Es geht ums Hundertstel und Tausendstel – Sportgeräte aus der Forschungsstätte
Drei Komponenten sind es, aus denen sich der Erfolg zusammensetzt, das Anschieben, die Fahrleistung des Piloten und das Material
In der Formel 1 ist es unbestritten. Gewinnen kann nur, wer ein gutes Auto hat, heißt er auch Sebastian Vettel. Längst sind aber auch andere Sportarten zur Materialschlacht geworden. Im Bobsport, beim Rodeln, Bahnradfahren oder Wassersport geht es um Hundertstel und Tausendstel. Im Bobsport kennt sich Michael Nitsch besonders gut aus. Er ist Projektleiter des entsprechenden Bereichs im Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). „Drei Komponenten sind es, aus denen sich der Erfolg zusammensetzt, das Anschieben, die Fahrleistung des Piloten und das Material.“ Letzteres wurde von einigen Bob-Sportlern bei Olympia in Sotschi beanstandet. Mit dem seinerzeit aktuellen FES-Bob habe man nicht gewinnen können. Michael Nitsch bleibt angesichts dieser oft kurz nach dem Rennen vorgetragenen Anwürfe ruhig. Dafür ist er Techniker genug. „Emotionen kann ich gut verstehen, aber so einfach ist das nicht.“ Am Anfang jeder technischen Veränderung stehe die Analyse, sagt der leitende Ingenieur. Manchmal steckten auch ganz andere Faktoren dahinter. Persönlich verletzt scheint sich hier durch Kritik niemand zu fühlen. Niederlagen werden immer als Herausforderungen begriffen. Dafür sind die Techniker Sportler genug. Fehlerkultur gehört zu den Kernkompetenzen. Was sie aus den Niederlagen von Sotschi gelernt haben, will Michael Nitsch verständlicherweise in der Öffentlichkeit nicht sagen. Mitbewerber könnten hellhörig werden. „Gerade beim Fahrwerk oder auch den Kufen liegt die Tücke meist im Detail.“ Das brauche seine Zeit, bis sich Veränderungen begründen lassen. Oft ist auch eine enge Zusammenarbeit mit den Sportlern angesagt. Der erfolgreiche Bobpilot Francesco Friedrich beispielsweise sei oft Gast in Schöneweide. Er will dabei sein, wenn technische Entscheidungen getroffen werden. Andere wiederum seien da eher Konsumenten, fügt Nitsch an. Von Ende Februar bis Anfang März findet in Winterberg die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft statt. Spätestens dann kommt auch für die FES-Schlitten die Stunde der Wahrheit. Eine neue Bewährungsprobe auch für den verbesserten Bob. Sport, das sei halt immer ein Auf und Ab, so Michael Nitsch.
Jetzt in der Wintersportsaison haben im FES sowieso andere Hochsaison. Derzeit liegen die Sommersportarten auf der Werkbank: Kanus und Ruderboote. In der Kunststoff-Werkstatt, wo gerade die Bootskörper gebaut werden, riecht es nach Lösemitteln. Erste Modelle glänzen frisch lackiert. Bootsbau im Bereich Spitzensport gehörte von Anfang an zu den Aufgaben des FES. Nicht umsonst hielt Deutschlands Rekord-Olympionikin, die Kanutin Birgit Fischer, die Festrede, als das Institut 2013 sein 50-jähriges Bestehen feierte. Stellvertretend für alle Sportlerinnen und Sportler sagte sie: „Herzlichen Glückwunsch an alle Mitarbeiter. Herzlichen Glückwunsch zu 50 Jahren erfolgreicher Arbeit. Euch gebührt an jeder Medaille, die ich gewonnen habe, ein Anteil“, und ergänzte: „Athletinnen und Athleten werden von den FES-Kolleginnen und -Kollegen stets ernst genommen.“
1963 wurde das FES als Teil der Deutschen Hochschule für Körperkultur und Sport Leipzig gegründet. Die Erfolge des DDR-Sports sind eben auch den hier ansässigen Tüftlern zu verdanken. Auf die Dopingpraxis allein konnte und wollte man sich nicht verlassen. Seit 1965 hat das Institut seinen Sitz in Berlin-Köpenick. Nach der innerdeutschen Wende war erst einmal unklar, wie es mit dem Institut weitergeht. Es heißt, die US-Amerikaner hätten Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt. So weit wollte es die wieder vereinigte Sportszene, allen voran das Nationale Olympische Komitee, dann doch nicht kommen lassen. Diese Einrichtung gehörte zum Tafelsilber der DDR. Es wurde ein Förderverein gegründet und das FES großenteils mit öffentlichen Fördermitteln ausgestattet. Etwa sechs Millionen Euro umfasst das jährliche Budget. Wenn man sich in Schöneweide etwas wünschen dürfte, wäre es mehr Platz, denn das FES platzt schon jetzt aus allen Nähten.
Karen Schröder