Sie sind die stille Reserve. Sie überdauern nicht selten im Verborgenen, ehe sie aufs Parkett gehoben werden und mit ihrem eigenen Charme Gäste willkommen heißen. Klappstühle sind ungemein praktisch und – ob innen oder außen – nicht wegzudenken.
Denkt man an Klappstühle, rücken schnell die traditionellen Biergartenstühle mit ihren Holzauflagen und dem robusten Eisengestell in den Blick oder die aktuelleren Leichtgewichte mit ihren leuchtend-pudrigen Farben (z.B. Fermob) für Küche und Balkon. Lange Zeit waren Holzklappstühle, die seinerzeit aus Rumänien kamen und heute vielleicht in China produziert werden, beliebt. Und unschwer lässt sich ein Gartenklappstuhl im Bauhausstil vorstellen, der aufgemöbelt längst im Homeoffice für Zwanglosigkeit und den gewissen Schick sorgt.
Aber denkt man bei „Klappstuhl“ an eine historische Grabbeigabe? An ein klappbares Eisengestell aus der Merowingerzeit, also eintausendfünfhundert Jahre her, das Archäologen in einem Frauengrab in Franken entdeckt hatten? Offenbar existiert die Idee eines klappbaren Stuhls schon recht lange. Diese frühen Exemplare dienten zumeist anderen Zwecken. Aus der Antike sind transportable, mehr falt- denn klappbare Stühle, ähnlich den Regiestühlen, bekannt, die Feldherren mit auf ihre kriegerische Reise nehmen konnten.
Die Familie der klapp- und faltbaren Stühle ist groß und verzweigt. Ihr Stammbaum weist weit zurück. Ein Namenspatron allerdings ist nicht überliefert, es sei denn man blättert im Buch der Moderne und Spätmoderne. Da finden sich Namen und Stühle, die im Retro- und Vintageambiente, also im Hier und Jetzt, ihren Platz behaupten, von jungen und jüngsten Nachfahren ganz abgesehen. Zu den Klassikern zählt bereits aus den Fünfzigern der preisgekrönte Klappstuhl „SE 18“ von Egon Eiermann aus hellem Holz mit abgerundeten Ecken und einem leicht nach vorn übergebogenem Sitzteil. Dieser Stuhl, heute auch als Solitär aufgestellt, galt als eines der begehrtesten Sitzmöbel für Großraumbestuhlungen, denn vierzig Stühle benötigen gerade einmal eineinhalb Quadratmeter Stauraum.
Ein namhafter Faltstuhl aus den Sechzigern wiederum ist der „BM 4570“ von Børge Mogensen, der für das skandinavische Label Carl Hansen als Gartenmöbel entworfen worden war. Egal ob Nord oder Süd, Klappstühle passten in die Aufbruchstimmung der Sechziger. So schaffte es der ebenfalls in dieser Zeit von Giancarlo Piretti entworfene „Plia“, der wie eine aufgestellte Reisestaffelei aussieht, ob seiner reduzierten und ikonischen Formgebung ins Museum of Modern Art. Gleich darauf (1968) folgte eine Variante aus Aluminium und Acryl. Denkt man an Klappstühle, kommt man erst recht nicht an Niels Gammelgaard vorbei. Ja, der Gestalter von Metallgittermöbeln! Der Industriedesigner aus Kopenhagen arbeitete seit den Siebzigern für IKEA. in seinem eigenem, mit einem Partner gegründeten Studio „Pelikan Design“, entwickelte er quasi jedes Jahrzehnt ein beliebtes Klappteil, wie den weißen Gitterstuhl „Aland“, 1970, dann die farbenfrohe Serie „TED“, 1976, bald darauf wieder Gitter in Graugrün mit „Wire“ und in den Achtzigern das kapriziöse lila Kleinod „ISAK“, das von Form und Material an eine aufgeklappte Büroklammer erinnert.
Als geistige Nachfahren des Sechziger-Jahre-Designs, allerdings mit einem Hauch mehr Eleganz, betrachtet sich das Kölner Duo Kaschkasch mit dem „Colo Chair“. Dieser erst 2022 entwickelte Klappstuhl gilt als „neuer Klassiker“ mit einem Massivholzrahmen aus Eiche oder Esche und variablem Sitz. Und der Pritzker-Preisträger diesen Jahres, der nicht nur Berlinern natürlich bestens bekannte Architekt David Chipperfield, stellt sich in die Tradition der Sechziger, reduziert noch einmal und schickt mit der Firma Alessi seinen „Piana“- Klappstuhl ins Rennen um die platzsparendsten und mehrzwecktauglichen Stilikonen.
Gekreuzte Beine und geschwungene Lehne: Der Münchner Konstantin Grcic – er studierte Industriedesign und kann wohl längst als Stuhlgott bezeichnet werden – schuf einen Stuhl mit aufklappbarem Sitz, den „Chair B“, aus Buche und Esche für Büros, aber genauso gut für das Wohnen in kleinen Räumen. Der Trend ist unübersehbar. So relauncht die Firma Kusch ihren „2750 Soley“, der in den Achtzigern vom Designer Valdimar Harðarson gemeinsam mit Möbelhersteller Dieter Kusch entwickelt wurde. Sie konnten sich der Zeichenhaftigkeit ihres Entwurfs sicher sein. Dieser folgt mit grafisch anmutendem Stahlrohrgestell und kreisrunder, gelegentlich auch gepolsterter Sitzfläche dem Prinzip „Weniger ist mehr!“.
Bitte im Stuhlrausch Platz zu nehmen! Da sind die Eisengestell-Stühle (unverwüstlich aber schwer), die Massivholz- und Schichtholz-Schönheiten (altern gut), da finden sich Plastik, besser Polypropylen (UV-beständig) und pulverbeschichtetes Aluminium (farbschön und leicht), Verchromtes, Eloxiertes (nostalgisch elegant), Sitzflächen, monochrom, blümchenbunt oder samtbezogen mit der Geste des Theatralischen. Und kein Camping ohne Klappstühle eine Geschichte für sich!
Klappstühle sind vielfach schön. Aber sie sind nur dann gut, wenn sie keine Mühe machen beim Auf- und Zuklappen, beim Stapeln, Wegstellen, An-die-Wand-Hängen. Dünner geht es nicht, ließe sich angesichts des schmalen „Fläpps“ von Ambivalenz behaupten. Wenn der Stuhl aus Birke und Edelstahl nicht gebraucht wird, lässt er sich schnell zu einem nur zwei Zentimeter von der Wand abstehenden Brett, also im Wandbildmaß, zusammenklappen. Klappstühle feiern weniger ein Comeback als vielmehr eine außerordentliche Permanenz in Gruppen oder als Solitäre, gar eine ewige Liebe, sei es auf Terrassen, in Parks, im Arbeitszimmer, in Küchen und selbst in der Rolle als Nachtisch, von Museen und Freilufttheatern – und vom „Klappstuhl Speziale“ natürlich der Kinosessel – ganz abgesehen. Ganz sicher trifft man ihn dort, wo wenig Raum ist, wie auch den transparenten „Honeycomb“ von Kartell. Er hat seinen Namen dank der honigwabenähnlichen Rastertruktur von Lehne und Sitzfläche und nimmt zusammengeklappt immerhin auch nur sieben Zentimeter ein. Es lebe der Klappstuhl! Schließlich vermittelt er Leichtigkeit, das beste Lebensgefühl überhaupt.
Anita Wünschmann