Blauweiß leuchten Kissen, Bettzeug, Vorhänge in der Eingangshalle eines großen Einrichtungshauses. Großflächige Farbverläufe laden dazu ein, im Blau zu schwelgen. Blauweiß ist ein traditioneller Farbklang, der mit bäuerlichem Blaudruckdekor, einer seit dem Mittelalter in Deutschland bekannten Druck- und Färbetechnik, so manches Hoch erlebte. Der Färberwaid, auch Deutscher Indigo genannt, wurde schon im Altertum in Europa als Färberpflanze kultiviert.
Verwandt mit der Reservedrucktechnik des europäischen Blaudrucks, zu der Holzmodeln für die Muster benutzt wurden, ist das Shibori-Färben. Die Ikea-Kollektion „Tänkvärd“ erinnert an die historische japanische Batiktechnik. Baumwolle, Leinen, Seegras, Rattan und Jute sind die Stoffe, aus denen das blau-weiße „Tänkvärd“ gemacht ist. Das Wort bedeutet unvergesslich und verweist auf das Bewahren von Handwerkskulturen. Mit einem moralischen Fingerzeig will es auch auf die Endlichkeit der Ressourcen aufmerksam machen. Nun ja, gerade Ikea, möchte man da sagen.
Der Blaudrucker Holger Starcken, der vor den Toren Berlins seit Jahrzehnten Tischtücher, Bettwäsche, Kleidung in tiefsattem Indigo herstellt, verfügt in seiner Werkstatt über 1 300 verschiedene Modeln, die ältesten Formen stammen aus dem Jahre 1520.
Nachhaltigkeit bei der Produktherstellung ist zum Gebot geworden, das sich mit dem Trend zu Wohlgefühl und Geborgenheit verbindet. Dafür wurden in den letzten Jahren Wörter wie das dänische „Hygge“ oder „Lagom“ aus Schweden hervorgeholt. In diesem Jahr kommt das schottische „Coorie“ dazu und erinnert an den hohen Norden Großbritanniens mit seinen Flüssen, Seen, Küsten und Bergen, den hübschen kleinen Städten sowie den berühmten Karostoffen. Alles ein bisschen ruhiger, langsamer – slow life – bestimmt die Sehnsucht vieler Menschen, und dieser wird einerseits mit tiefem Waldgrün mit einem Schuss Türkis und weicher Wolle für den Herbst und mit pudrigen Pastelltönen im Sommer oder Kombinationen von Weiß und hellem Grau entsprochen. Abgesehen vom Blauweiß.
Wohntextilien, so wurde bereits auf der Frankfurter Ambiente-Messe erklärt, spielen eine herausragende und stetig wachsende Rolle. In diesen stilleren Rückzugswelten ohne viel Krimskrams leuchten einzelne Accessoires auf: gelbe Plaids oder gemusterte Kissen. Transparente Vorhänge und Blickdichtes sorgen mit einem metallischen Glanz oder mit gewebter Haptik für sinnlichen Reichtum.
Nun aber noch Coral! Dieses Orangerotgold aus dem Meer ist Trendfarbe der Saison, so hat es die Firma Pantone festgelegt, die alljährlich einen Farbton bzw. Farbreihen für Wohnen für den Modebereich kreiert. Auch dabei geht es ums Erinnern. Vergesst nicht die Ozeane, die Schönheit und Vielfalt, die darin verborgen sind, ebenso fantastisch wie gefährdet! So etwa, nur subtiler, dringen mit den Farben und Materialien die Botschaften in unser Zuhause und vermitteln mit ihrem Leuchten ein positives Gefühl: Hallo, guten Morgen! So etwa. Rosa, Orange und Gold vermischen sich bereits zu Blumendekoren oder monochrom auf neuen Textilien und zeigen sich mal in übergroßen Blüten, ein andermal in filigranen Strukturen.
Afrika ist überall, könnte man auch sagen, wenn man zudem die Fülle an Rauten und leuchtenden Geometrien auf Textilien sieht. Ein Geben und Nehmen an Dekoren, die im wahrsten Sinne die Welt bunter machen. Die Adaption des Schönen mit seinen uralten, fast vergessenen Botschaften und Bedeutungen, das Hineinweben von Geschichten in Teppiche und Polsterstoffe, das Bedrucken mit Formen, welche den Betrachter auf eine Reise schicken, ist dabei nicht neu. Textilkünstler und -hersteller wie Händler haben sich schon immer auf den Weg nach neuen Ideen begeben, um ihre Musterbücher mit einem Hauch Welt zu füllen, ihre Kunden zu überraschen und nicht zuletzt, um neue Märkte bedienen zu können. Ein Beispiel ist etwa die im verträumten Städtchen Oelsnitz in Sachsen angesiedelte Teppichfirma „Halbmond“. Ein Teppichmuseum im Schloss Voigtsberg erzählt von Glanzzeiten, von der Geschichte der Teppichproduktion, die 1880 begann und mit den Gründern Carl Wilhelm Koch und Fritz te Kock verbunden ist.
Oder Anni Albers (1899–1994), die in Berlin gebürtige Textilkünstlerin und Lehrerin des Bauhauses, die sich später ihre Anregungen für geometrisch gewebte Wandteppiche und Stoffe u. a. aus Mexiko und Südamerika holte und zu raffinierten abstrakten Musterlagen verwandelte. Das Weberschiffchen wurde wie ein Staffelstab immer weitergegeben, und Textilmacher heute experimentieren mit dem alten Handwerk hinsichtlich Muster und Textur, Material und Digitalität, so wie Anni Albers selbst, die bereits 1928 Zellophan, Jute und gedrehtes Papier verwoben hatte. Auch der preisgekrönte Teppichdesigner Jan Kath verbindet altes Handwerk raffiniert mit Appell und Witz. In Köln zeigt er einen mit pinkfarbener Schrift überzogenen Teppich mit der Botschaft: „Make rugs not war.“
Anita Wünschmann