Die Leute rennen uns die Bude ein

Ein Treffen mit dem Berliner Fabrikanten Olaf Höhn ist wie Eiscreme in der Sonne. Viel zu schnell vorbei. Der Gründer, Chef und Inhaber von Florida Eis verkauft seit dreißig Jahren Eiscreme, aber erst seit ein, zwei Jahren fühlt er sich als Unternehmer, sagt er. Seit er für sich entschieden hat, wie die Zukunft der Eisherstellung aussehen soll. Sein Slogan: Wir machen aus Sonne Eis.

Er hätte auch Bockwurst verkaufen können – theoretisch, sagt Olaf Höhn lachend auf die Frage nach seinem Erfolgsrezept als Unternehmer. Nein, es ist die Liebe zum Eis und gleich danach kommt das handwerkliche Können. Das bringt die Konditorin Simone Gürgen mit. Als er 1985 sein erstes Eiscafé in der Klosterstraße in Spandau kaufte, war sie mit dabei. Sie wurde Teilhaberin. „Eis machen kann jeder“, sagt Höhn, „aber sie macht das beste. Sie macht Spitzen-Eis.“ 70 Sorten inklusive milch- und glutenfreie werden mittlerweile in der hauseigenen Manufaktur hergestellt. Angefangen hat Florida Eis mit vier Läden, die es heute auch noch gibt. Im Winter war geschlossen und Höhn konnte die freie Zeit genießen, Reisen machen, Weltbürger werden. Dann trat der Handel an ihn heran und damit war klar, dass die gemietete Fabrikhalle zu eng wird. 

Heute gibt es Florida Eis ganzjährig, in der vierten Generation Verpackungen und Merchandise-Artikel. König Ludwig Glace Royale ist die jüngste Kreation eines Premiumprodukts, wie es im Marketingjargon heißt. Dass die Qualität stimmt, ist das Wichtigste. Aber Olaf Höhn schwärmt auch von seinen tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Fünf sehr enge von 240 Leuten insgesamt. Einen Berater hat er nicht, was für ihn ein weiterer wichtiger Punkt auf dem Weg zum Erfolg ist. Er möchte alles selbst in der Hand haben, deshalb steht er manchmal sonntags hinter dem Tresen und verkauft selbst sein Eis. Es kommt auch vor, dass der Eismacher persönlich am Wochenende ein neues Tiefkühlfahrzeug aus Italien abholt.  

Es waren immer die Männer in seiner Familie, die in Olaf Höhns Leben beim Weichenstellen dabei waren. Jetzt ist es der eigene erwachsene Sohn. Als Hydro-Geologe und mit seinen Vorträgen über Wasser veränderte er die Weltsicht seines Vaters noch einmal und sensibilisiert ihn für das Umweltthema. Als Ingenieur liebt Olaf Höhn das Tüfteln, und alles Technische fasziniert ihn sowieso. „Was kann man machen? Neue Heizungen? Haben wir schon. Also hinsetzen, neu denken.“ Wie kann man der Umwelt gerecht werden und den Begriff der Nachhaltigkeit wirklich ernst nehmen? Eine neue Produktion entstand in seinem Kopf. Das Florida Eis sollte zukünftig CO2-neutral produziert werden. Es hat ein paar Wochen gedauert. Und dann war das Konzept fertig und durchdacht. Damit ist Olaf Höhn zur Bank gegangen und hat kein Geld bekommen.

Drei Nächte hat der Eisfabrikant nicht geschlafen und schließlich beschlossen, alles zu verkaufen, auch seine wertvollsten Dinge, inklusive seiner Rentenvorsorge, und investiert. Jetzt steht sie da, am Rand von Berlin-Spandau auf einem ehemaligen Fluggelände, die neue Manufaktur für CO2-neutrale Eisherstellung mit allen nötigen Hightech-Raffinessen wie Adsorptionskälteanlage, Solar-Thermie-Platten, Gründach, Glasschaumschotter. „Ich habe mich zum ersten Mal verrechnet“, sagt er, „ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Erfolg haben werde. Die Leute rennen uns die Bude ein.“ Medien, Einkäufer, Schüler, Auszubildende, Vorstandsvorsitzende kommen zur Betriebsbesichtigung. Manchmal hält er auch Vorträge für Existenzgründer: „Ihr erster Angestellter ist ein Freund, den Sie bald wieder entlassen müssen, weil Sie ihn gar nicht gebrauchen können.“ Eine Erfahrung, die wohl viele junge Selbstständige teilen. „Zum Unternehmer muss man sich entwickeln“, sagt Höhn und betont, wie wichtig dabei die eigene Unabhängigkeit ist. Er verkauft mit Spaß und hat Erfolg. Das bringt automatisch auch Gegenwind. Es gibt den Preiskampf, der nun mal dazu gehört, und es gibt richtige Widersacher, die versuchen, ihm das Unternehmerleben schwer zu machen. Aber das weckt seinen Kampfgeist und macht ihn nur noch entschlossener. Schließlich ist er auch schon in den Siebzigern richtige Autorennen gefahren.

Wer Olaf Höhn mal in Ruhe sehen will, muss am Abend kommen. Dann sieht man den Unternehmer mit einem Eis aus der letzten Tagesproduktion in der Hand genussvoll auf das Land hinter seiner neuen hochmodernen Spandauer Produktionshalle blicken. Eine kleine Oase. Das pure Glück. Es sind die Buslinien M32 und M49 die hier enden, da wo Floridas Leben und das von König Ludwig anfängt. Wenn es den Flugplatz hier noch gäbe, könnte der Eisfabrikant, der auch einen Flugschein besitzt, eine Runde durch die Luft drehen. Und so fliegen seine Gedanken in den Abend. Und vielleicht denkt er daran, wie seine Eisproduktion auch noch Strom gewinnen kann. Oder, dass er wieder ein Flugzeug haben und noch einmal um die Welt fliegen möchte.

Barbara Sommerer

 

59 - Sommer 2014