Fixpunkte im Kunstraum

„Einmal entsandt, fliegt das Wort unwiderruflich dahin.“ Dieser Satz des römischen Dichters Horaz hat bis heute nicht an Gültigkeit verloren. Flüchtling, Mittelmeer, Tote, Terror, Bürgerkrieg, Syrien, Krise, Grenzen, Übergriffe, Not. Wir hören die Wörter in den Nachrichten, aus dem Radio, aus dem Fernseher, in Diskussionen, am frühen Morgen, in der Kantine, in Telefonaten mit Freunden. Sie sind allgegenwärtig und die Bilder dazu auch und die meisten Fragen fangen im Zusammenhang damit mit Wie viele an. So verspürt es die Künstlerin Anja Sonnenburg. Sie begann, mit den Wegen und Schicksalen aus der Flüchtlingskatastrophe und den tatsächlichen Zahlen Bilder zu erschaffen, um zu Fragen und Begriffen eine Orientierung zu finden. Das war 2010, als den meis-ten Menschen die Katastrophe selbst und schon gar nicht deren Ausmaß bewusst waren. 

Seit 2014 gibt es den Gasag Kunstraum. Direkt am Firmensitz des Energiedienstleisters am Hackeschen Markt können Künstler, die in Berlin leben oder arbeiten, ihre Werke präsentieren. Die 7. Schau des Kunstraums heißt „Fixpunkte“, wurde kuratiert von Kai Giese und widmet sich auf besondere Weise dem Flüchtlingsthema mit Werken der Künstlerin Anja Sonnenburg. 

 

Anja Sonnenburg wurde 1969 in Berlin geboren und studierte von 1997 bis 2000 Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden mit dem Schwerpunkt Bildhauerei. Anschließend wechselte sie an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee. 2003 absolvierte sie dort ihr Diplom bei Prof. Berndt Wilde und Prof. Inge Mahn, bei der sie dann 2004 Meisterschülerin war. Im gleichen Jahr gründete sie mit anderen Künstlern die Künstlergruppe msk7, in der sie sich seither engagiert. Darüber hinaus ist die Künstlerin seit 2011 Mitglied im Frauenmuseum Berlin e.V. Sie hat zahlreiche Stipendien und Preise erhalten und international ausgestellt. Jetzt sind „Fixpunkte“, ihre Arbeiten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise, im Gasag Kunstraum zu sehen. 

„Syria Tracker“ misst 2,80 Meter x 3 Meter und besticht durch klare Schönheit. Und trifft dann mitten ins Herz, wenn plötzlich klar wird, was es zeigt. Mit Hunderten von goldenen Stecknadeln hat Anja Sonnenburg auf einer Zeichnung des syrischen Straßennetzes die Opfer des verheerenden Krieges erfasst. Das waren zwischen dem 18. März 2011 und dem 27. Januar 2013 51 541 Menschen.

Die Berliner Künstlerin beschäftigte sich aber nicht nur mit den Schicksalen der Menschen in den Krisenherden des Nahen Ostens. Sie stellt auch das Problem der Fremdenfeindlichkeit am Beispiel Berlins dar und verortete auf einer Zeichnung des Berliner Straßennetzes alle rechtsextremistischen und antisemitischen Überfälle von 2005 bis 2012. Das sind dann 1 005 Stecknadeln auf dieser „Randnotiz“. „Fixpunkte“, das ist „eine Ausstellung, die Gänsehaut macht“, so die Vorstandsvorsitzende der Gasag, Vera Gäde-Butzlaff, bei der Vernissage im Gasag Kunstraum. 

Barbara Sommerer

 

Information

GASAG Kunstraum 
„Fixpunkte“, Zeichnungen von Anja Sonnenburg, bis zum 4. Juni 2016, der Eintritt ist kostenlos
Mo – Fr von 10 – 18 Uhr
im Gasag Kundenzentrum
am Hackeschen Markt,
Henriette-Herz-Platz 4
www.gasag.de

 

66 - Frühjahr 2016
Kultur