Dass Berlin dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein, wusste schon im Jahr 1910 der Publizist und Kunstkritiker Karl Scheffler. Ein oft zitierter Satz, der noch heute gilt. Umso mehr sind Menschen gefragt, die vor oder hinter den Kulissen etwas bewegen und die Stadt ein Stück voranbringen. Wir stellen sie in jeder Ausgabe vor, die Berlin-Macher. Diesmal Tobias Tuchlenski.
Der Mann wirkt, wie ein Hanseat eben so wirkt: bescheiden, zurückhaltend, stilsicher. Mit den eher vorsichtig ausgesprochenen Worten „Ich glaube, Sie wollen zu mir“, kommt Tobias Tuchlenski in das Besucherzimmer und holt mich ab. Dabei hätte er für diese Aufgabe – rein theoretisch – auf 6 500 Mitarbeiter zurückgreifen können, die er in den 150 Filialen von Kaiser’s/Tengelmann in Berlin und dem Umland als Regionalmanager führt und lenkt. Doch er tut es selber und geht mit mir den schier endlos wirkenden Gang bis zu seinem Büro.
Auch das wirkt hanseatisch. Von Prunk und Pomp keine Spur, vielmehr funktionell und doch irgendwie persönlich. So persönlich, wie auch unser Gespräch beginnt. Dabei hat man das Gefühl, dass sich der 50-Jährige wirklich für sein Gegenüber interessiert und es sich nicht um den üblichen Small Talk handelt, der in aller Regel alles andere als persönlich ist. Und so nähern wir uns langsam einander an und kommen schließlich mit der Frage „Wie hat es Sie eigentlich zu Kaiser’s/Tengelmann verschlagen?“, zum eigentlichen Thema. Vor 18 Jahren sei das gewesen, da habe ihm ein Freund spannende Geschichten aus der Lebensmittelbranche erzählt und ihn, nachdem er interessiert gewesen sei, auch noch empfohlen. Seitdem arbeitet Tuchlenski für die Supermarkt-Kette, die letzten elf Jahre verantwortlich für Berlin. Und das ganz offensichtlich mit voller Begeisterung. „Die Lebensmittelbranche verändert sich ständig, entwickelt sich weiter. Da entdeckt man laufend neue Dinge, die man auch selber genießen kann“, erzählt er ganz offen und beweist damit, dass er es durchaus versteht, berufliche Notwendigkeiten mit privatem Nutzen zu kombinieren.
Dabei gesteht der gebürtige Hamburger, der zunächst Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt, als solcher auch ein Jahr in New York bei einem Stahlunternehmen gearbeitet und schließlich in Berlin an der Technischen Universität (TU) Betriebswirtschaftslehre studiert hat, ganz unumwunden, dass er nicht der ganz begnadete Koch ist. Dafür kennt er aber solche Köche, wie zum Beispiel Hans-Peter Wodarz, mit dem er immer mal wieder am Herd steht und mit dem er die Sendung „berlin kocht“ bei tv.berlin ins Leben gerufen hat. Seit 2010 gibt es die Sendung schon. Und präsentiert wird sie, wie sollte es anders sein, natürlich von Kaiser’s, das nicht nur die Rezepte auf der Webseite bereit hält, sondern auch die Zutaten in den Filialen.
In denen kann Tuchlenski über die Jahre hinweg beobachten, wie sich die Einkaufs- und Essgewohnheiten der Menschen ändern. So habe Anfang des neuen Jahrtausends auch in der Lebensmittelbranche die „Geiz ist geil“-Mentalität Einzug gehalten. Mittlerweile stellt er allerdings wieder eine Polarisierung und Konzentration auf Qualität fest. Die Gourmet-Ecken in den Supermärkten würden immer größer. Selbst die Discounter setzten verstärkt auf ihre Premiummarken wie DeLuxe und Gourmet. Gleichermaßen sei die Aufmerksamkeit, die Lebensmitteln entgegengebracht werde, deutlich gestiegen, wie auch der Trend zu Bio-Produkten sowie vegetarischer und veganer Ernährung unterstreicht. Dass zudem immer mehr Menschen – angeheizt durch die zahlreichen Kochshows im Fernsehen – in den eigenen vier Wänden kochen wollen, hat diese Entwicklung seiner Ansicht nach nur noch beschleunigt.
Neben seiner Lebensmittel-Welt gibt es für Tuchlenski allerdings auch noch ein zweites Leben. Da sind seine Lebensgefährtin und sein Sohn, und da sind seine Hobbys Wakeboarden, Ski- und Motorradfahren sowie mindestens zweimal die Woche Joggen um den Grunewaldsee. Doch so, wie er an sich denkt, denkt er auch an andere Menschen. Die Liste seiner Engagements bzw. Sponsorings ist lang: „Berlin. Stimmt so!“ zugunsten der Berliner Tafel, für die Kaiser’s Kunden an der Kasse ihren Rechnungsbetrag aufrunden können, „A&P Berlin Summer Rave“, das legendäre Techno-Festival auf dem Tempelhofer Feld, den großen Kaiser’s Familien-Renntag auf der Trabrennbahn Mariendorf, die Fußball-Akademie von Hertha, das Konzerthaus am Gendarmenmarkt, der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland und der Christopher Street Day.
„Bei uns ist jeder Kunde willkommen, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung. Je bunter, unterschiedlicher die Menschen, desto spannender empfinden wir das Geschäft“, umreißt Tuchlenski seine Grundeinstellung und die von Kaiser’s/Tengelmann. Die Offenheit, die das Unternehmen mit seinen vielfältigen Engagements praktiziert, kommt dabei offensichtlich nicht nur bei den Kunden, sondern auch potenziellen Mitarbeitern an. Vor allem junge Bewerber fänden das „cool“ und erwähnten das auch bei Bewerbungsgesprächen.
Dass sich das Gros der Mitarbeiter –nach der letzten Statistik ist Kaiser’s/Tengelmann immerhin der zehntgrößte Arbeitgeber in Berlin – ziemlich wohl fühlen muss, lässt sich daran ablesen, dass 1 900 der 6 500 Beschäftigten in Berlin und Brandenburg, das sind fast 30 Prozent, schon 20 Jahre und länger für das Unternehmen arbeiten, einige sogar über 40 Jahre. Jedenfalls spricht dies für eine große Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber.
Der hat seit letztem Jahr übrigens einen neuen Claim, mit dem er sein Markenprofil schärfen will: Immer eine gute Idee. Damit sollen die Kunden nach dem Willen der Zentrale immer wieder aufs Neue informiert und inspiriert werden. Das hat Tuchlenski irgendwie wörtlich genommen und gemeinsam mit dem Vorstand der 1000hands AG Bernd Müller etwas ausgeheckt, mit dem sie weltweit die Ersten waren: Eine Indoor-Navigation für Supermärkte. Das Ganze funktioniert so: Man lädt sich im App-Store die App „Kaiser’s Berlin“ runter, bestückt seine Einkaufsliste, geht in die Filiale Knesebeckstraße 56–58 oder Clayallee 336 und wird auf dem schnellstmöglichen Weg durch den Markt gelotst.
Detlef Untermann