Newton and Guests

In einer Dreierkonstellation mit Frank Horvat und Szymon Brodziak zeigt die Helmut Newton Stiftung in ihrer neuesten Ausstellung neben Originalabzügen aus der Dauerleihgabe von Helmut Newton zwei
thematisch verwandte Monographien.

Wer annimmt, von Helmut Newton mittlerweile alle wichtigen Aufnahmen gesehen zu haben, wird überrascht sein. In der aktuellen Ausstellung „Newton. Horvat. Brodziak“ sind zirka siebzig Originalabzüge aus dem zweiten Teil der Dauerleihgabe von Helmut Newton zu sehen, von denen im „Museum für Fotografie“ die meisten noch nicht gezeigt worden sind. Es sind wiederum Mode- und Aktbilder, Porträts und Selbstporträts, überwiegend sogenannte Vintage Prints, also Abzüge, die Helmut Newton unmittelbar nach der Entstehung der Negative selbst hergestellt hat. 

Während in der einstigen Eröffnungsausstellung der Helmut Newton Stiftung „Sex and Landscapes“ vor allem das Inszenierungsgenie dieses Ausnahmefotografen deutlich wird, Akt, Mode, Stillleben und Landschaften miteinander zu verschmelzen, um letztlich eine bestimmte Erotik zu sublimieren, zeigt er sich in der aktuellen Ausstellung „Newton. Horvat. Brodziak“ auch als ein Porträtfotograf mit einer Art konzeptionellen Ansatz. Denn neben Bildnissen von Jeanne Moreau, Brigitte Nielsen und Karl Lagerfeld hat er in einer Farbbildserie aus den 1980er-Jahren berühmte Künstler in einem besonders intimen Privatbereich, dem Schlafzimmer, fotografiert. Zu sehen sind Künstler wie Charlotte Rampling, David Bowie oder David Hockney, auf der Bettkante sitzend sowie beim Öffnen einer Schublade des Nachttischschrankes. Prominente mit Einblick in deren Privatsphäre derart zu porträtieren, ist bislang einmalig, wirkt wie ein Gegenentwurf zu „Sex and Landscapes“ und macht die Vielschichtigkeit im Gesamtwerk Helmut Newtons deutlich.

Dass er sich selbst aber durchaus neben und nicht über andere Fotografen stellte, kommt in seinem Vermächtnis anlässlich der Gründung seiner Stiftung zum Ausdruck. Danach sollten Monographien bedeutender Kollegen von Zeit zu Zeit im Ausstellungskonzept Berücksichtigung finden. Aktuell sind es Frank Horvat und Szymon Brodziak. Beide Mode- und Porträtfotografen, thematisch Helmut Newton verwandt, doch jeweils mit sehr eigenständiger Bildsprache.

Der Bedeutendere ist zweifellos der 1928 im italienischen Abbazia, heute kroatisch Opatija, geborene Frank Horvat. Er gehört zu der berühmten Photographen-Generation, die eine perfekte Bildkomposition anstrebten, wie der legendäre Henri Cartier-Bresson, und Menschen auf der Straße in Szene setzten. Bressons Rat war es im Jahr 1950 auch, als Photojournalist eine Reise durch Asien anzutreten. Horvats Aufnahmen aus dieser Zeit, aus Ländern wie Indien oder China, konnte er in verschiedenen Magazinen veröffentlichen. Mitte der 1950er-Jahre in Paris, begann dann seine Karriere als Modephotograph. 

Mit Modeshootings für das Magazin „Jardin des Modes“ und später Aufnahmen für „Elle“ in Paris, „Vogue“ in London und „Harper´s Bazaar“ in New York machte er sich einen Namen und beeinflusste, ähnlich wie Helmut Newton oder Richard Avedon, den Zeitgeist. Seine berühmtesten Modefotos „Givenchy Hat“ und „Shoe and Eiffel Tower“ stehen exemplarisch für seine ganz eigene Kunst der Bildkomposition. Zwischen 1958 und 1961 war er Mitglied der legendären, von Henri Cartier-Bresson mitbegründeten Mag-
num-Agentur, und wiederum reiste er, wie all seine Kollegen der Photographenkooperative, um die Welt. Es war die große Zeit der Bildreportagen aus aller Welt und Horvat einer ihrer Protagonisten. In der Ausstellung der Helmut Newton Stiftung sind auch einige dieser Aufnahmen Teil seines Photoprojekts „House with Fifteen Keys“, das in fünfzehn Kapiteln sein Gesamtwerk zeigt und Ausdruck seines Vermächtnisse ist: „Ein gutes Foto entsteht, wenn etwas Bleibendes festgehalten wird.“

Die Dreierkonstellation der Ausstellung vervollständigt mit dreißig großformatigen Schwarz-Weiß-Aufnahmen der polnische Photograph Szymon Brodziak, Jahrgang 1976. Unverkennbar ist dessen thematische Nähe zum Werk Helmut Newtons, das für Brodziak wohl eine wichtige Inspirationsquelle ist. Seine Aktbilder folgen einer Inszenierung aus Übertreibung, subtiler Erotik und weiblicher Eleganz und entfalten so ihre emotionale Wirkung. Gleichzeitig will Brodziak aber auch die gängigen Klischees und Schönheitsideale hinterfragen. Die Aufnahmen sind Bestandteil seiner Monographie „One“. Es ist seine erste institutionelle Ausstellung in Deutschland. Vor zwei Jahren eröffnete er eine eigene Fotogalerie in Posen.

Information:

Newton. Horvat. Brodziak
Bis 15. November 2015,
Helmut Newton Foundation im Museum für Fotografie,
Jebensstraße 2, 10623 Berlin

Reinhard Wahren

 

 

64 - Herbst 2015