Steigende Mieten und geringes Einkommen machen das Wohnen in der Innenstadt bald unbezahlbar. In Statistiken zu den lebenswerten Städten Deutschlands ist Berlin seit vielen Jahren ganz weit vorn. Hier lebt man gern, doch lebt man hier auch gut? Bezahlbares Wohnen ist in der Stadt durch hohe Mietpreise gefährdet.
Berlin liegt auf Wachstumskurs, sowohl in wirtschaftlicher wie auch in demografischer Hinsicht. Das ist eigentlich eine gute Nachricht, doch für die Bewohner der Hauptstadt bedeutet das offenbar unausweichlich, dass die Mieten steigen. Während die Innenstadt prosperiert und dort teure Edelimmobilien – meist zum Kauf – entstehen, weichen die Berliner mit normalen oder schwächeren Einkünften immer öfter in noch bezahlbare Unterkünfte am Stadtrand aus. Stichworte wie „Soziale Verdrängung“ und „Hauptstadt der Gentrifizierung“ sind immer häufiger zu hören. Eine eklatante Spaltung zwischen Arm und Reich droht.
Mieterstadt Berlin
Immobilien sind gute Wertanlagen, wer kann, kauft eine Wohnung. Doch bis jetzt ist Berlin nach wie vor Europas größte Mieterstadt. Nur knapp 16 Prozent der insgesamt 1,89 Millionen Wohnungen werden von Eigentümern bewohnt, während 84 Prozent der Einheiten gemietet sind. Im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten ist das die höchste Quote an Mietwohnungen. Zwar weist Berlin im Bundesdurchschnitt mit 7,50 Euro pro Quadratmeter noch ein relativ niedrigeres Mietniveau auf. Doch freie Mietwohnungen sind Mangelware – und das hat eine Verteuerung der Mieten in den letzten sechs Jahren um bis zu 40 Prozent mit sich gebracht. In Bezirken wie Mitte, Spandau oder Steglitz-Zehlendorf liegen die Durchschnittsmieten heute, je nach Ausstattung der Wohnung, nicht selten über 12 Euro pro Quadratmeter. Dabei liegt die Kaufkraft der Bewohner rund neun Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Das bedeutet, dass viele Haushalte mit niedrigerem Einkommen die Verlierer bei der Mietpreisexplosion sind. Wer weniger als 1500 Euro Haushaltseinkommen hat, zahlt laut dem Marktforschungsunternehmen TNS Infratest bereits etwa 46 Prozent davon für Wohnen. Bezahlbarer Wohnraum ist dringend vonnöten. Neue Lebensmodelle haben zudem die Gesellschaft verändert, so dass diese neuen Unterkünfte nicht nur bezahlbar sein, sondern auch den offeneren Wohnformen des modernen Lebens entsprechen sollten. Generationen- und altengerecht sowie Home Office- und wohngemeinschaftstauglich sind hier Stichworte.
Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten
Welche planerischen Überlegungen sind den vielen neuen Anforderungen gewachsen? Wie kann man der Verengung des Mietwohnungsmarktes entgegenwirken? Private Bauinvestoren gehen rein profitorientiert vor, von ihnen ist eine Lösung kaum zu erwarten. Regierung und städtische Wohnungswirtschaft sind gefragt. Im Herbst 2012 schlossen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und die Senatsverwaltung für Finanzen ein „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“ mit sechs städtischen Woh-
nungsbaugesellschaften Berlins. Die Realisierung von bezahlbarem Wohnraum und sozialer Quartiersentwicklung wird als Teil eines sozialen Auftrags gesehen, den städtische Wohnungsbaugesellschaften erfüllen. Das Bündnis zielt darauf ab, die weltbekannte „Berliner Mischung“ nicht zu zerstören, also Menschen mit unterschiedlichem Einkommen, sozialer und kultureller Herkunft auch weiter ihren Platz in der Stadt zu bewahren. Die Vielfalt und Eigenart der Kieze soll erhalten bleiben, laut Mietenbündnis soll kein Quartier zurückgelassen werden. Die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften verpflichten sich, ihren Wohnungsbestand mittelfristig um mindestens 30 000 Wohnungen durch Neubau beziehungsweise Kauf aufzustocken. Der Wohnungsbestand der städtischen Gesellschaften soll sich damit auf 300 000 Wohnungen im Jahr 2016 erhöhen, der Stadtentwicklungsplan Wohnen sieht rund 10 000 neue Wohneinheiten pro Jahr vor. Die Bemühungen der Wohnungsunternehmen sind groß, auf ihnen ruht die Hoffnung, sie sind die Hauptakteure des Stadtumbaus und Garanten für soziales und zukunftsfähiges Wohnen.
Herausforderung Stadtentwicklung
Der Stadtentwicklungsplan Wohnen, der in diesem Frühjahr vom Senat beschlossen wurde, ist die Planungsgrundlage für die Neubau- und Bestandsentwicklungen von Wohnungen in Berlin bis zum Jahr 2025. In dem Papier finden sich ca. 25 geplante Neubaugebiete. Davon ist ein Teil bereits kurzfristig bebaubar, ein weiterer Teil soll in den kommenden vier bis acht Jahren erschlossen und weitere Flächen langfristig bebaut werden. Zu den kurzfristig bebaubaren Gebieten gehören das Brunnenviertel in Mitte, die Spreestadt Charlottenburg, zentrale Regionen in Friedrichshain/Kreuzberg, Randlagen von Wilmersdorf, Johannisthal/Adlershof und die Revaler/Boxhagener Straße. Insgesamt geht der Stadtentwicklungsplan, genannt „StEP Wohnen 2025“, von einem langfristigen Flächenpotenzial in Berlin für rund 220 000 neue Wohnungen aus. Zu den größten potenziellen Entwicklungsgebieten zählen neben dem ehemaligen Flughafen Tempelhof, der nach dem Volksentscheid allerdings erstmal im Vakuum verharrt, Oberspree (4 400 Wohnungen), Europacity/Lehrter Straße (3 000 Wohnungen) und Köpenick Zentrum (2 700 Wohnungen).
Edith Döhring