Er war Bildhauer, Zeichner, Kunstgelehrter, Laienschauspieler, Schach- und Musikliebhaber, überzeugter Freimaurer und waschechter Berliner.
Zum 250. Geburtstag von Johann Gottfried Schadow erinnert eine Ausstellung im Ephraim-Palais an den Vater der Berliner Bildhauerschule.
Mit einer Ausstellung ein wichtiges Künstlerjubiläum zu begehen, ist freilich üblich und für Museen eine Pflichtveranstaltung, doch im Falle Johann Gottfried Schadows sicherlich auch eine Herzenssache und besondere Herausforderung. Denn Schadow gehört zu Berlin wie andere Berühmtheiten, die die Stadt hervorgebracht hat und die aus deren Geschichte nicht wegzudenken sind. So haben sich das Stadtmuseum Berlin und die 1994/95 gegründete Schadow Gesellschaft e.V. zusammengetan, um aus ihren Beständen und Leihgaben eine Ausstellung zu kuratieren, die nicht nur den Fokus auf das allgemein bekannte, künstlerische Schaffen des Künstlers richtet, sondern Schadow aus Anlass seines 250. Geburtstages in seiner ganzen Persönlichkeit zeigen soll. Zumal das öffentliche Bewusstsein mit seinem Namen nur wenige Hauptwerke verbindet: an erster Stelle sicher die Quadriga auf dem Brandenburger Tor, gefolgt vom nicht viel weniger bedeutenden Doppelstandbild der preußischen Prinzessinnen Luise und Friederike. Dabei war Johann Gottfried Schadow nicht nur einer der vielseitigsten Künstler seiner Zeit – er schuf rund 400 Bildwerke und 3 000 Grafiken und betätigte sich als Kunstlehrer und Kunstschriftsteller –, er genoss auch außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit als Hofbildhauer und Direktor der königlichen Akademie hohes Ansehen. So speiste sich seine große Popularität auch aus seinem gesellschaftlichen Engagement. Er engagierte sich im Berlinischen Künstlerverein und bei den Freimaurern. Privat kannten und schätzten die Berliner den Schach- und Musikliebhaber sowie den Laienschauspieler, der auch stets als geselliger, witziger und bodenständiger Gastgeber auftrat.
Den zu Lebzeiten populären Künstler auch als außergewöhnliche Persönlichkeit hinter seinen großen Bildwerken zu zeigen, hatten sich also die Ausstellungsmacher und Gratulanten zum Ziel gesetzt. Wiederentdeckungen und Überraschungen eingeschlossen. Dazu gehören noch niemals ausgestellte und unbekannte Zeichnungen und ein Geburtstagsgeschenk von einem Verehrer und Berliner Künstler, der sich in besonderer Weise mit Schadow verbunden fühlt: dem Maler, Grafiker und Performer Johannes Grützke. Er illustriert die Ausstellung mit eigenen, großformatigen Zeichnungen und erfundenen Dekorationen in fast allen Räumen. Ebenso trägt der Maler Matthias Koeppel mit dem „Requiem für Luise“ von 1984, das die Musikergeschwister Humpe vor dem Charlottenburger Schloss darstellt, dazu bei, der Ausstellung etwas von ihrer historischen Ausschließlichkeit zu nehmen. Gleichwohl, ob reflektierend oder persiflierend, die Begegnung mit dem Vater der Berliner Bildhauerschule im Ephraim-Palais lässt Johann Gottfried Schadow in neuem Licht erscheinen. Sein Selbstbildnis von 1802 scheint dies anzudeuten. Es zeigt ihn als selbstbewussten Mann, der als Sohn eines Schneidermeisters zum Künstlergenie avancierte und von zwei Königen genauso bewundert wurde wie von seinen bürgerlichen Zeitgenossen, Künstlerkollegen und Schülern. Neben dem Doppelstandbild der preußischen Prinzessinnen ist die Quadriga, ein von der geflügelten Siegesgöttin Viktoria als Friedensbringerin gelenktes Vierergespann auf dem Brandenburger Tor, das wohl bekannteste Werk Schadows bis heute. Von der originalen Quadriga ist nur ein Pferdekopf erhalten geblieben und in der Ausstellung zu sehen. Die Antike war für ihn verbindliches Vorbild, er lehrte und erneuerte die deutsche Bildhauerkunst in diesem Sinne. Sein berühmtester Schüler ist der Bildhauer Christian Daniel Rauch.
Schadow aber auch als vielseitigen, geselligen und geistreichen Unterhalter mit hohem moralischen Anspruch entdecken zu können, macht den ganz besonderen Reiz der Ausstellung aus. Er pflegte ein aktives Vereinsleben, war engagiertes Mitglied bei den Freimaurern, stand der Liedertafel und der Berliner Singakademie nahe, leitete den Berliner Schachclub.
In privatem Rahmen trat er selbst gern schauspielernd auf, verfasste Gedichte und Bühnentexte. Und schließlich kann der Ausstellungsbesucher in Schadow einen überzeugten Berliner entdecken. Denn nicht nur in seinen Auftragsarbeiten als Bildhauer und Grafiker bezog er sich auf seine
Heimatstadt: „… es kann in der jetztlebenden Welt keinen schönern und angenehmern Ort geben …“. Wer dieses Statement des großen Berliner Künstlers Johann Gottfried Schadow überprüfen will, hat in der im Knoblauchhaus gezeigten begleitenden Kabinettausstellung „Schadows Berlin“ die Gelegenheit dazu.
Reinhard Wahren
Information
Ausstellung
Unser Schadow.
Gratulationen zum 250. Geburtstag
Bis 29. Juni 2014
Ephraim-Palais/Stadmuseum
Poststraße 16, 23 (Knoblauchhaus)
10178 Berlin-Mitte