Tagsüber ist es heiß, und die Abende sind mild. Wer möchte da stundenlang in der Küche stehen, um ein Essen vorzubereiten? Draußen zu kochen, ist die Alternative. Dabei Uralttradition, archetypisches Muster. Jahrtausende lang genügte allerdings eine Feuerstelle. Mehr war auch nicht vorstellbar als ein Dreibein mit Kessel.
Die archaische Romantik der Essensbereitung am offenen Feuer wird bis heute bewahrt. Gemeinsames Grillen inklusive komfortabler Holzkohle, Gas- oder Elektrofeuerstellen bzw. klappbarer Varianten für den Park gehören zum Sommer wie das Baden-Gehen. Kochen draußen hat viele Gesichter und Traditionen, verbunden mit Vorlieben und Gerätschaften. Ein Zweiplatten-Elektrokocher, auf einem alten Gartenholztisch platziert oder in eine zweckentfremdete Kommode eingelassen, erfreut durch seine unkomplizierte Handhabung, seinen Vintage-Charme und überschaubaren Kosten. Camping- und Wanderbegeisterte wissen auch handliche Gaskocher zu schätzen, die in den Rucksack passen, und selbst über Fernwanderwege leicht transportiert werden können, um am Abend für ein Dosengericht bereit zu stehen.
Hier aber geht es um das Auslagern des gesamten Prozesses auf die Terrasse oder in den Garten: Die Küche im Freien. In einigen Ländern wie etwa in Luxemburg war es bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts im ländlichen Raum noch üblich, die Sommerküche in den Keller umzulagern. Man benötigte keinen Kühlschrank, der ohnehin noch nicht so verbreitet war. Die Speisen hielten sich problemlos und das Kochen war in den kühleren Räumen gleichfalls wohltuender. Ein praktisches und energiesparendes Prozedere war es, die Temperiertheit des Kellers zu nutzen.
Sommerküchen heute dienen der Geselligkeit. Draußen zu kochen, ist ein Trend, der seinen Ursprung im Süden hat, wo die Anzahl der Sonnentage die Investition rechtfertigen, bzw. jeder kleine Windhauch das Leben erleichtert. Ventilatoren und teure Belüftungen ließen sich mit der Küche im Freien erst einmal sparen. Das mediterrane Lebensgefühl wurde von der Gastronomie aufgenommen, um auch nördlicher Dolce Vita mit Gasgrill, Wok und Pizzaofen zelebrieren zu können. Quasi parallel wuchs die private Nachfrage nach wetterfesten schicken Grill- und Kochelementen. Youtouber zeigen seither Schritt für Schritt ihre selbstgebauten Gartenküchen oder Grilllauben und präsentieren stolz Splittböden, Terrazzoplatten, Nischen für Gasflaschen, Töpfe oder Holzvorräte (für den Kamin, der auch nicht fehlen darf) sowie Spültische mit schlau durchdachten Anschlüssen. Landschaftsgärtner, die Gärten gern in gedanklich und reale Räume gliedern, kreieren den offenen Küchenraum entweder mit fest installierten Systemkochzeilen, mit allem Drum und Dran, oder zeigen, wie so eine Küchennische im Garten mit modulen Geräten anwachsen kann. Den „German Innovation Award“ 2018 erhielt im Deutschen Technikmuseum Berlin die Start-up Gründerein Nadine Pollex für ihre Outdoorküchen, die sie unter dem Label „OCQ“, was „Outdoor Cooking Queen“ bedeutet, herstellen lässt. Gerätehersteller punkten mit Hochleistungsgrills nebst Seitenbrennern und anderen Komfortzonen, wie beim Edelstahl-Gasgrill Juno mit seiner zusätzlichen Platte zum Kochen und einer integrierten Spüle. Ein anderes Beispiel ist die modulare Holz-und-Pizzaofen-Kombination Kitaway von Movelar-Tuozi. Die module Grillstation one Q wiederum kann sogar aufgehängt werden. Mit den Kombinationen, die sich oftmals frei wählen lassen, ist alles möglich: kochen, grillen, backen. Wobei echte Grillfans abendfüllende Debatten darüber führen können, welche Temperatur für welche Speisen mit welchem Grill punktgenau zu erzielen ist. Eine spanisch inspirierte Fire-Plancha, die 340 Grad Celsius erzielt, gilt manchen als ein Nonplusultra. Ob Ständergrill, Kugelgrill, eine japanische Tradition aufgreifende Teppan-Yaki-Grillplatte, Keramik oder Edelstahl: Es gibt diverse Kriterien. Die Draußen-Küchen-Perfektion kann allerdings bis zur Pointe getrieben werden und das eigentliche Außen, so liest man in einem PR-Text, ist dann doch schon wieder innen: „Geht es an die Gestaltung der Sommerküche, so sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.“ Optimal wäre ein eigenes kleines Küchenhaus aus Stein: „Eine Breitseite davon wird zur Gänze offen gehalten und nur bei Bedarf mit einer Glastür geschlossen.“ Herd, Kühlschrank, Abwasch und alles, was eine Küche sonst noch braucht, werden idealerweise kombiniert mit Sanitäranlagen, wie einer Toilette und Dusche. Vor dem offenen Bereich könne man dann „unter schattigen Bäumen einen Essbereich einplanen.“
Mobile Kochtische können dabei hin- und hergefahren werden. In die Mitte einer Wiese, wo es am Schönsten ist. Im Winter brauchen sie ein Dach über dem Kopf oder eine Schutzhülle oder ein Betongehäuse wie etwa vom Architekturbüro dada design aus der Schweiz entwickelt: Die Teakholzküchenzeile fährt wie ein Zug in den Bahnhof in einen Sichtbetonblock mit fugenlosem Waschecken.
Anita Wünschmann