Nur an meinem Lachen erkennt man mich

Karin Buchholz ist die deutsche Stimme von Helen Mirren. Die 70. Internationalen Filmfestspiele Berlin verleihen der britischen Schauspielerin Helen Mirren den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Sie hat „The Queen“ gespielt, Tolstois Ehefrau in „Ein russischer Sommer“, war in US-Action-Filmen wie „RED“ und „The Fast an the Furios“ zu erleben. Aktuell ist Helen Mirren in dem Thriller „The Good Liar – Das alte Böse“ in den Kinos zu sehen. Wobei hier die Betonung auf „zu sehen“ liegt, denn zu hören ist Karin Buchholz, Mirrens deutsche Synchronstimme.

 

 


Die britische Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Dame Helen Mirren erhält auf
der 70. Berlinale den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk [Foto: © Giles Keyte]

Beide Frauen sind 74 Jahre alt. Begegnet sind sie sich persönlich noch nie, einmal waren sie verabredet, aber ein Treffen kam dann doch nicht zustande. „Der liebe Gott scheint es nicht zu wollen“, scherzt Karin Buchholz. Allerdings bedankte sich Helen Mirren bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“ 2016 ausdrücklich bei ihrer deutschen Stimme Karin Buchholz vor großem Publikum und Fernsehkameras. Eine Ehre, die selten Synchronsprechern zuteil wird. Sieht man ein Foto davon, meint man, Helen Mirren knien zu sehen. Doch der Schauspielerin fällt erst im Gehen ein, dass sie sich noch bei Frau Buchholz bedanken wollte, kehrt um und da war das Mikrofon schon am Verschwinden im Bühnenboden. Da musste sie fast auf die Knie. Karin Buchholz hat an dieser Geste Gefallen, dass sie ihren Namen ohne englischen Akzent ausspricht. Sprecher achten auf Details.

Karin Buchholz ist selbst Schauspielerin, hat am Berliner Theater am Kurfürstendamm, in Frankfurt am Main, in Köln und Kassel gespielt. Sie war immer freischaffend und liebte es, auf Tournee zu gehen. „Das war mein Leben“, sagt sie. Obwohl sie viel unterwegs war, blieb Berlin ihre Stadt. „Ich bin immer wieder gern nach Hause gekommen. Heute ist ihr die Metropole aber oft zu laut, zu voll und manchmal auch aggressiv – trotzdem, Berlin-Wilmersdorf ist Heimat. Und dann ist ja auch ihr Arbeitsplatz in der Stadt. Nach ersten Synchronaufträgen damals musste sie sich entscheiden: Sprechen oder Spielen. Das fiel ihr nicht leicht. Aber als sie von einer lange Tournee zurückkam und für die Miete ihren kleinen blauen VW verkaufen musste, war die Sache klar, erzählt sie. Synchron eröffnete überdies viel mehr Möglichkeiten, denn jede neue Serie, jeder neue Film war eine neue Rolle. Synchron ist eine Spezialbegabung, davon ist sie fest überzeugt. Man muss sich in eine Rolle und einen Schauspieler hineinversetzen können. „Es ist wie, sich in jemanden zu verlieben. Da schaut man, was denkt die sich, was fühlt sie? Und eines Tages ist sie deins,“ beschreibt Karin Buchholz die besondere Arbeitsweise der Synchronisation, die weit mehr ist als lippengenaues Sprechen. Da sie Helen Mirren seit über zehn Jahren ihre deutsche Stimme gibt, kennt sie all deren Feinheiten im Spiel, besonders die ihrer Stimme. Sie kann von ganz klein sich zu Größe aufschwingen, kann zwiebelnd sein, arrogant und mitfühlend – wie eine Schauspielerin, die sich ständig wandelt. Karin Buchholz, die meint ihren Star zu kennen, jedes Zucken mit den Wimpern und jede Geste, wird immer wieder neu überrascht, zum Beispiel im jüngsten Film „The Good Liar – das alte Böse“.

Letztlich sieht sie es aber auch nüchtern: Wir sind Papageien. Zwar muss man Spiel und Wort zusammenbringen, aber letztlich sprechen wir nach. Auch Tilda Swinton, Sigourney Weaver und Jessica Lange, sehr unterschiedliche Schauspielerinnen, sprechen mit der Stimme von Karin Buchholz. Aber man meint immer, eine andere zu hören. Und selbst Freunde erkennen nicht, dass hier die Buchholz spricht. „Nur an meinem Lachen erkennt man mich“, sagt sie. „Sein Lachen kann man nicht in eine andere Rolle stecken.“

Martina Krüger

 

81 - Winter 2020
Kultur