Schloss-Rebellen

Die Zwillingsbrüder Harald und Rainer Opolka sind wache Geister. Die aktuelle Politik und das Weltgeschehen im Allgemeinen kommentieren sie gern, vorzugsweise mit Zitaten der Altvordern. Goethe, Heine, Voltaire –die ganz großen Namen. Jene werden auch als Gewährsleute aufgerufen für das, was die Brüder vorhaben. Einen großen Kunst- und Literaturpark, ein Künstlerdorf, einen Literaturpfad wollen sie um das denkmalgeschützte Schloss Hubertushöhe bei Storkow errichten. 20 Millionen Euro wollen sie investieren. Für das, was sie planen, nicht einmal viel, so scheint es.  „Nicht kleckern, sondern klotzen“, das ist ihre Devise. Das sagen sie auch so. Etwas Einzigartiges von nationaler Bedeutung soll hier entstehen. „Ansprechen wollen wir Einheimische wie Berliner und Touristen gleichermaßen“, so Harald Opolka. 2012 haben die Opolkas das Areal erworben, zweifellos eine der schönsten Immobilien Brandenburgs, mit Bootshaus direkt am Storkower See gelegen. Eine Hochzeitslocation vom Feinsten. Manch einer wird das Märchenschloss auch als Filmkulisse aus dem Fernsehen kennen. 

Erbaut wurde es um 1900 von Georg Büxenstein, einem Berliner Industriellen und Druckereibesitzer. Die frischen Geldscheine der Reichsbank kamen aus seiner Druckerei. Büxenstein war ein Mann der Berliner Gesellschaft. Sogar Kaiser Wilhelm II. war auf Hubertushöhe zur Jagd eingeladen. Ihm ist der Bahnhof in seiner jetzigen Form zu verdanken, der Monarch reiste gern mit dem Zug. Später gehörte das Schloss dann auch noch dem Zigarettenfabrikanten Reemtsma. In der DDR-Zeit war hier eine Fachschule für Binnenfischerei untergebracht. Nach der Wende erwarb Reemtsma die Immobilie erneut. Ein kleines, aber feines Luxushotel entstand. Kurt Jäger, einer der damals besten Köche Brandenburgs, erkochte sich hier einen Stern. Kulinarisch also eine Adresse. Bundeskanzler Schröder lud denn auch 2002 den französischen Präsidenten Chirac nach Hubertushöhe ein. 

Jetzt also die Opolkas, Söhne eines Bergmanns und einer Hausfrau aus dem Ruhrgebiet. Ihr Erfolg war ihnen nicht in die Wiege gelegt, umso mehr Stolz erfüllt sie heute. Die beiden Brüder haben ihr Geld mit LED-Taschenlampen verdient. Erfindungsreich und zupackend haben sie die LED-Technik revolutioniert und in anspruchsvolles Design gegossen. Ihre Firma Zweibrüder Optoelectronics GmbH & Co. KG hat heute in Deutschland 80 Mitarbeiter und in China, wo produziert wird, über 1 000. Zahlreiche Patente und Warenmuster sind auf den Namen Opolka angemeldet. Aus dem operativen Geschäft haben sie sich jedoch vor einiger Zeit zurückgezogen, um mehr Zeit und Muße für die Kunst zu haben. Die Opolka-Brüder inszenieren sich gern als Piraten. Die Totenkopffahne flattert schon am Eingang zum Schloss, und Rainer Opolka trägt auf dem kahlen Schädel das Piratentuch. Unkonventionell geht es zu im Hause Opolka.   

Bevor der Turn in Richtung Kunst beginnen kann, ist erst einmal Geduld gefragt, denn noch liegen die Träume der Brüder auf den Amtstischen diverser Behörden zur Genehmigung vor. Da sind die Umwelt- und Wasserbehörde, die Denkmalpflege, das Bauamt. „Insgesamt 27 Behörden sind mit der Sache beschäftigt“, so Rainer Opolka. Für ihre Pläne wollen die beiden kämpfen, mutig und widerständig. Voltaire liefert dann noch den passenden Spruch: „Wir haben nur zwei Minuten zu leben. Da ist es der Mühe nicht wert, vor erbärmlichen Schurken zu kriechen.“ Was einst entstehen soll, ist eine anregende kulturelle Welt zum Mitmachen für alle. „Kunst ist kein Privileg für einige wenige“, so die Überzeugung der Brüder. Workshops könne man sich vorstellen, auch Liedermacherfestivals, Kunstauktionen und vieles mehr. Naiv sind die beiden nicht. Sie wissen sehr wohl, dass Kunst noch nie die Welt verändert hat. „Doch in der Seele des Einzelnen, da kann sich etwas bewegen“, davon sind Harald und Rainer Opolka überzeugt. Kunst selber machen, damit könne man einfach anfangen. Seit einem dreiviertel Jahr beschäftigt er selbst sich mit Plastik, während sein Bruder seit Jahrzehnten dichtet und malt. Rainer Opolka modelliert mit Vorliebe Mensch-Tier-Wesen. Eine mythisch philosophische Kunst mit Anleihen bei den alten Ägyptern. Am liebsten würde er 58 Exemplare seiner Mensch-Wolf-Plastik direkt vor dem Bundestag platzieren. Unter dem Motto: „Die Wölfe sind zurück“. Kunst hat für die Opolkas immer auch eine Botschaft. Um seine Kunst den Menschen nahezubringen, geht Harald Opolka schon mal ungewöhnliche Wege. In Berlin-Kreuzberg hat er auf eine Riesenbauplane seine Bilder drucken lassen. Im Mittelpunkt „Frau Taubenblau und die Spione“, die aktuelle Diskussion um Wirtschaftsspionage aufgreifend. Der Elfenbeinturm ist ihre Sache nicht. Einmischen wollen sie sich. Wenngleich später der Kreis der Macher erweitert werden soll, die Fäden auf der Hubertushöhe werden zu jeder Zeit Rainer und Harald Opolka in der Hand halten, daran lassen sie keinen Zweifel. Sie sind Unternehmer geblieben, auch wenn sie das Spielfeld gewechselt haben.

Karen Schröder 

 

63 - Sommer 2015