Schon immer steht der Neue Garten im Norden Potsdams etwas im Schatten von Park Sanssouci mit seinen Skulpturen, Springbrunnen und Blumenrabatten. Touristen finden seltener in die etwas abseits gelegene Gegend. Als reiner Landschaftspark gilt der Neue Garten jedoch als romantischer und ist nicht zuletzt gerade deshalb etwas für die kältere Jahreszeit. Manch architektonisches Kleinod ist hier zu bestaunen. Die alten Bäume zeigen sich im Winter in ihrer knochigen Würde. Raureif liegt auf den Sträuchern, und die Nähe zum Wasser entwickelt jetzt einen ganz eigenen mystischen Charme. Der Heilige See und der Jungfernsee bieten die natürliche Begrenzung des Neuen Gartens. Gestalterisch betonte man denn auch von Anfang an den natürlichen Charakter. Auf über 100 Hektar ließ Friedrich Wilhelm II. ab 1787 diesen Garten anlegen, den im Vergleich zu Sanssouci Neuen Garten. So kam der Name. Neu war der Garten auch stilistisch. Der Wörlitzer Park bei Dessau galt dabei als Vorbild. So war es auch nur folgerichtig, dass man für die Umsetzung der neuen Garten-philosophie den Wörlitzer Gärtner Johann August Eyserbeck verpflichtete. Er wurde zum preußischen Hofgärtner gemacht. Neben dem Neuen Garten trägt unter anderem auch die Pfaueninsel seine Handschrift. Nach englischem Vorbild sollten die Pflanzen und Bäume so natürlich wie möglich wachsen. Die Wege verschlungen, öffnen sich immer wieder Sichtachsen hinein in die Landschaft. Anfangs grasten hier noch Kühe. Die Milch wurde in der nahe gelegenen Molkerei für die Hofgesellschaft weiter verarbeitet. Heute befindet sich in der alten Meierei ein beliebtes Ausflugsrestaurant.
Das architektonische Zentrum des Neuen Gartens bildet das Marmorpalais, im Stil des Frühklassizismus. Direkt am Ufer des Heiligen Sees ließ Friedrich Wilhelm II. in den Jahren 1787 bis 1792 das Palais errichten. Die Architekten waren Carl von Gontard und von 1789 an der Erbauer des Brandenburger Tors in Berlin, Carl Gotthard Langhans. Der Grottensaal, der Konzertsaal und die königlichen Wohnräume sind mit Intarsien, Seidenbespannung und Stuckaturen ausgestattet und brauchen den Vergleich mit den Schlössern im Park Sanssouci nicht zu scheuen. Bemerkenswert auch die Schlossküche in Form einer halb versunkenen römischen Tempelruine. Durch einen unterirdischen Gang war die Küche mit dem Grottensaal verbunden, in dem gespeist wurde. Von der Terrasse des Marmorpalais hat man einen Blick auf die herrschaftlichen Villen der Joops und Jauchs auf der anderen Seite des Sees, in der Berliner Vorstadt.
Wenige Schritte vom Marmorpalais entfernt, stößt der Besucher auf ein merkwürdig ägyptisch anmutendes Bauwerk, das als Orangerie errichtet wurde. Im Eingangsbereich überraschen eine Sphinx und zwei Statuen ägyptischer Götter aus der Werkstatt des Bildhauers Johann Gottfried Schadow. Schon zu Zeiten Friedrich Wilhelm II. fanden hier Konzerte statt, bei denen der musische König selbst am Cello zu erleben war. Altägyptisch geht es im Park weiter, Richtung Eiskeller, der in Form einer Pyramide errichtet wurde. Hier wurde im Winter Eis vom Heiligen See eingelagert, das dann in der warmen Jahreszeit in der Küche gebraucht wurde.
Der Weg führt nun in Richtung Schloss Cecilienhof, wo die Siegermächte einst das Potsdamer Abkommen unterzeichneten und weiter zum Jungfernsee. Hier, wo einst die Berliner Mauer stand, ist wieder ein zusammenhängendes Garten-reich entstanden. Warum die UNESCO die Potsdamer Gartenlandschaft auf die Denkmalliste setzte, wird an diesem Ort eindrücklich vor Augen geführt. „Diese Welt zwischen dem Heiligen See und dem Jungfernsee und den milde sich weitenden Buchten der Havel ist ein Ensemble voller Poesie“, so urteilte einmal der Publizist Wolf Jobst Siedler. Direkt am See ist mit der Muschelgrotte in den letzten Jahren ein Kleinod des Neuen Gartens wiedererstanden. Im Grenzgebiet gelegen, war sie zu DDR-Zeiten weitgehend verfallen. Tausende von Natur-steinen in den verschiedensten Farben sind nun wieder aufgemauert worden. Heller Gipsstein im Wechsel mit rotem Tuffstein und dunklem Raseneisenstein. Hierhin hatte sich einst König Friedrich Wilhelm II. mit seiner Geliebten, der Gräfin Lichtenau, zurückgezogen. Damit auch für das leibliche Wohl gesorgt war, wurde ganz in der Nähe ein rundes Borkenhäuschen als Küche errichtet. Wie die Grotte ist auch die Borkenküche wieder Teil der Gartenarchitektur. Dass die naturnahen ländlichen Borkenhäuschen Ende des 18. Jahrhunderts schwer in Mode waren, zeigt sich auch an der nahe gelegenen Eremitage, die dank großzügiger Spenden ebenfalls wieder errichtet werden konnte. Der aufwendigere Innenausbau lässt allerdings noch auf sich warten. Kurz vor dem Abriss durch DDR-Grenztruppen im Jahre 1964 war es Mitarbeitern der Schlösserverwaltung noch gelungen, Teile der Innenausstattung zu retten.
Es sind also nicht immer nur die großen Schlösser, die einen Potsdam-Besuch lohnenswert machen. Abseits von ihnen gibt es gerade im Winter viel zu entdecken. Im Neuen Garten sind für Naturfreunde mit etwas Glück sogar seltene Wasservögel inklusive, auch sie sind Wintergäste in der Gegend.
Karen Schröder
Information
Bis Ende März ist das Marmorpalais nur am Wochenende geöffnet Samstag/ Sonntag: 10 Uhr bis 16 Uhr