URUK – Die erste Großstadt

Vor 100 Jahren entdeckten Archäologen die erste Großstadt der Menschheit. Aus Anlass des Grabungsjubiläums würdigt das Pergamonmuseum mit einer Ausstellung die großartigen kulturellen Leistungen der Sumerer.

Im heutigen Warka im Süden Iraks fand man sie tatsächlich, die Stadt Uruk aus dem Gilgamesch-Epos. Lange Zeit verband man den Ort allenfalls mit der Figur des mythischen Königs, der zugleich Held der ältes­ten, schriftlich überlieferten Dichtung der Menschheit ist. Darin strebt Gilgamesch, König von Uruk, teils Gott, teils Mensch, nach dem ewigen Leben, muss allerdings nach seinen Reisen, Abenteuern und Kämpfen feststellen, dass sein irdisches Dasein begrenzt ist, er nur durch besondere Taten und großartige Bauwerke Unsterblichkeit erlangen kann. So kehrt er nach Uruk zurück und lässt um die Stadt eine Mauer bauen. Sie soll dem Schutz der Menschen dienen und deren kulturelle und religiöse Entfaltung befördern.

Dass die in Keilschrift überlieferte Gilgamesch-Dichtung nicht ausschließlich Fantasieprodukt ist, beweisen Grabungen, die vor 100 Jahren begannen. Deutsche Archäologen legten nach und nach Heiligtümer frei, die offenbar zu einem Tempel- und Verwaltungsbezirk der Stadt gehörten. Sie entdeckten u. a. den Tempel des Göttervaters Anu und den Hochtempel der Liebes- und Kriegsgöttin Ischtar. Auch konnte die neun Kilometer lange Stadtmauer identifiziert werden. Mittlerweile sind die Altertumsforscher in der Lage, ein ziemlich genaues Bild von der „Ur-Stadt der Menschheit“ zu zeichnen, in der nicht nur Keilschrift und Literatur ihren Ursprung hatten, sondern sich urbanes städtisches Leben, wie wir es heute kennen, entwickelte. So entstand in Uruk vor 5 000 Jahren durch Zusammenlegung kleiner Siedlungen und Gemeinden ein überregionales, rund sechs Quadratkilometer großes Wirtschafts- und Verwaltungszentrum. Ausgelöst wohl aufgrund von klimatischen Veränderungen im damaligen Mesopotamien, die neue Formen und Strukturen des Zusammenlebens erzwangen. Nachweislich wurden Wasserstraßen und Kanäle angelegt, sodass eine städtische Infrastruktur entstehen konnte. An deren Peripherie entdeckten die Archäologen Spuren von Feldern und Obstplantagen, die der Versorgung der Bevölkerung dienten. Rund 50 000 Einwohner zählte Uruk in seiner Blütezeit. Der Palast im Zentrum war nicht nur Sitz des Königs, sondern zugleich auch Handels- und Verwaltungszentrum. Hier wurden die Schreiber ausgebildet, die diplomatische und juristische Verträge erstellten und notwendige Korrespondenzen führten. Die Schrift, auf Tontafeln, Stempeln und Rollsiegeln, war zugleich Grundlage für die Anfänge von Wissenschaft und Literatur, die sich in der Folgezeit im gesamten vorderasiatischen Raum ausbreiteten. So zeigt die 600 Quadratmeter große Ausstellung im Pergamonmuseum unter dem Titel „URUK – 5 000 Jahre Megacity“ die Ergebnisse aus der hundertjährigen archäologischen Forschungsarbeit über den Ort am Euphrat, der über rund drei Jahrtausende als erste Großstadt der Menschheit fortbestand, die älteste uns bekannte Kulturmetropole der Welt. Wirklich imposante Fundstücke konnten die Archäologen allerdings bislang nicht bergen, sodass in der Ausstellung nur Kleinobjekte zu sehen sind. Die vor Ort durchgeführten Grabungen mussten immer wieder unterbrochen werden und legten bislang nur etwa fünf Prozent des ehemaligen Stadtgebiets frei. Dennoch lohnt der Besuch des Pergamonmuseums, vor allem auch dank moderner Technik. Mit der virtuellen Rekonstruktion der Stadt, anhand von Modellen und 3-D-Animationen, wird nämlich anschaulich, wie das städtische Leben im damaligen Uruk funktioniert haben könnte. Der mythische König Gilgamesch wird plötzlich als Baumeister und Visionär fasslich und die Idealisierung im Gilgamesch-Epos führt geradewegs zum Phänomen Großstadt. Die Erfindungen, die repräsentative Architektur und das religiös-kulturelle Stadtleben in Uruk waren für die gesamte altorientalische Welt in der Folgezeit prägend. Bezüge zu heutigen Megastädten herzustellen, wie der Titel der Ausstellung impliziert, erscheint allerdings als weit hergeholt und übertrieben, handelt es sich in Uruk doch um die einmalige Entwicklungsgeschichte der Stadt schlechthin mit der Herausbildung einer städtischen Gesellschaft über einen sehr langen Zeitraum.

Reinhard Wahren

Information

URUK – 5 000 Jahre Megacity
Bis 8. September 2013
Pergamonmuseum Berlin (Museumsinsel), Bodestraße 1–3, 10178 Berlin
Tgl. 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr

 

55 - Sommer 2013