Mit Werken berühmter Künstler wie Miró, Magritte oder Dalí zählt sie zu den bedeutendsten Privatsammlungen der Klassischen Moderne. Die Neue Nationalgalerie zeigt erstmals die Kollektion des Berliner Sammlerpaares Ulla und Heiner Pietzsch.
Die Kunst des Unbewussten, Mysteriösen, der Träume und der grenzenlosen Phantasie zu sammeln, das zeugt schon von besonders ausgeprägtem Interesse, von seltener Passion. So im Falle der Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch. Zumal das Berliner Ehepaar seit mehr als vierzig Jahren in seinem Haus mit diesen geheimnisvollen Kunstwerken lebt und sie Mittelpunkt ihres Lebens sind.
Mit Werken von Max Ernst, Joan Miró, René Magritte, Salvador Dalí, Jean Arp, Yves Tanguy, Hans Bellmer, Paul Delvaux oder André Masson, um nur die berühmtesten zu nennen, zählt die Sammlung Ulla und Heiner Pietzsch zu den bedeutendsten Privatsammlungen der Klassischen Moderne. Sie ist bisher noch nie außerhalb des privaten Kreises gezeigt worden. Dass die beiden Sammler nun in die Öffentlichkeit gerückt sind und ihre Kunstwerke in der Neuen Nationalgalerie ausstellen, ist Glücksfall und Ereignis zugleich. Bringt uns ihre hochkarätige Sammlung doch diese wichtige Kunstrichtung mit Werken ihrer berühmtesten Vertreter in beeindruckender und geradezu überwältigender Weise nahe. Und dies an einem Ort, der exemplarisch für die Klassische Moderne steht.
Der Titel der Ausstellung „Bilderträume“ impliziert bereits das Wesen der surrealistischen Kunst: Der Traum als Beobachtungsfeld steht im Vordergrund. Mit der Absicht, Unbewusstes ans Licht zu bringen und es in eine Kunstform zu verwandeln. So entstehen rätselhafte Bilder bar logischer Zusammenhänge, „ohne jede Kontrolle durch die Vernunft, jenseits jeder ästhetischen oder ethischen Überlegung“, wie André Breton den Surrealismus in seinem „Manifeste du surréalisme“ von 1924 definierte. Die Bilder von Max Ernst und Joan Miró drücken diese Traum- und Phantasiewelten in exemplarischer Weise aus. In ihnen erweisen sich die Maler gewissermaßen als Psychotherapeuten des unbewusst Schöpferischen und geben mit ihren Bildern einer anderen Welt Gestalt. Oder sie entwerfen geheimnisvolle und rätselhafte Bildkompositionen wie bei René Magritte, um der freien Assoziation oder auch Irritation Raum zu geben.
Aber nicht nur die berühmten Protagonisten des Surrealismus sind in der Sammlung vertreten. Auch weniger bekannte Künstler wie Leonor Fini, Pierre Roy oder Kurt Seligmann tragen zu deren hohem Qualitätsanspruch bei.
Besondere Wertschätzung und Originalität erfährt die Sammlung Pietzsch zudem durch ihren zweiten Schwerpunkt: einer Auswahl früher Werke des Abstrakten Expressionismus, der von Jackson Pollock in New York nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Einfluss der nach Amerika emigrierten Künstler begründet wurde und sich aus den Einflüssen des Surrealismus entwickelte. Den Bildern liegt ebenso wie im Surrealismus nicht rationale Überlegung zugrunde, sondern emotionale Aktionen, meist spontan entstanden mittels bestimmter Techniken. So bietet die Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie auch Gelegenheit, angesichts der Frühwerke von Pollock, Mark Rothko oder Barnett Newman einer faszinierenden Kunstrichtung zu folgen, die als „surrealistische Revolution“ in Paris begann und über den Abstrakten Expressionismus bis ins Heute reicht. Denn mit „Fluchtversuch“ von Neo Rauch am Ende des Ausstellungsrundgangs trifft der Besucher auf einen hervorragenden zeitgenössischen Maler, der wiederum surrealistische Bildkonzepte vertritt.
Reinhard Wahren
Ausstellung
Bilderträume. Die Schau mit 180 Exponaten
Bis 22. November 2009
Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin