Katzen und Minze

 Ein Staudenbeet, ein Birkenhain, die lauschige Sitzecke, eine Wand mit herabregnenden Glyzinienblüten. René Werner hilft Gartenbesitzern, Wünsche und Fantasien umzusetzen. 

In der Luft schwebt ein Duftcocktail aus Jasmin, Sommerlinde und Weymouths-Kiefer. Alles Ätherische verströmt sich in die Juniwärme. Es entfaltet sich in den Berliner Himmel über Dahlem. Dahlem? Das Garten- und Villenviertel im Südosten Berlins hat der Berlin-Biennale-Kurator Juan A. Gaitán ganz nah an die Mitte herangeholt. Man braucht nur einen gültigen Fahrschein und den Streckenplan. Und plötzlich entdeckt man wieder das geistige Zentrum des Sechziger-Jahre-Berlins, als die Freie Universität ins Grün gesetzt wurde, ein schwergewichtiger Museumstanker – die völkerkundlichen Sammlungen – mitten im Villenviertel ankerte, als in Dahlem nicht nur Rosen und Jasmin blühten. Aber die Gartenkultur hat eben auch hier ein Zuhause und allein schon mit dem Botanischen Garten eine Insel botanischer Weltkultur. 2008 eröffnete mit der Königlichen Gartenakademie auf his-

torischem Gelände eine Oase für Pflanzenliebhaber, die den Staudengarten von Karl Foerster in Potsdam ebenso als Inspirationsquelle schätzen wie die blumige englische Gartenkultur.

Wer seinem privatem Grün achselzuckend begegnet und nicht weiß, wie aus einem struppigen Rasenstück nebst ausgewachsenen Koniferen und virenkranken Beetrosen ein Refugium wird, mag sich in den Händen von Gartendesigner René Werner gut beraten fühlen, der speziell für kleinere Gärten ab 500 Quadratmeter ein Planungskonzept anbietet.

Das Ungeformte, Vernachlässigte, Überfüllte ist offenbar so weit verbreitet, dass es nicht falsch sein kann, wenn man seinen Blick schult und einen Sinn etwa für die Harmonie entwickelt von blauer Katzenminze Nepeta faassenii „Walkers Low“, Salbei „Salvia nemerosa Caradonna“ und dem grüngelblich blühenden Frauenmantel Alchemilla mollis xanthochlora. Für Buchs und Birnen am Spalier. Dazu Rosen, Akelei, Iris. Und keine Angst vor schlechten Böden! Es ließe sich ja die charismatische Liste fortsetzen und mit klangvollen Namen Lust machen! Geranium pratense „Rozanne“, ein flächendecken-der Storchschnabel, könnte da noch ins Spiel kommen.

„Wir entwickeln Räume, weil die für sinnliche Überraschungen im Garten sorgen“, sagt René Werner, der aus dem Erzgebirge kommt und nach der Gärtnerlehre ein Studium in Landespflege mit begleitendem Praktikum beim Gartendenkmalschutz in Pillnitz absolviert hat. Für die Gestaltung eines Generationsgartens erhielt er einen Preis. In Anzug und weißem Hemd sitzt René Werner und lässt seine Ideen im „Gewächshaus“, einem für Designbüros umgenutzten Pflanzenvermehrungsglashaus, gedeihen. Dies sowohl am Bildschirm – die hohe Schule, und darauf legt er Wert, ist freilich die Handzeichnung – und mit analytischem Blick über bunte Storyboards, die seine Kunden mitbringen müssen. Denn, so sagt er: „Man kann niemandem seinen Stil aufzwingen. Die Leute wollen gerade mit ihren Gärten eigene Fantasien umsetzen.“ Oftmals lautet der Wunsch: Wir wollen einen pflegeleichten Garten. Auf großen, selbst beklebten Pappen finden sich dazu dann Dinge, die auf den ersten Blick schier unvereinbar sind. Auf den Collagen blühen die Träume: ein Birkenhain, die lauschige Sitzecke, eine Wand mit herabregnenden Glyzinienblüten, das opulente Staudenbeet, Kletterrose und Kinderspielecke samt unvermeidlichem Trampolin oder Teich. Mit jedem Jahr, so scheint es, müssen Gärten mehr leisten. René Werner sortiert die Vorstellungen, entwickelt Blickachsen und architektonische Bezugspunkte. Das kann auch die Kellertreppe sein. Er sagt: „Man kann auch mal den Rasen zu einem Stück Wiese auswachsen lassen.“ Er kämpft gegen die Vorstellung, dass es unbedingt der Schlängelweg im Kleingarten sein muss – „Ich sage dann den Kunden, sie sollen doch einfach mal mit dem Gartenschlauch experimentieren!“ René Werner argumentiert für Geraden, entwickelt Blickschutz, reduziert, ergänzt und schickt seinen Masterplan nach London. Von dort kommen die Gartenvisionen als kleine Kunstwerke zurück, denn die Bühnenbildnerin Polly Wickham verwandelt Rechtecke und Kreise, Pfeile und
Abstandsanmerkungen in Aquarelle und Pastelle mit perspektivischem Blick.

Anita Wünschmann

 

59 - Sommer 2014