Wie kein anderer Fotograf hat Andreas Feininger unser Bild von der aufregendsten Stadt der Welt geprägt. Im Bauhaus-Archiv sind seine berühmten Bilder aus den 1940er Jahren zu sehen.
Er war kein investigativer Fotojournalist. Keiner, der mit seinen Bildern enthüllen, provozieren, anklagen oder gar missionieren wollte. „Ich fühle mich mehr der Anschauungsweise eines Wissenschaftlers als der des Künstlers verbunden.“ Wer das behauptet, hat ganz andere Ambitionen als jene Fotografen, die wie Man Ray ihre Bilder in metaphysisch-surrealistischem Kontext sahen. Andreas Feininger, der älteste Sohn des berühmten Malers Lyonel Feininger, analysierte, arrangierte, komponierte und plante seine Bilder wie ein Techniker der Fotografie. „Um so zu sehen, wie die Kamera sieht, muss ein Fotograf seine gesamten Sinne zum Schweigen bringen.“ So entstanden Architektur- und Landschaftsaufnahmen nicht nur in vollendeter Schwarz-Weiß-Technik, sondern geradezu motivbesessen entwickelte Feininger eine Formstrenge und Detailauflösung, die Kritiker mitunter dazu veranlassten, ihn „als gefühllosen, kalten Gehirnmenschen“ zu bezeichnen. Technische Brillanz, Klarheit, Genauigkeit und Schönheit seiner Fotos waren allerdings so überzeugend, dass das berühmte New Yorker Magazin „Life“ ihn fest anstellte und über zwanzig Jahre lang auf seine Fotoreportagen nicht verzichten wollte.
In New York, wohin er 1939 emigrierte, entstanden die berühmten Städtebilder: die Freiheitsstatue, die Brooklyn Bridge über den East River mit Lower Manhattan im Hintergrund, Midtown Manhattan von New Jersey aus, die Fifth Avenue im Verkehrschaos, Wolkenkratzer und Bauwerke wie das Rockefeller Center, Skylines, die Hochbahn, Geschäftsauslagen, Menschen im Central Park oder auf der Fähre von New Jersey nach New York – Aufnahmen aus den 1940er Jahren, die Architektur und urbanes Leben in dieser Weltstadt in einer bis dahin nicht gekannten Eindringlichkeit und Intensität zeigen und damit unser Bild von New York geprägt haben. Bis Mitte Mai sind die schönsten dieser Aufnahmen im Bauhaus-Archiv Berlin zu sehen.
Vom Bauhaus beeinflusst, wo er nach abgebrochenem Gymnasium eine Tischlerlehre macht, studiert der junge Feininger ab 1926 in Weimar und Zerbst Architektur und arbeitet nach dem Studium zunächst in Büros in Dessau und Hamburg. Bis er von der Fotografie infiziert wird. Mit Auto, seinem ersten Fotoapparat, einer 6,5 x 9 cm-Voigtländer-Kamera, und Skizzenblock reist er durch Europa und lichtet Häuser, Straßen, Landschaften, Industrieanlagen ab und interessiert sich für deren Wirkung, Struktur und Form. Es sind vor allem die architektonischen Motive, die ihn inspirieren. Er experimentiert mit der Kamera, baut Vergrößerungsapparate, Teleobjektive und Stative. Belegt einen Fotografiekurs am Bauhaus, und in Moholy-Nagy hat er einen anregenden und ebenso experimentierfreudigen Bauhausmeister.
1933 verlässt Andreas Feininger Deutschland, geht zunächst nach Paris, wo er bei Le Corbusier arbeitet, dann aber mangels Arbeitserlaubnis nach Stockholm. Dort wird er ein gefragter Architekturfotograf und schreibt für den „Foto-Beobachter“.
New York schließlich wird 1939 seine endgültige Heimat. Nach zwei Jahren findet Feininger schließlich beim Magazin „Life“ die Umgebung, die ihn anregt und seinen Ambitionen entgegenkommt. Wo er auf kreative Fotografen wie Robert Capa und Horst P. Horst trifft und wo seine atmosphärisch dichten Bilder seinen Ruhm als ein Wegbereiter des modernen Bildjournalismus begründen. 1955 sind seine Bilder im Museum of Modern Art zu sehen und finden weltweite Anerkennung. Später formuliert er seine Auffassungen von Motivwahl, Bildkomposition und Technik in Fotolehrbüchern. Sie werden Standardwerke, die noch heute ihre Gültigkeit haben. Bis zu seinem Tod 1999 publiziert er über fünfzig Bücher und Bildbände.
Andreas Feininger ist einer der wichtigsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. In der Bauhaustradition stehend, zählt er mit neuen Techniken und Sichtweisen zur Avantgarde der zwanziger Jahre. Die frühen New Yorker Bilder, die kurz nach seiner Ankunft in den 1940er Jahren entstanden sind, gehören heute zu den Klassikern der Fotogeschichte.
Reinhard Wahren
Ausstellung
Andreas Feininger – New York in the Forties
Bis 18. Mai 2009
Bauhaus-Archiv Berlin
Klingelhöfer Str. 14, 10785 Berlin