Heinrich Bellmann ist zufrieden und blinzelt in den grauen Himmel, dessen tief hängende Wolken Nass von oben androhen. „Ein sehr schöner Platz“, lobt der Pfälzer trotz der fehlenden Sonne. Während eines dienstlichen Aufenthalts in Berlin geht er gern nach Feierabend seinem Hobby Golf nach und erkundet die Plätze mittels Greenfees rings um die Hauptstadt.
An jenem viel zu warmen Dezembertag nimmt Bellmann den Kurs in Kallin bei Kremmen unter die Lupe, nachdem er die in Deutschland bekannteren Anlagen am Berliner Wannsee, am Motzener See und in Bad Saarow bereits erforscht hat. Besonders Letztere begutachtete der 55-Jährige im Herbst mit großer Aufmerksamkeit, als sich das Resort um die Austragung des Ryder Cups im Jahr 2022 beworben hatte. „Es ist schade, dass auch dieses Ereignis weiter einen Bogen um Deutschland macht. Aber nach der Absage der Hamburger Bevölkerung an die Olympischen Spiele 2024 habe ich mir schon so etwas gedacht“, berichtet der Freizeitgolfer. Für die Verantwortlichen des nationalen Verbandes und in Bad Saarow kam die Absage durch die von Keith Pelley geleitete Organisation einem Schock gleich. Hatte man doch die am besten benotete Bewerbung abgegeben und den aus Kanada stammenden Chef der für die Vergabe zuständigen Vereinigung nicht nur vor Ort regelrecht hofiert. Mit Fürsprecher Nick Faldo platzierten die Deutschen im Gegensatz zu den Konkurrenten aus Österreich, Spanien und Italien die Legende der Sportart schlechthin als Fürsprecher auf einem Silbertablett. Der Engländer, dessen Namen der Platz trägt, hätte seinen Kurs eigens für den legendären Wettstreit der amerikanischen gegen die europäischen Top-Profis umgestaltet. Zudem wurde Keith Pelley in der Zentrale des Hauptsponsors BMW in München wohl nicht nur mit Kaffee bewirtet, und Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte nach langem Sträuben die erhoffte Steuerbefreiung für das Weltturnier versprochen.
Aber die Italiener, die mit Rom als Außenseiter schließlich den Zuschlag erhielten, wucherten mit einem anderen Pfund: Sie garantierten für ihre offen ausgeschriebenen Meisterschaften in den kommenden elf Jahren ein Preisgeld von sieben Millionen Euro pro anno – das stellte die deutsche Offerte insgesamt wirtschaftlich ins Abseits.
„Wir lassen uns von diesem Rückschlag, auch wenn wir ihn nicht erwartet haben, nicht abschrecken. Wir sind stolz, eines der besten Golfresorts in Europa zu betreiben und werden jetzt erst recht weiter investieren“, verspricht Vanessa Herbon als Sport-Direktorin der im Wettstreit um den Ryder Cup unterlegenen Idylle am Scharmützelsee. Allerdings wird die Popularisierung der Strahlkraft nun etwas schwieriger. Der Ryder Cup als weitweit populärstes Turnier nach Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften hätte gigantische mediale Aufmerksamkeit bedeutet; avisierte 500 000 zumeist gut betuchte Golf-enthusiasten hätten die zahlreichen Hotels im Kurort ausgelastet und die bessere Verkehrsanbindung an Berlin garantiert. Doch selbst das Pfund der Hauptstadtnähe hat Pelley und die Seinen nicht überzeugt, Schließlich liegt der nun ausrichtende Marco di Simone Club noch näher an Rom als Bad Saarow an Berlin.
Die Politik der kleinen Schritte muss nun weiter betrieben werden, die Bad Saarow wie das Resort in Motzen in den 90er-Jahren schon einmal zur Popularisierung einsetzten. Beide Anlagen können sich brüsten, dass auf Wettbewerben ihrer Plätze die deutsche Ikone Bernhard Langer abschlug, der Nick-Faldo-Platz richtete einst sogar mit großem Erfolg die Weltmeisterschaften der Amateure aus. Doch schon vor 20 Jahren war dort zu spüren, dass dem in Übersee sowie in den skandinavischen und britischen Ländern als Volkssport betriebenen Golfen vor allem im Osten Deutschlands noch der Ruf des Elitären anhängt. Geht es doch vor allem um die Turniere der absoluten Superstars, und die können mehr Gewinn einstreichen als die Protagonisten anderer Sportarten. So kam Masters-Gewinner Jordan Spieth aus den USA durch Preisgelder und Bonifikationen schon ohne seine Werbeeinnahmen im vergangenen Jahr auf die stattliche Summe von 22 030 465 Dollar. Das sind 881 219 Dollar pro Turnier oder 259 346 pro Runde. Die „Süddeutsche Zeitung“ machte das noch anschaulicher. Spieth strich pro Loch 13 908 Dollar ein, was 3 623 Dollar pro Schlag ergibt. Davon träumt sogar ein Lionel Messi als Superstar des Fußballs, wobei weder bei dem einen noch bei dem anderen Profi Trainingseinheiten berücksichtigt sind – und die dürften bei Spieth wesentlich umfangreicher ausfallen.
Dass gerade Brandenburg noch Nachholbedarf in Sachen Golf hat, ergibt sich allein aus der Geschichte. Zwar liegt mittendrin mit dem Golf- und Landclub Berlin-Wannsee die 1895 errichtete älteste deutsche Anlage. Doch alle anderen – mit Ausnahme von Berlin-Gatow – wurden erst nach dem Ende der DDR in den vergangenen 20 bis 25 Jahren konzipiert und kämpfen seither mehr oder weniger um die nötige Mitgliederzahl. Dennoch gibt es einen Aufwärtstrend: Mit dem 2014 ins Leben gerufenen Berlin-Brandenburg-Masters ist bei einer Dotierung von 100 000 Euro sogar die Spitze angesprochen, zahlreiche Aktivitäten für den Breitensport, besonders im Jugend- und Schülerbereich lassen immer wieder auch Brandenburger Nachwuchs-Golfer in der nationalen Spitze aufhorchen. „In der Bewerbungsphase um den Ryder Cup haben wir eine Basis gelegt, auf der sich der Golfsport in Deutschland weiter entwickeln kann“, sagt Claus Kobold als Präsident des nationalen Verbandes. Wenn auch der plötzliche Aufschwung der Sportart durch die Ausrichtung des Ryder Cups 2022 ausbleibt, so ist der Verband sicher, durch die positive Resonanz allein auf die Bewerbung einen wichtigen Schritt zur Popularisierung der Sportart Golf geschafft zu haben.
Hans-Christian Moritz