Der Winter steht in seinem Zenit. Die Sonne macht sich rar. Unser Daheim muss jetzt gekonnt ausgeleuchtet werden.
Alles ist erleuchtet: Der eisblaue Morgen, der früh eine brombeerrote Linie über den Horizont zieht. Die Lecknasen der letzten Sonne am späten Nachmittag. Wie Alpenglühen färbt sie die Spitzen der Häuser selbst in der Stadt glutrot. Erst waren da die schärfer werdenden Kontraste im Herbst. Dann war alles wie grau gewischt und schließlich messinggelb gezaubert. Besonders Alpenmalern ist es gelungen, dies Feuer in ihren Bildern einzufangen. So wie der Tiroler Giovanni Segantini im Schweizer Engadin, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit dem Pinsel die Farben in seinen Gemälden horizontal und glühend schichtete, so wie er sie im Januar gesehen. Wenn der Winter kommt, verblassen die Farben. Die lichtstarken Sequenzen schrumpfen. Will es denn gar nicht mehr hell werden? Wenn jetzt bloß die Wohnhöhle warm ist und uns in behaglichen Lampenschein hüllt. Lang vorbei scheinen Tage, als die unverschleierte Sonne das bunte Herbstlaub zum Leuchten brachte und golden in unsere Stuben blinzelte. Schnell folgten die grauen unschlüssigen Tage, bis das klare Jahresanfangslicht endlich glitzernd den Schnee reflektiert. Gespeist von der Sonne, bricht es sich violett, blau, grün, gelb, orange und rot.
Ein Farbenfeuerwerk, das Kontraste schafft. Wir sind wie elektrisiert und verstehen, warum Helios im Altertum als Gottheit verehrt wurde.
Dies Regenbogenspektrum möchten wir auch zu Hause erreichen, damit die nassen und trüben Tage uns nicht traurig stimmen, denn wer über Hell und Dunkel spricht, spricht immer auch über Farben. Nur das Tageslicht gibt dessen ganze Fülle wieder. Zu Hause hängt es vom Leuchtmittel ab. Mit der Glühlampe verbindet uns eine lange und warme Freundschaft. Energiesparlampen sind oft noch grelle Wichtigtuer, die die bunte Welt nur unvollständig wiedergeben. Wir sind verstimmt.
Das beste Raumklima schaffen mehrere Lichtquellen. Dabei ist die „Generelle Beleuchtung“ für die Helligkeit zuständig. Das kann eine Deckenlampe sein. Das „Funktionslicht“, auch Direktlicht genannt, sollte punktgenau auf ein Objekt ausgerichtet sein. Es hilft uns beim Arbeiten, Kochen oder Lesen. „Atmosphärisches Licht“ drum herum sorgt für Balance und Gemütlichkeit. Alles zusammen schafft gute Laune.
Der Umgang mit dem Licht ist eine Frage der Kultur und des Breitengrades. Die nordischen Länder sind ganz sicher Meister der Inszenierung. Während die Sonne in den Alpen bloß früher hinter den Bergen verschwindet, ist sie dort oben lange Zeit im Jahr fast gar nicht zu sehen. So viel Dunkel übt und macht den Meister. Man holt sich die Sonne nach drinnen. Kerzenschein gehört dazu. Amerikanische Gäste fragen da schon mal, ob jemand gestorben sei. Japaner halten offenes Feuer, und sei es noch so winzig, schlichtweg für gefährlich.
Licht ist die Basis für unser Leben. Energie pur. Wie Nahrung. Das Essen aber unter Leuchtstoffröhren einzunehmen, wie das in manchen türkischen Gasthäusern durchaus üblich ist, käme uns nicht in den Sinn. Oder den ganzen Tag hinter geschlossenen Fensterläden die Glühbirne brennen zu lassen – undenkbar. Licht ist die Direktleitung zu unseren Gefühlen und Stimmungen. Zu wenig macht depressiv. Ist es falsch eingesetzt, fühlen wir uns müde und schlapp oder werden nervös. Licht ist Spirit, eine Art Raumtemperatur. In weißen Räumen wandelt es sich ständig. Naturtöne heizt es auf, verbreitet Wärme. Unter der richtigen Hängelampe überm Abendbrottisch sitzen wir so sicher und wohlig wie schon unsere Vorfahren am Lagerfeuer. Wer beim Tafeln auf Kerzen setzt, muss darauf achten, dass das Umfeld nicht zu dunkel ist, sonst ist die Feierlichkeit dahin, und der Gast fühlt sich geblendet.
Der Umgang mit der Beleuchtung ist aber nicht nur eine Frage der Kultur, sondern auch des Wissens. Lampenläden, die nur das Design verkaufen wollen, gibt es zuhauf. Innenarchitekten, die auch das Befinden ihrer Klienten im Blick haben, sucht man mit der Lupe. Wer schon mal im abgedunkelten Restaurant unter falsch ausgerichteten Punktstrahlern in den Tiefen seines Essen stocherte oder unter diffusem Deckenlicht in das aschfahle Gesicht seiner neuesten Eroberung schaute, weiß, wohin das führen kann. Wer seine häusliche Beleuchtung jetzt nochmal überdenken möchte, sollte sicherheitshalber einen Lichtexperten fragen.
Inge Ahrens