Klaus-Jürgen Jahn ist ein tüchtiger Unternehmer vom alten Schlag. Jetzt, mit 80, will er endlich mal kürzertreten.
Am 9. November könnten die Handballerinnen des MTV Altlandsberg wie gewohnt in der heimischen Erlengrundhalle trainieren. Zu seinem 80. Geburtstag wird Klaus-Jürgen Jahn die Arena nicht wieder für eine zünftige Feier mieten wie fünf Jahre zuvor. „Nein, nein, ich will endlich etwas kürzertreten. Wir werden das diesmal im kleinen Rahmen machen“, winkt der Berliner ab.
Das mit dem Kürzertreten nimmt sich der Geschäftsmann seit Jahren vor, um mehr Zeit für Hobbys zu haben. „Sie sehen ja, wie mir das gelingt“, erklärt er lachend, und alle Mitarbeiter wissen, dass „der Chef“ nahezu täglich in der Firmenzentrale in Reinickendorf nach dem Rechten schaut. Auch als Hauptsponsor der MTV-Handballerinnen hatte sich der „Pensionär“ im Frühjahr verabschiedet, um natürlich trotzdem jedes Heimspiel der 3. Bundesliga zu besuchen und dem Verein weiterhin mit seinen Ideen unter die Arme zu greifen.
Vom Sport kommt der Ur-Berliner ohnehin nicht los, obwohl er selbst dazu kam „wie die Jungfrau zum Kinde“, wie er rückblickend zugibt. Als er mit seinem Spezialunternehmen für Baudichtstoffe 1980 als Sponsor beim Berliner Schlittschuhclub einstieg, wurde er unversehens gleich noch für drei Jahre zum Schatzmeister des Bundesligisten gewählt. „Das war schon eine interessante Zeit“, denkt er zurück und erklärt mit einem Lächeln: „Und lustig war´s. Ich habe in meiner Firma Eishockeyspieler angestellt.“ Unter den heutigen Profi-Bedingungen absolut undenkbar, war solch eine Praxis im Berlin der 80er-Jahre durchaus üblich. Und weil Eishockey seinerzeit schon eine ausgesprochen populäre Sportart war, rissen sich die Firmen um die Halbprofis wie den populären Nationalspieler Lorenz Funk auf den Baustellen. „Alle wollten die Sportler haben. Deshalb hieß das für sie: zwei Stunden Training am Tag, danach Fugen abdichten, Bänder kleben – was eben so gemacht wurde auf unseren Baustellen.“ Der Kontakt zum Verein kam durch einen Zufall zustande. „Um drei Ecken“, erklärt Jahn: „Eine Cousine von Lorenz Funk war als Hausangestellte bei einer befreundeten Familie von Jahn beschäftigt.“ Von da ab hat den Baufachmann und Unternehmer der Sport nicht mehr losgelassen. Nur die Sportarten wurden zahlreicher. Mit dem Ende der DDR sah sich Klaus-Jürgen Jahn plötzlich von Eisschnellläufern umringt, die – angeführt von Trainer Joachim Franke – seinen Rat zur Gründung eines neuen Vereins nutzen wollten. Also zog er mit Monique Garbrecht, Claudia Pechstein, Olaf Zinke & Co durch die Eisbahnen, und die Cracks trugen den Schriftzug seiner Firma EUROTEAM auf dem Oberschenkel. Viele von ihnen stellte er in seiner mittlerweile in Altlandsberg beheimateten Firma an. „Sportler sind ehrgeizig, pünktlich, fleißig – ich arbeite sehr gern mit ihnen zusammen.“ Und weil die Kufenflitzer nun doch erst einmal bei ihrem Verein SC Berlin blieben und nur das „Dynamo“ aus dem Namen strichen, wurde Jahn Präsident des Sportclubs und ist heute noch dessen Ehrenpräsident.
