Erinnern sie sich an Rosetta? Die europäische Raumsonde war Ende letzten Jahres ein Medienstar. Dabei ging es nicht einmal zum Mond oder einem Planeten. Der Komet Tschurjumow-Gerasimenko soll erforscht werden. Mittlerweile liefert die Raumsonde immer neue Bilder von der Oberfläche des Kometen. In Adlershof haben sie auch gejubelt, als der Landeapparat Philae endlich aufsetzte. „Das war ja am Anfang gar nicht so sicher, es hat einige Zeit gedauert, bis er endlich auf dem Kometen zur Ruhe gekommen ist“, so Prof. Tilman Spohn, Direktor des zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehörenden Instituts für Planetenforschung. „Wir wussten ja gar nicht, wie die Oberfläche des Kometen beschaffen ist.“ Wesentliche Beiträge dafür, dass das jetzt anders geworden ist, wurden von Wissenschaftlern und Technikern in Berlin-Adlershof erbracht. Der RBB titelte: „Rosetta schaut mit Adlershofer Auge“. Dieses Auge ist eine Spezialkamera und heißt ROLIS. Das Besondere ist die außergewöhnlich zuverlässige Elektronik der Kamera. Sie macht Bilder mit einer Auflösung von 1024 x 1024 Pixel und in 16 000 Graustufen. Mit an Bord von Rosetta ist auch das optische Spektrometer VIRTIS, ebenfalls mitentwickelt in Adlershof. Dank VIRTIS konnte nachgewiesen werden, dass die Oberfläche vor allem von dunklem Staub bedeckt ist, weniger als erwartet von Eis.
„Dabei war die Zusammensetzung der Wasserstoffmoleküle interessant, wir haben untersucht, ob das Wasser auf der Erde von einem Kometen dieser Familie stammen könnte, das können wir jetzt wohl ausschließen“, so Tilman Spohn. Auch wenn der Landeapparat Philae wegen fehlender Sonneneinstrahlung im Moment „schläft“, Rosetta ist für die Berliner Planetenforscher zweifellos das Ereignis des Jahrzehnts. Dabei ist die Erforschung von „Tschuri“ nur eine von vielen groß angelegten internationalen Missionen, in die das Institut eingebunden ist.
Wenn man heute in neue ungeahnte Dimensionen der Raumfahrt vorstößt, die Luftfahrt hat Geschichte in Adlershof.
Nach Einweihung des zweiten europäischen Motorflugplatzes in Berlin-Johannisthal wurde hier bereits 1912 die „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“ begründet. In den 1930er-Jahren wurden hier für die Luftfahrt wegweisende Experimente durchgeführt. Der historische Windkanal und der Trudelturm sind heute Bestandteil des denkmalgeschützten Aerodynamischen Parks und können im Rahmen von Führungen besichtigt werden. Die Kontinuität der Luft- und Raumfahrtforschung wurde auch zu DDR-Zeiten in Adlershof nicht unterbrochen, sodass nach der Wende hier nahtlos angeknüpft werden konnte.
Seit 1992 haben DLR-Institute in Adlershof ihren Sitz. Den Anfang machte die Planetenforschung, einschließlich der in diesem Zusammenhang eingesetzten Mess- und Sensorsysteme. Später kam die Verkehrsforschung dazu.
Vor allem durch die Beteiligung an großen internationalen Missionen der Planetenforschung trat das Adlershofer Institut hervor, darunter die NASA- beziehungsweise ESA-Programme zur Erforschung von Venus, Saturn und Mars. Dabei geht es sowohl um die Vorbereitung der Missionen als auch im Anschluss um deren wissenschaftliche Auswertung. An der bis 2018 laufenden Mars-Mission Mars Express hat das DLR-Institut für Planetenforschung einen entscheidenden Anteil. Die in Adlershof entwickelte HRSC-Kamera konnte hoch auflösende 3-D-Bilder von der Oberfläche des Roten Planeten liefern. Federführend sind die Adlershofer Planetenforscher innerhalb der von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Allianz „Planetenentwicklung und Leben“.
Sie geht der Frage der Fragen nach: Ist Leben auf anderen Planeten möglich? Welche Bedingungen müssen hierfür gegeben sein und wie sind die Wechselbeziehungen zwischen geologischer Entwicklung und der möglichen Entstehung von Leben. Dabei geht der Blick auch über unser Sonnensystem hinaus.
Kleinere Himmelskörper wie etwa Asteroiden, auch Planetoiden genannt, sind in diesem Zusammenhang keinesfalls gering zu schätzen. „Sie gelten als Relikte aus der Frühzeit unseres Sonnensystems. Hier lassen sich Baumaterialien finden, aus denen auch unsere Planeten ursprünglich entstanden sind, darunter bestimmte Silikatverbindungen, Kohlenstoff und auch Metalle“, so Tilman Spohn. Eine Sternstunde für das Adlershofer Institut ereignete sich vor ziemlich genau fünf Jahren, als von einer japanischen Raumsonde erstmals Staub eines Asteroiden aufgenommen und auf die Erde gebracht werden konnte. Als eine von elf Institutionen weltweit konnten die Adlershofer Institute des DLR Material eines Asteroiden untersuchen. „Das sind die wirklichen Außerirdischen“, sagte damals die Physikerin Dr. Ute Böttger. Sie hatte die winzigen Teilchen, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind, untersucht. Die Analyse bestätigte die Vermutung. Asteroiden gestatten einen Blick in die Kinderstube unseres Sonnensystems.
Technische Innovationen der Adlershofer Planetenforscher haben zuweilen aber auch ganz irdischen Nutzen. Das in Adlershof entwickelte System FireWatch zur automatisierten Waldbrandfrüherkennung ist in Brandenburger Kiefernwäldern erprobt worden und mittlerweile weltweit im Einsatz.
Karen Schröder