Oder wie viel Bett braucht der Mensch?
Ein emporenhohes Bett, ein schickes flaches Teil, asiatische Anmutung, ein Bett mit romantischem Baldachin oder ein französisches Vintageschlafmöbel – egal, möchte man in der kalten Jahreszeit sagen: Bett ist Bett! Man sinnt über diverse Liegestätten nach und lässt die Vorstellung Raum greifen, sich samt Buch (einverstanden, auch Laptop), Tee und Keks sofort zurückzuziehen. Schreibtisch ade! Am besten ein Alkovenbett mit Vorhängen!
Das eigene Bett ist in der Regel so heilig wie die eigenen vier Wände. Bettcharing aber durchaus im Trend und längst nicht nur, weil die Tante anreist. Manche bevorzugen generell Raum- und Bettveränderung und sind vom Wechsel verzückt, von sorgfältig präparierten Hotelbetten und den damit verbundenen Stilreisen quer durch die Welt. Wieder andere haben keine Wahl, als ihre Wirbelsäule diversen Herausforderungen auszusetzen und wissen von Nächten auf dem Fußboden. Es ist eben nicht immer nur ein Spaß, in der Tiefe fremder Matratzen zu versinken. „Hast du gut geschlafen?“, ist die übliche Morgenfrage, deren Antwort aus der Körpersprache abgelesen mehr Gültigkeit beansprucht denn durch die höfliche Replik.
Betten müssen funktionieren und zwar für jeden etwas anders. Matratzen-hersteller sind diesbezüglich besonders gefragt. Es sind scheinbar einfache Parameter wie Gewicht, Temperatur und Feuchtigkeit, die das Glücksgefühl beeinflussen. Schlafen wie auf der „Wolke Sieben“, das wollen wir und dafür allein gibt es eine Vielzahl von Füllungen wie feine Gänsefedern, Daunen, Rosshaar, das noch edlere Schweißhaar. Der Coco-Mat-Hersteller aus Griechenland erweiterte unter ökologischen Aspekten seine Füllmittel um Baumwolle, Seegras und Kokosfasern. Seit einem guten Jahr ist die aus den USA kommende Boxspringmatratze ein Favorit der gehobenen europäischen Schlafkultur. Ein Dreigespann aus Unterfederung, Obermatratze und Auflage (Topper) dient dem nächtlichen Wohlgefühl. Die berühmte Erbse ist nun wirklich nicht mehr fühlbar.
Es ist vielleicht noch kein halbes Jahrhundert her, dass schlichte Schaumstoff-aufleger in selbst gewählter Dicke die quietschenden Federkernmatratzen von einst ablösten und als Inbegriff des Unkomplizierten galten, ehe Wasserbetten, Latexkonstruktionen und Taschenfederkernmatratzen die Wahl gelegentlich zur Qual werden lassen. Denn wie viel Zeit hat man denn fürs Probeliegen?
Die Frage nach dem Stil bleibt ja auch noch. Denn schön muss es sein, das Bett! Mal schlicht wie das schraubenlose Steckbett „Siebenschläfer“ aus Birkensperrholz vom Bremer Designer Christoffer Martens, mal praktisch, mal opulent wie Patricia Urquiolas „Tufty Bed“. Bauer, Bürger, König, Kaiser – wie ein Kinderspiel wird es durchdekliniert. Das urbane Bett ist eben auch ein Statement. Esche oder Buche? Klassischer Kasten, Kufenfüße, schwungvolle Kurven? Filigrane Anmutung (etwa das Himmelbett „Asseman“ von de Padova), schweben oder sicherer Auftritt? Darüber hinaus gelten Fragen: Zieht man häufig um? Ist man eher sesshaft? Wieviel Platz steht zur Verfügung? Soll das Bett allein dem Schlaf oder muss es auch als Stauraum dienen? Will man es wegklappen oder auch als Tagesinsel bespielen? Der einstige Bauhausdirektor Hannes Mayer hat in den Zwanzigern für Co-op in der Schweiz ein Zimmer mit Bett kreiert, das vom Wenigen, was der Mensch braucht, erzählt: Ein Metallfederngestell wird auf Kegelfüße gesteckt und lässt sich ganz umzugspraktisch einfach abnehmen. Peter Maly verdanken wir das quadratische Bett mit multiplen einsteckbaren Kissen und Ablagen für Sekt und Buch. Es knüpfte an ein funktionalistisches Design an und gilt allen Puristen als ein Klassiker. Es reagierte auch auf eine Zeit, als man hohe Rückenlehnen (und oft auch noch Fußbegrenzungen) als enorm spießig wahrnahm. Von der Besucherritze ganz zu schweigen. Die zu allen Seiten offene, ganzheitliche Liegefläche avancierte zum Ideal und war ein Ausdruck der Freiheit und des lässigen Tag- und Nachtlebens. Puristen gibt es immer noch, minimalistisch verfeinert, auf dünnen Metall- oder kantigen Holzfüßen. Die Bettwangen zeigen sich schmal mit Stoff oder Leder bespannt, frei darauf werden die Matratzen drapiert. Aber das großräumige, „hochgetunte“ Schlafareal mit imposantem Betthaupt hat sich mit der ihm eigenen Bequemlichkeit und luxuriösen Attitüde quasi fast unbemerkt ins Wohngefühl eingeschlichen. Es wird ebenso im Salon- wie im Landhausstil zelebriert und gibt Designern Raum für Fantasie.
Anita Wünschmann