„Es war einfach eine spannende Zeit, die ich in meinem Leben nicht missen möchte.“
In Berlin-Reinickendorf reichte die Gewerbeimmobilie nicht mehr aus. Mit seinem drei Jahre jüngerem Bruder Wolfram suchten die Jahns kurz nach der deutschen Wiedervereinigung nach einem Grundstück in Brandenburg. In Altlandsberg wurden die Gebrüder fündig. Die Stimmen der Brandenburger, die die Chemie-Firma aus Berlin nicht in ihrer Stadt haben wollten, verstummten schnell, als Jahn ihnen sein sauberes Produktionsunternehmen vorstellte, das in Reinickendorf direkt neben einem Wohngebiet angesiedelt ist.
Mit dem Wechsel hinter die Berliner Stadtgrenze wandelte sich auch wieder einmal die Sportart im Schlepptau des Unternehmers. Die uneingeschränkte Nummer 1 in Altlandsberg ist der Männer-Turn-Verein von 1860, kurz MTV genannt. Der lässt auch Frauen mitmachen und präsentiert die sogar einst in der 2. Bundesliga spielenden Handballerinnen als Aushängeschild. Also sponserte Jahn nun diese Mannschaft und, wie kann es anders sein, auch heute noch, spielt die 1. Damenmannschaft mit dem Logo „Sport gegen Gewalt e.V.“ auf den Trikots.
„Für den Radsport hatten die Altlandsberger leider kein Faible“, bedauert Klaus-Jürgen Jahn, denn an dem hatte er den größten Narren gefressen. „Bestimmt Robert Bartko“, überlegt der Unternehmer nur kurz auf die Frage nach seinem Liebling unter den zahlreichen Sportgrößen. Dass der Doppel-Olympiasieger von Sydney heute eine hohe Position im Eisschnelllauf bekleidet, rundet die Sache zwar irgendwie ab, ist aber ausnahmsweise ohne Zutun von Klaus-Jürgen Jahn geschehen. „Ich war aber bei Roberts Anfängen dabei“, verweist er auf die Jahre vor dem großen Triumph auf dem fünften Kontinent. 1998 hatte er sich auf der Suche nach weiteren Sponsoren für seinen Verein in Altlandsberg, den er lange als 1. Vorsitzender geführt hatte und dem er heute als Ehrenpräsident verbunden ist, ausschließlich Absagen eingehandelt. „Da kam mir eine wirklich zündende Idee“, freut sich Jahn noch heute über den Clou, eine Initiative „Sport gegen Gewalt“ aufzumachen. Das klang zukunftsfähig, und plötzlich wollten zahlreiche größere und kleinere Unternehmen mittun bei einer Sache, die Jugend von der Straße holen und in Sportvereinen unterbringen konnte. „Die Statistik half mir. In Altlandsberg sank die Jugendkriminalität gegen null, und auch das Umland profitierte“, erwähnt er stolz und sagt wie nebenbei, dass er über diese inzwischen zum eingetragenen Verein umgewandelte Initiative jährlich eine ansehliche Summe rekrutiert und dem Sport, besonders natürlich seinem MTV und seinem zweiten Herzenskind, dem Berliner Sechstagerennen, zuführt. Mit dem zum Sportdirektor der Eisschnellläufer aufgestiegenen Robert Bartko ist Klaus-Jürgen Jahn auch heute noch ein Herz und eine Seele, Altlandsberg machte den Unternehmer zum Ehrenbürger, beim Sechstagerennen hat er mit großem Engagement und gegen langen Widerstand der Organisatoren sowohl die Frauen als auch seine geliebten Jugendrennen sogar ins Hauptprogramm des Abends geführt.
„Das mache ich weiter“, verweist Jahn auf „Sport gegen Gewalt“. Firmen motivieren, Leute ansprechen. Deswegen lässt er nach Möglichkeit keinen Renntag auf der Galoppbahn Hoppegarten aus. „Da treffe ich sie doch alle. Und viele hören nicht nur interessiert zu, sondern machen dann mit bei Sport gegen Gewalt.“ Die Kunden honorieren mehr und mehr seine Aktivitäten für den Sport. Vom operativen Geschäft seines Unternehmens will er sich zurückziehen. „Naja, ich hab´s wieder mal vor.“ Um mehr Zeit zum Golfspielen zu haben. Und, wenn die Probleme mit der Bandscheibe behoben sind, vielleicht auch wieder zum Tennis und Skifahren.
Hans-Christian Moritz