Mal eben rasch durch die Gartenanlage gehen kann Thea Carlin nicht. Ein freundliches „Guten Tag!“ eines Stammkunden hier, ein bittendes „Ich brauche Ihre Hilfe!“ da und häufig braucht ein Hobbygärtner „nur schnell mal einen Rat“ – und schon wird ein längeres Gespräch daraus. Mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings strömen viele nach Dahlem in die Königliche Gartenakademie, um sich die besten Ratschläge von Fachleuten zu holen.
Und vielleicht einen riesigen Bambus, einen Rosenstock oder eine kleine Primel zu kaufen. Oder einen Obstbaum. Oder einen handgearbeiteten Terrakotta-Topf aus Italien. Die Stammkunden kommen auch gern, um die „Kinderstube“ zu besuchen, das sind die kleinen Setzlinge, die noch zu jung sind, um in den Verkauf zu kommen. Aber sie sprießen tapfer im Glashaus, und die Kunden mögen es, das Grün von morgen zu begutachten. Dass es hier ein wunderbares Café gibt, stellt die Kunden eigentlich nur vor eine schwierige Entscheidung: Kehren wir vor dem Gang durchs grüne Angebot ein, um Kraft zu sammeln oder lieber danach? „Ich bin ein Ostseekind“, sagt Thea Carlin, „mein Vater war Pastor, wir hatten einen riesigen Garten.“ Dort wurde ihre Liebe zu den Pflanzen geweckt: „Wir hatten Obst, Gemüse und viele Blumen.“ Ein Paradies für Thea und ihre drei Geschwister. Dann bekam der Vater einen anderen Posten, die Familie zog nach Potsdam um. Ein Schock für die Kinder: Der neue Lebensort lag zwar am Wasser, aber er hatte keinen Garten! Doch da war dieser neue Bekannte der Eltern im Freundeskreis, der nette Herr mit dem Stock und dem riesigen Garten: Karl Foerster. Der Gott der Stauden, ein Mann, den über vierzig Jahre nach seinem Tod noch viele Menschen verehren, sie lesen seine Bücher, besuchen seinen Garten, befolgen ehrfürchtig seine Ratschläge. Bei Karl Foerster absolvierte Thea Carlin ihre Ausbildung zur Zierpflanzengärtnerin, später kam noch ein Fernstudium dazu. Von ihrem ersten Chef lernte sie vor allem dies: „Den Blick für das Schöne und Wertvolle – und den Mut, auch etwas wegwerfen zu können.“ Pflänzchen, die zu zart sind zum Beispiel. Das ist wichtig, um die Kraft des Schönen zu erhalten. Als der berühmte Foerster-Garten für die Bundesgartenschau in Potsdam wieder hergerichtet wurde, hat Thea Carlin mitgearbeitet – ein Projekt des Herzens für sie.
In der Königlichen Gartenakademie ist sie von Anfang an dabei. „Ich habe die ersten Beete hier angelegt, jeder Stein ist mir ans Herz gewachsen“, sagt Thea Carlin. Die schönen Schaubeete sollen der Inspiration dienen, nichts wird lieblos zum Verkauf abgeladen, jeder Topf wird liebevoll arrangiert, jedes Pflänzchen bekommt den Platz an der Sonne, der seine Schönheit betont. Von der Primel bis zur elektrischen Sicherung – gibt es ein Problemchen oder Problem, die Chefgärtnerin ist stets zur Stelle.
„Hier ist eine andere Welt als draußen“, sagt sie. Eine buntere, schönere, friedlichere. „Die Menschen suchen nicht nur Neues für den Garten, sie kommen auch, um zu reden.“ Und wenn sie lächelnd gehen, dann ist Thea Carlin froh. Das Wissen um das Grün der Gärten ist in den vergangenen Jahren gestiegen, Menschen beschäftigen sich gern damit, wie man den schönen Garten zum Blühen bringt. Einen der größten Irrtümer räumt Thea Carlin gern aus. „Viele sagen, ach, ich brauche etwas Pflegeleichtes, ich kümmere mich einfach nur um den Rasen.“ Dabei sei der Rasen doch, das Schwierigste überhaupt! Mit Geduld beantwortet sie die Fachfragen, ihre Seminare – zum Beispiel „Der kinderfreundliche Garten“ – finden an der Königlichen Garten-akademie ein begeistertes Publikum. Und wenn sie wieder auf die Welt kommt, würde sie wahrscheinlich wie Karl Foerster hoffen, dass sie auch dann wieder den grünen Daumen hat. Der berühmte Staudengärtner sagte einmal: „Wenn ich wieder auf die Welt komme, werde ich wieder Gärtner – und das nächste Mal auch noch. Denn für ein einziges Leben wird dieser Beruf zu groß.“
Paula Pogany