die beiden Kuratoren den Titel „Gross vor Grosz“ gegeben. Das Motto spielt auf eine entscheidende Zäsur im Leben von George Grosz an. 1916 hat sich der Künstler unter dem traumatischen Eindruck des Ersten Weltkriegs umbenannt. Er wollte keinen deutschen Namen mehr tragen. Aus Georg Ehrenfried Gross wurde George Grosz. Eine Affinität zu allem Amerikanischen hatte er schon in Berlin. Grosz, der 1932 für Jahrzehnte in die USA auswanderte, kleidete sich entsprechend und gab sich gern für einen Amerikaner aus.
Das Talent des jungen Georg Gross, wie er damals noch hieß, zeigte sich schon sehr früh. Bereits als 15-Jähriger zeichnete er wie ein geübter Karikaturist. Sein Zeichenlehrer in der Schule erkannte die außergewöhnliche Begabung. Er förderte ihn und verhalf ihm zum Kunststudium in Dresden und Berlin. Der Erste Weltkrieg bildete für den Künstler mit den wichtigsten Einschnitt in seinem Leben. Er wurde zum Militär eingezogen. Den massiven Gewalterfahrungen hielt er psychisch nicht stand und wurde schließlich vom Kriegsdienst befreit. Rückblickend schrieb George Grosz: „Krieg war für mich Grauen, Verstümmelung und Vernichtung“. Mit dem Namen änderte der Künstler um das Jahr 1916 auch seinen künstlerischen Stil. Es entstand der „messerharte Strich“, wie er ihn selbst nannte. Seine Federzeichnungen und Aquarelle wurden jetzt auch thematisch drastischer und zupackender. Mörder, Prostiuierte und moralisch fragwürdige Spießbürger bevölkern die Szenerie. Eine kolorierte Federzeichnung zeigt eine typische Berliner Stadtszene mit Hochbahn. Es könnte die Bülowstraße sein.
Der neue Kunstort ist zweifellos eine Bereicherung für die Stadt. Im rauen sozialen Umfeld hat man sich dafür entschieden, das gesamte Museumsgelände nur auf jeweils vorhergehende Buchung zu öffnen. Das besondere Café kann also nur genießen, wer auch der Kunst wegen kommt. Beides lohnt sich allemal.
Bis Ende September läuft die Ausstellung „Gross vor Grosz“ noch. Eine zweite Schau widmet sich ab 23. November George Grosz’ Reise 1922 nach Sowjet-Russland und seinem Verhältnis zur KPD.
Karen Schröder
Information
Öffnungszeiten:
Montag und Donnerstag 11.00 – 18:00 Uhr,
Freitag 11.00 – 20:00 Uhr,
Samstag und Sonntag
11.00 – 18:00 Uhr