Newton schon wieder

Will heute noch jemand die Fotos von Helmut Newton sehen? „Es ist erstaunlich, wie viele Fotografen aller Generationen sich bis heute auf Helmut Newton beziehen. Das zeigt die Aktualität seines so zeitlosen wie einflussreichen Werkes“, ist sich Matthias Harder, Kurator der aktuellen Ausstellungen sicher. Das belege auch die jährliche Besucherzahl. Und dass die Stiftungspräsidentin June Newton nun zehn Jahre nach der Eröffnung des Museums für Fotografie die gleiche Austellungskombination gewählt hat, ist sicher auch als eine Art Hommage an ihren Mann Helmut Newton zu verstehen, der sich in seiner Heimatstadt Berlin 2004 sein eigenes Museum schuf und als Eröffnungs-Doppelausstellung „Us and Them“ und „Sex and Landscapes“ bestimmte. 

„Us and Them“ zeigt zunächst den Porträtfotografen Helmut Newton. Diese Gemeinschaftsausstellung mit seiner Frau June, die als Alice Springs seit 1970 vorwiegend für „Elle“ arbeitete, gleicht einem fotografischen Tagebuch ihres künstlerischen wie privaten Zusammenlebens seit 1947 in Selbstporträts, gegenseitigen Porträts und Fotografien von Freunden. „Der interessante Aspekt dieser Ausstellung ist für mich, dass keiner von beiden den jeweils anderen bei seiner Annäherung an das Bildmotiv beeinflusst hat“, so Helmut Newton. Tatsächlich sprechen Junes Porträts von Catherine Deneuve, Dennis Hopper oder Karl Lagerfeld eine ganz andere Bildsprache. Helmut Newton war allerdings ihr bevorzugtes Motiv, ob als Großporträt mit Rose oder auf dem Totenbett. Insofern wirkt „Us and Them“ wie ein Gegenentwurf zu „Sex and Landscapes“, der zweiten Ausstellung, und macht einmal mehr die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit des Fotografen Helmut Newton deutlich. Er begann seine Karriere als Mode- und Lifestylefotograf vor allem für die französische „Vogue“, wo er seine wichtigsten Arbeiten veröffentlichte. Seine zum Teil spektakulären Akte spalteten von jeher die Geister. Während ihn die einen als Sexist abtun, der mit den Frauen spiele, feiern ihn die anderen als Bildkünstler, der die Frauen mit neuem Selbstverständnis darstelle. In „Sex and Landscapes“ wird vor allem auch das Inszenierungsgenie dieses Ausnahmefotografen deutlich. Akt, Mode, Stillleben und Landschaften verschmelzen miteinander, um letztlich eine bestimmte Erotik zu sublimieren.

„Ich bin der Meinung, dass ein perfektes Modefoto nicht wie ein Modefoto aussieht, sondern eher wie ein Foto aus einem Film, ein Portrait oder ein Erinnerungsfoto ...“ So sind bei Helmut Newton auch die Auftragsarbeiten mit teilweise erheblichem Aufwand inszeniert und genau komponiert, um jene Wirkung zu erreichen, die so schwer zu beschreiben ist. Man weiß als Betrachter nie genau, woraus sich die Magie der Fotos erklärt: aus der Komposition des Bildes, der Körpersprache des Models oder der mentalen Übereinstimmung zwischen Model und Fotograf. 

So liegt es wohl eher an der Fantasie des Betrachters, beim Blick in die inszenierte Scheinwelt der Fotos den eigenen Wunschvorstellungen ziemlich nahe zu sein. Dieses Bedürfnis kannte Helmut Newton offenbar sehr genau und ebenso seine Auftraggeber, wie die Modehäuser Chanel, Yves Saint Laurent und Versace oder Magazine wie Vogue. „Alle Aspekte seines Werkes sind von der gleichen kreativen Energie erfüllt“, so June Newton alias Alice Springs. Mit ihr lebte der Fotograf seit 1981 in Monte Carlo, wo viele der Bilder entstanden sind. 

Reinhard Wahren

 

Information

Ausstellung
Helmut Newton/Alice Springs: Us and Them
Helmut Newton: Sex and Landscapes
Bis 16. November 2014
Museum für Fotografie,
Jebensstraße 2, 10623 Berlin

 

59 - Sommer 2014
Kultur