Thomas Lubkoll ist bodenständiger Spreewälder und stellt in vierter Generation Kähne her.
Er war lange Zeit das wichtigste Transportmittel, ob für Gurken und Meerrettich, den Postverkehr oder für die Einheimischen, um von Hof zu Hof zu gelangen. Heute ist der hölzerne Kahn Wahrzeichen des Spreewalds und hat seine Bedeutung hauptsächlich für den Tourismus in der von zahllosen Fließen durchzogenen Landschaft. Einige Streuhöfe im Spreewald sind bis heute nur über Fließe erreichbar und auf die flachen Boote angewiesen. Zwar werden nur noch wenige Holzkähne nach traditionellem Vorbild aus 120 Jahre gewachsenem Kiefernholz hergestellt, dafür aber haben Aluminiumkähne Konjunktur.
Thomas Lubkoll aus Lübbenau stammt aus einer Kahnbauer-Familie und setzt traditionelles Handwerk mit den heutigen Mitteln fort. „Eine Kiefer muss 120 Jahre wachsen, damit ihr Kern dick und fest genug ist für die Herstellung der Bordwände. So können aus einer Kiefer zwei Kähne gebaut werden, die 50 Jahre halten. Aber seit 50 Jahren gibt es kaum noch eine Kiefer ohne Umweltschäden. Je schlechter die Kiefer steht, umso kleiner ist ihr Kern“, gibt Kahnbauer Lubkoll zu bedenken. Das Handwerk des Holzkahnbaus stirbt aus. 1965 wechselt der Vater Albert Lubkoll aus Mangel an geeignetem Holz vom Holzkahn zum Stahlbau in gleicher Form nach alten Schablonen und 1973 zum Aluminiumbau. 2001 übernimmt Thomas Lubkoll den Betrieb und baut mit Aluminium weiter. „Dem Alukahn gehört die Zukunft. Er besteht zu 90 Prozent aus recyceltem Aluminium und hält ewig. Nur Form und Größe gleichen dem traditionellen Holzkahn“, erzählt Lubkoll. 2000 Spreewaldkähne aus Holz und Aluminium sind wasserpolizeilich zugelassen. „Der Bedarf steigt, obwohl der Tourismus im Spreewald seit der Wiedervereinigung um 50 Prozent auf 500 000 Besucher im Jahr zurückgegangen ist.“
Knapp einhundert Kilometer südöstlich von Berlin befindet sich der Spreewald. Nach der letzten Eiszeit teilte sich hier die Spree in ein fein gegliedertes Netz von Fließen. Insgesamt 970 Kilometer natürliche Fließe und künstlich angelegte Kanäle durchziehen das Gebiet, das seit 1991 den Status eines UNESCO-Biosphärenreservates hat.
Es wird ruhiger im Spreewald, vielleicht zum Nutzen der Artenvielfalt und Erholung dieser besonderen Kulturlandschaft. „Der Erlenhochwald ist weltweit einmalig. Aber der Baum muss im Sommer trocken stehen und Sommerhochwasser wie im Jahre 2010 mindern den Bestand durch Massensterben. Am schönsten ist eine Kahnfahrt durch den Hochwald im Mai, wenn die Landschaft sonnendurchflutet ist und zu grünen beginnt“, schwärmt Lubkoll, dessen Familie väterlicherseits von den Wenden abstammt. „Als Kind hat mir mein Vater den Unterschied von Sorben und Wenden erklärt“, erzählt Thomas Lubkoll. Die Sorben sind katholische Christen, während die Wenden lange am heidnischen Glauben festhielten und zum protestantischen Glauben wechselten, so die Kurzform. Bis heute sind im Spreewald heidnische Bräuche der Wenden wie die Osterfeuer, das Zampern zur Vertreibung des Winters oder das fast vergessene Osterwasserholen lebendig. Am Ostersonntag versammeln sich Reiter an der evangelischen Kirche in Zerkwitz zur Reiterprozession durch den Lübbenauer Pfarrsprengel. Das wendische Osterreiten feiert die Auferstehung Jesu Christi. Die wendische Spreewaldtracht wird bei allen Volksfesten getragen, die über das Jahr hinweg in der Region gefeiert werden. Sie unterscheidet sich von der sorbischen Tracht in der Oberlausitz. Die Bräuche und Feste halten die slawische Minderheit in der Lausitz zusammen.
Wolfgang Korall
Literaturhinweis:
„Reise durch den Spreewald“
200 Fotos von Wolfgang Korall
Text Georg Schwikart
Stürtz Verlag Würzburg 2012
ISBN 978-3-8003-4160-3