Über Möbel-Trends und das neue Blau sprach Berlin vis-à-vis mit Friedhelm Ahlert, der für das Berliner Einrichtungshaus Dopo Domani als Innenarchitekt Räume gestaltet.
Herr Ahlert, Sie wurden kürzlich als einer von sechs Preisträgern mit dem „Best of Interior Award 2019“ vom Callway-Verlag ausgezeichnet. Die Begründung der Juri für Ihr Werk lautete: „Haute Couture für die Stadtwohnung“. Was war Ihre Grundidee?
Wir wollten Messing als ein warmes glänzendes Material in einem neuen Kontext thematisieren. In allen Räumen gibt es diesen metallenen Glanz, mal als Türgriff, mal üppiger. Im Wohnbereich sind es edle Accessoires in Kombination mit einem großzügigen Seidensamtsofa in einem kühleren Silber-Pflaumenton. Dazu Blaunuancen oder ein sehr zartes Mint. In der minimalistischen anthrazitfarbenen Küche erweitert sich der Raum visuell durch eine dreidimensionale Fliesenwand mit Messingglasur. Es sind alles sehr erlesene Materialien und raffinierte Oberflächen, die diesen eleganten Gesamtklang ergeben.
Lieben Sie Opulenz im Wohnbereich?
Ja. Ich finde ein Sofa mit einer besonderen Textur und in einer etwas aufwändigeren Polsterung sehr wohnlich. Ich liebe auch Leder oder Geflecht und natürlich Farben.
Das neue Jahr begann mit den Einrichtungs-Messen in Köln und Paris. Im Mai folgt der Salon del Mobile, die große Möbelschau in Mailland. Was ist die wichtigste Messe für Sie?
Mailand ist für uns am wichtigsten. Fünfundsiebzig Prozent unserer Hersteller kommen aus Italien, die zeigen ihre neuen Produkte natürlich in Mailand. Die Messe dort war schon immer ein Großereignis. Die ganze Stadt wird zu einem fantastischen Kreativraum.
Als nächstes steht für Sie die Maison & Objet in Paris an. Was erwartet Sie dort?
In Paris geht es mehr um Accessoires. In den Studios und Galerien wird alles umwerfend aufwändig inszeniert. Es wird ein großer Reichtum gezeigt von Steinarbeiten bis zu Möbeln in limitierten Auflagen oder Kunst – alle Stücke sind sehr individuell.
Was kommt von den internationalen Trends in Berlin an? Bei der Mode gab es viele Jahre die Debatte, ob Berlin eine echte Modestadt ist. Ist Berlin eine Möbel-Design-Stadt?
In Berlin findet sich alles wieder, was international gezeigt wird. Es gibt eine große Vielfalt von minimalistischen Wohnungen bis hin zu Eklektizismus. Allerdings gibt es nicht diese extravagant hergerichteten Studios, die den Verkauf von Vintage Möbeln und neuen Stücken und sogar eigene Anfertigungen als ein ganzheitliches Konzept vertreten. Das ist in Berlin eher getrennt. Wobei wir bei Dopo Domani auch Vintage Möbel in unseren Showräumen zeigen und in die Entwicklung eines Interieurs einbeziehen.
Gibt es eine neue Opulenz beim Wohnen?
Insgesamt geht der Trend vom Purismus weg. Es wird mutiger, ja regelrecht pompös. Dies vor allem auch bei Farben und Oberflächen.
Man kann mit Möbeln, die aufwendig verarbeitet sind und verschiedene Oberflächen aufweisen, schon Opulenz erzielen. Es gibt unzählige Muster, sei es für Stoffe oder Tapeten. Es gibt tolle natürliche Materialien, wie Kupfer, Geflecht, Holz, die sich ergänzen. Es ist ein sinnliches Spiel, das nicht zu verwechseln ist mit Überfülle.
Das Pantone Color Institute hat für 2020 Classic-Blue zur Trendfarbe des Jahres ausgerufen. Das tiefe Blau soll Ruhe und Beständigkeit suggerieren. Haben Sie schon Vorboten wahrgenommen?
Die Trendfarben erreichen erstmal die Mode und dann das Möbeldesign. Das ist produktionsbedingt. Im Fashion-design gibt es vier Kollektionen im Jahr. Das geht natürlich bei Möbeln nicht. Gott sei Dank, muss man sagen. Das Blau aber kommt. Es findet sich bereits in Wohntextilien, Wandfarben und Accessoires.
Wie entwickelt sich der Trend bei Stoffen?
Definitiv bleibt Samt. Er wird sogar weiterentwickelt und weniger empfindlich gemacht. Es werden generell Stoffe produziert, die robuster sind und technisch besser funktionieren. Seidenvelours zum Beispiel sieht wunderschön aus mit seinem eleganten Glanz und hat eine wunderbare Haptik. Er ist aber sehr empfindlich.
Was war für Sie in Mailand besonders herausragend?
Design aus Brasilien. Großartig! Es war ein echter Input. Zum Beispiel die Midcentury-Sitzmöbel von Sergio Rodrigues zeigen einen großen Mut. Die Gestaltung hebt sich vom Üblichen ab wie in Europa das Bauhaus.
Das Bauhaus-Jubiläum ist vorbei. Was wird davon bleiben?
Das Bauhaus hat durch das Jubiläum erneut an Bedeutung gewonnen. Man kommt nach wie vor nicht daran vorbei. Bauhaus inspiriert bei jedem neuen Entwurf. In den Zwanzigern war es gewissermaßen viel zu früh. Allein die Vorstellung in dieser Zeit auf einem verchromten Stahlrohrstuhl zu sitzen! Wenn man in Dessau die Prototypen sieht und dazu ein historisches Foto von einer Studentin entdeckt, die gerade mit einem Pferdefuhrwerk umzieht, dann geht das nicht zusammen! Solch einen großen geistigen Vorlauf, wie es das Bauhaus gegenüber seiner Zeit hatte, haben wir im Augenblick im Gestaltungsbereich nicht. Das war eine große Ausnahme.
Werden Smart-Home-Lösungen nachgefragt und von Ihnen angeboten?
Ich bin kein so großer Freund der Digitalisierung. Wir können das noch gut umgehen. Wir können noch immer einfach auf einen Lichtschalter drücken und das Licht ist an. Weder Schalter, noch Lampe oder Kühlschränke müssen mit mir reden. Ich forciere das nicht.
Erkennen Sie bei den vielen von Ihnen gestalteten Räumen die eigene Handschrift?
Es gibt eine große Breite. Aber wenn ich Fotos von realisierten Objekten anschaue, erkenne ich dennoch eine Linie. Ja, man könnte sagen, es gibt eine Handschrift. Vor allem aber weiß ich, was ich in Zukunft weglassen würde. Manchmal ist es nur ein falscher Lampenschirm.
Danke für das Gespräch
Anita Wünschmann