Dass Berlin dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein, wusste schon im Jahr 1910 der Publizist und Kunstkritiker Karl Scheffler. Ein oft zitierter Satz, der noch heute gilt. Umso mehr sind Menschen gefragt, die vor oder hinter den Kulissen etwas bewegen und die Stadt ein Stück voranbringen. Wir stellen sie in jeder Ausgabe vor, die Berlin-Macher. Diesmal Berndt Schmidt
Die Sunday Times in London ist sicherlich unverdächtig, einseitig Partei für Berlin zu ergreifen und übertriebene Werbung für den Friedrichstadt-Palast zu machen. Und dennoch hat sie zu der Revue des Hauses, die ab dem 21. Februar wieder zu sehen ist, geschrieben: „It’s Europe’s biggest revue show and known as ‚Las Vegas in Berlin‘.“ Wow! Dafür bedanken darf sich der Gesellschafter der GmbH und damit das Land Berlin bei Berndt Schmidt, der als Intendant und alleiniger Geschäftsführer die Geschicke dieser Berliner Institution nunmehr seit dem 1. November 2007 lenkt und dabei wahre Wunder vollbracht hat.
Tief in den roten Zahlen steckte der Friedrichstadt-Palast damals, heute hat er die Existenzkrise überwunden. Die wirtschaftlichen Erfolge springen von Superlativ zu Superlativ und sprechen für sich. Fest steht:
Schmidt hat es geschafft, 2013 den Umsatz gegenüber 2007 zu verdoppeln, in die Gewinnzone zu kommen und mit über einer halben Million
Gäste einen neuen Zuschauerrekord aufzustellen. Nun könnte man sagen: Kein Wunder, immerhin hat der gebürtige Bruchsaler, die kleine Stadt liegt in Baden-Württemberg, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Augsburg studiert und 1993 zum Thema Führung von Konzernen, eine empirische Untersuchung, mit summa cum laude promoviert. Doch damit würde man Schmidt nicht gerecht werden. Er selbst sagt von sich, dass er wirtschaftlich und kreativ denken und mit Kaufleuten ebenso gut wie mit Künstlern reden kann. „Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes ein Kulturmanager“, strahlt der Mann übers ganze Gesicht, der ganz offensichtlich seine Berufung gefunden hat.
Dabei war die Wahl seines Studienfaches eher dem Umstand geschuldet, dass Schmidt seinerzeit nicht so recht wusste, welche Richtung er einschlagen sollte. „Mit BWL konnte ich mir viele Optionen offenhalten“, erinnert er sich. Erst auf seinem weiteren Berufsweg hat er seine Affinität zur Kultur entdeckt. Als erste Station steht Bertelsmann in seiner Vita, zunächst in New York, dann als kaufmännischer Geschäftsführer eines Tochterunternehmens in Frankfurt am Main und Geschäftsführer von dessen Auslandsbeteiligungen in New York und London. 2002 wechselte er als Generalbevollmächtigter des Musicals „Ludwig II – Sehnsucht nach dem Paradies“ nach Füssen, ehe er 2004 von der Stage Entertainment als Regionalgeschäftsführer Süd für die beiden Musicalhäuser Apollo- und Palladium-Theater in Stuttgart berufen wurde. Dann kam Berlin.
Bei dem Streifzug durch seinen Lebenslauf macht der Chef des Friedrichstadt-Palastes keinen Hehl daraus, dass es auch bei ihm durchaus Höhen und Tiefen gegeben hat. Der Spruch „Aus Fehlern wird man klug“ kommt für ihn nicht von ungefähr. Und er weiß, dass der Erfolg in Berlin nicht alleine ihm zuzuschreiben ist. „Ohne die Rückendeckung der Politik, die an den Friedrichstadt-Palast geglaubt hat, hätten wir das sicher nicht geschafft“, sagt er und betont dabei das „wir“. Und wenn er weiter ausführt, „Theater ist eine Ensemble-Leistung, alleine würde ich gar nichts schaffen. Das ist mir immer bewusst“, ist das nicht einfach nur daher gesagt.
Anders ist auch nicht zu erklären, dass ihn die Mitarbeiter sehr mögen und nahezu verehren. „Wir sind alle ziemlich glücklich, dass er da ist ... Diesen unerwartet schnellen Erfolg haben wir allein Berndt zu verdanken“, wird die Leiterin der Theaterkasse im Tagesspiegel zitiert, der Kreativdirektor mit den Worten: „Mit Berndt haben wir so viele künstlerische Freiheiten wie noch nie.“ Ja, mit Menschen kann Schmidt umgehen, auf sie zugehen, mit ihnen reden und sie mitnehmen. Und, vielleicht ist das das Wichtigste: Man fühlt sich wohl in seiner Umgebung.
Das liegt sicher auch daran, dass er nicht einer dieser klassischen Ich-Typen aus der Branche ist, die in den Gazetten rauf und runter gefeiert werden. Das Rampengen jedenfalls hat er nicht. Insofern wundert man sich auch nicht, dass er seinem Geburtstag – Anfang Januar ist er 50 Jahre alt geworden – nicht viel abgewinnen kann und im Vorfeld als Devise ausgegeben hat: „Wer mir gratuliert, wird abgemahnt.“
Das hat er natürlich nicht gemacht. Dazu ist Schmidt viel zu stolz auf sein „kreatives Haus“, auf dieses „Kollektiv, das so großes Potenzial hat“. „Wir machen das alles mit 250 Leuten“, resümiert er, wohl wissend, dass in Übersee die Mannschaften und Budgets für derartige Revuen um ein Vielfaches größer sind. „Die haben zehnmal so viel Geld für eine Produktion wie wir, sind aber ganz sicher nicht zehnmal besser“, sagt er stolz und selbstbewusst.
Das kann Schmidt als produzierender Intendant, wie er sich selbst bezeichnet, auch sein. Seine Shows, die er seit seinem Antritt auf die mit 2 854 Quadratmetern größte Theaterbühne der Welt gebracht hat, unterstreichen nachdrücklich, wie groß seine Begabung fürs Fach und den Umgang mit Menschen ist. Qi, WinterTräume, Yma, berlinERLEUCHTET oder SHOW ME – allesamt Erfolge, und nicht nur wegen der mit 32 Tänzerinnen längsten Girlreihe (Kickline) der Welt.
Dass nun auch der Name des Hauses noch mehr Beachtung findet und international auf eine Ebene mit Moulin Rouge und Lido avanciert, sind die nächsten Ziele von Schmidt, der sich vorstellen kann, in Berlin zu bleiben, „solange man mich will“. Denn dies ist seine Stadt: „Ich wollte immer schon hierher.“ Dabei ist es nicht nur die Lage, die ihn insbesondere ob der diversen Wasser- und Seelandschaften begeistert. Vor allem die Menschen sind es: „Berlin ist eine Stadt, die jeden, der kein Idiot ist, umarmt.“ Wenn dies nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft ist.
Detlef Untermann