Forschung auf Rädern

Forschungsexpedition Deutschland“ lautet das Motto des diesjährigen Wissenschaftsjahres. Zentraler Bestandteil ist ein Zug namens „Expedition Zukunft“, der in den kommenden Monaten in Berlin und 59 anderen deutschen Städten Station machen wird.

Dass die Deutschen kein Talent zum Tüfteln und Erfinden hätten, kann man wahrlich nicht behaupten. Das Faxgerät und das MP3-Musikformat, das Aspirin und die Mars-Kamera – diese und unzählige andere Innovationen haben ihren Ursprung in Deutschland genommen. Und doch sind die Klagen nicht zu überhören: Deutschland sei zu wenig innovativ, zu wenige junge Menschen begeisterten sich für Technik und Naturwissenschaften, und überhaupt seien andere Länder viel geschickter darin, ihre Erfindungen erfolgreich zu vermarkten.

Gegen diesen Trend gehen Verantwortliche aus Politik und Wissenschaft seit 2000 mit dem sogenannten Wissenschaftsjahr vor. „Forschungsexpedition Deutschland“ heißt die diesjährige Ausgabe – und die ist angesichts der diesjährigen historischen Jubiläen eine ganz besondere. „Die Forschungsexpedition Deutschland“, sagt Bundesforschungsministerin Annette Schavan, „zeigt in dem Jahr, in dem wir 60 Jahre Bundesrepublik und 20 Jahre Mauerfall feiern, die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung für die Menschen.“Ins Rollen gebracht werden soll das Verständnis für diese Bedeutung mit einem Zug. Und zwar einem veritablen, 300 Meter langen, aus zwölf Wagen bestehenden Zug, der unter der Ägide der Max-Planck-Gesellschaft in sechzig deutschen Städten – das Jubiläum 60 Jahre Bundesrepublik lässt grüßen! – für jeweils drei Tage Station machen wird. Diese Wissenschaftsausstellung auf Schienen schlägt einen weiten Bogen vom Anfang des Universums über den Stammbaum des Menschen bis hin zur Zukunft, in der – so jedenfalls die Überzeugung der Max-Planck-Gesellschaft – künstliche Materialien viele Produkte und Verfahren revolutionieren werden. Dabei setzen die Ausstellungsmacher auf interaktive Anwendungen mit multimedialen Installationen und zahlreichen Mitmachmöglichkeiten. Auf diese Weise, sagt Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, wollen sie „für mehr Neugier und Offenheit gegenüber neuen Technologien werben“. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich die Organisatoren des Wissenschaftsjahrs – darunter das Bundesforschungsministerium, die Initiative Wissenschaft im Dialog und die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina – neben dem Wissenschaftszug noch zahlreiche andere Angebote einfallen lassen. Wie schon in den vergangenen Jahren ist zum Beispiel auch wieder die MS Wissenschaft unterwegs, ein Ausstellungsschiff, das in rund dreißig Städten anlegt und sich insbesondere an Schulklassen richtet.

Ohnehin haben die Verantwortlichen vor allem die Forscherinnen und Forscher von morgen im Visier. Für diese haben sie einen Expeditionspass entwickelt, mit dem Kinder und Jugendliche bei allen teilnehmenden Einrichtungen (in Berlin ist das zum Beispiel das Naturkundemuseum) einen Institutsstempel sammeln können. In einer nachgestellten Ausgrabungsstätte Fossilien suchen, mit dem Mikroskop Bodentiere unter die Lupe nehmen oder mittels eines überdimensionierten Zellenmodells die Bausteine des Lebens kennenlernen – das sind einige Beispiele für die geplanten Aktivitäten. Haben die Nachwuchsforscher fünf Stempel zusammen, qualifizieren sie sich für eine Verlosung, bei der die Teilnahme an einer echten Forschungsexpedition zu gewinnen ist.

Zu Forschungen verleiten lassen sollen sich aber auch Erwachsene. Sie können die aus ihrer Sicht brennendste Frage an die Wissenschaft formulieren; ein Online-Publikum wählt dann „Deutschlands beste Forschungsfrage“ aus. Bei alledem bleibt der Blick nicht auf Deutschland beschränkt. Vielmehr darf man auch vom Ausland lernen, wie die Geschichte des Ausstellungszuges zeigt. Der nämlich wurde weit entfernt von hier ausprobiert: Von Oktober 2007 bis Juni 2008 reiste, ebenfalls unter Federführung der Max-Planck-Gesellschaft, ein „Science Express“ durch den indischen Subkontinent. Offenbar mit großem Erfolg – weshalb das Projekt jetzt auch hierzulande auf die Schiene gesetzt wird.


Emil Schweizer

 

 

Informationen
www.forschungsexpedition.de

38 - Frühjahr 2009