Die Gasbeleuchtung auf den Straßen ist ein bedrohtes Kulturgut
Berlin – die Welthauptstadt der Gaslaternen. An keinem anderen Ort weltweit sind so viele der historischen Lampen erhalten. Über 30 000 Exemplare leuchten noch auf unseren Straßen, die meisten im Westteil der Stadt. Doch nach und nach sollen sie durch elektrische Beleuchtung ersetzt werden, wenn es nach dem Senat geht. Energieeinsparung und CO2-Vermeidung sind die Argumente, die ins Feld geführt werden. Bürgerinitiativen und Denkmalschutzvereine wollen das nicht gelten lassen. Für sie sind die alten Laternen mit dem warmen flackernden Licht auch ein Berliner Kulturgut. Immerhin gibt es seit 1826 Gaslaternen in Berlin.
Während speziell entwickelte LEDs durchaus eine akzeptable Alternative bilden würden, werden aus Kostengründen immer noch hauptsächlich Leuchtstofflampen verbaut, beklagen Anwohner in den bereits umgerüsteten Stadtvierteln. Lediglich fünf Prozent Gasbeleuchtung sollen in denkmalgeschützten Gebieten wie etwa am Rüdesheimer Platz, in Alt-Charlottenburg, der Gartenstadt Frohnau oder im Lietzenseepark erhalten bleiben. Zu den aktivsten Unterstützern der Initiative Pro Gaslicht gehört der Schauspieler Ilja Richter. Von ihm, der auch eine erfolgreiche Benefizveranstaltung organisierte, stammt der schöne Satz: „Gaslicht ist teuer. Aber die neue Lichtpolitik des Berliner Senats ist billig.“ Von den Befürwortern der Gasbeleuchtung wird dagegen immer wieder auch deren Langlebigkeit ins Feld geführt. Das senke die Kosten, überhaupt gebe es ja auch die Umrüstung nicht zum Nulltarif. Vom Naturschutz ganz abgesehen, denn Gaslaternen gelten als insektenfreundlicher. Die Initiativen erhielten in den letzten Jahren mehrfach Zuspruch aus prominenter überregionaler Richtung. So war die Berliner Gasstraßenbeleuchtung 2013 nominiert als eines der „sieben gefährdetsten europäischen Denkmale“. Die Auszeichnung wird vergeben von der europaweiten Denkmalschutzorganisation Europa Nostra. Aus Sicht der Denkmalschützer ist Gefahr im Verzug. In einem Grußwort zum Tag des offenen Denkmals, der letztens die Farbe zum Thema machte, hat es sich auch Bundespräsident Gauck nicht nehmen lassen, eine Lanze für das Gaslicht zu brechen: „Zur farblichen Prägung unserer Welt gehören auch die Farben der Nacht und ihre Beleuchtung. Dabei denke ich zum Beispiel an die Bemühungen um den Erhalt der historischen Gaslaternen.“
4 000 verschiedene Laternen-Typen gab es einmal in Berlin. Bevor im Jahre 1912 der Zweckverband Groß-Berlin gegründet wurde, ist jeder Ortsteil selbst für die Beleuchtung zuständig gewesen, so erklärt sich die Vielfalt. Sogar die Gasglühstrümpfe aus Spezialgewebe waren ein echtes Berliner Traditionsprodukt. Hergestellt wurden sie im Industriepalast Warschauer Straße, heute S-Bahnhof, dann eine Ecke weiter in Berlins erstem Hochhaus, heute Teil der „Oberbaum City“. Heute kommen sie aus Indien.
Am häufigsten im aktuellen Stadtbild sind die sogenannten Gasaufsatzleuchten aus den 1950er-Jahren. Gefolgt von den Gashängeleuchten und den älteren, besonders nostalgisch anmutenden, Gasmodellleuchten, auch als Schinkelleuchten bekannt. In Alt-Spandau beispielsweise gibt es die Schinkelleuchten auch als Variante mit Wandarm, direkt an der Hauswand befestigt. Sie tauchen die Altstadt in das typisch warme fußgängerfreundliche Licht. Gasmodellleuchten sind es auch, die man traditionell am ehesten mit den Gaslaternen in Verbindung bringt. Sie kennt man aus alten Filmen, zusammen mit dem Gaslaternenanzünder, der ehedem durch die Straßen streifte. Seine Zeit ist längst vorbei. Gaslaternen funktionieren heute auf Knopfdruck.Der Star der Berliner Gaslaternen ist aber zweifellos der fünfarmige Kandelaber, unter anderem zu bewundern vor dem Schloss Charlottenburg. Es ist ein Originalstück aus dem Jahr 1903. In der seinerzeit unabhängigen Stadt Charlottenburg hatte es einen Wettbewerb gegeben, welche Laterne diesen Platz schmücken soll. Der im wilhelminischen Prunkstil entstandene Kandelaber mit den Schinkelleuchtköpfen gewann den Wettbewerb. Als wäre das Flächendenkmal Berliner Gaslaternen nicht schon genug, wartet die Stadt auch noch mit einem einzigartigen Gaslaternenmuseum auf. Im Tiergarten sind etwa 90 Gaslaternen zu bestaunen, aus Berlin, ganz Deutschland und dem europäischen Ausland. 1978 mithilfe der Gasag gegründet, ist dieses besondere Freilichtmuseum 2006 frisch restauriert wieder eröffnet worden. Der Arbeitskreis Licht des Technikmuseums kümmert sich um das Ensemble und bietet regelmäßig Führungen an. Weil das Gelände frei zugänglich ist, kommt es leider immer wieder zu Vandalismus. Dabei sind hier echte Raritäten zu bestaunen. Zum Beispiel die erste Berliner Gaslaterne, die sogenannte Camberwell-Laterne. In ihrem Innern sieht man noch die Flämmchen flackern. Manche Laternen tragen eigentümliche Namen wie „Der große Galgen“, „Bullerbein“, „Wilmersdorfer Witwe“ oder „Bischofsstab“. Zu vielen von ihnen gehört eine besondere Geschichte.
Karen Schröder