Mit einer großartigen Ausstellung gelingt der Nationalgalerie die Wiederentdeckung von August Kopisch, ein vergessenes Multitalent aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Als er am 17. August 1826 die Blaue Grotte auf Capri entdeckte, machte das den vielseitig interessierten jungen Künstler August Kopisch, der sich nicht entscheiden konnte, ob er lieber Maler oder Dichter sein wollte, mit einem Schlag bekannt. „Mir war es gerade, als schwömme ich im unabsehbaren blauen Himmel“, schrieb er, skizzierte das Naturwunder und malte später die Grotte in Öl. Damit hatte er bei den romantikbegeisterten Malern seiner Zeit ein wahres Feuer entfacht. Alle wollten das Sehnsuchtsblau der Romantik sehen und vor allem malen. Was Wunder, wenn die Blaue Grotte sehr schnell zum Touristenmagnet wurde.
Bei August Kopisch aber hatten sich damit bereits zwei seiner vielen Talente gezeigt: Naturwunder zu entdecken und sie zu malen. Dass er auch als Poet reüssieren würde, zeigte sich am Fuße des Vesuvs, als er dort den Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. mit einem Gedicht stark beeindruckte.
Nach 5-jährigem Aufenthalt in seinem Sehnsuchtsland Italien kehrte Kopisch schließlich 1829 in seine Heimatstadt Breslau zurück. Waren Süditalien, der Golf von Neapel, der Vesuv und die neapolitanische Lebensart nun zu seinen wichtigsten Inspirationsquellen geworden, entwickelte er zunächst gemeinsam mit dem Architekten Carl Ferdinand Langhans das erste sogenannte Pleorama. Das Publikum saß in einer Art Kahn, der am Panorama vom Golf von Neapel vorbeigezogen wurde. Kopisch selbst gab dazu entsprechende Erläuterungen zum Küstenverlauf. Vom süditalienischen Leben inspiriert, entstanden auch volkstümliche Dichtungen und Übersetzungen.
Nachdem er 1833 nach Berlin übergesiedelt war, veröffentlichte er neben vielen heiter-lustigen Gedichten schließlich seine wichtigsten Werke: das noch heute bekannte Gedicht „Die Heinzelmännchen“ und die metrische Neuübersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“. Meist gut gelaunt, witzig und spöttisch veranlagt, entsprachen die „Heinzelmännchen“, Kobolde, Wichtel oder Zwerge, die nachts, wenn alle Bürger schlafen, deren Arbeit verrichten, wohl am ehesten Kopischs Naturell, der gerne den Leuten den Spiegel vors Gesicht hielt. Das Gedicht erlangte große Popularität und breite Rezeption bis ins 20. Jahrhundert hinein.
Kopisch war aber keinesfalls nur Schöngeist. Seine Talente erstreckten sich auch auf technische Gebiete und seiner Erfindergabe entsprangen beispielsweise ein Reiseschnellofen mit Spiritus für unterwegs oder die Idee einer Erntemaschine. Somit war er mit seinen amüsanten, teils überschwänglichen Gedichten, Versen und Sprüchen nicht nur ein begnadeter Fantasieanreger, sondern ebenso ein einfallsreicher Ideengeber und Erfinder.
Ein solches Multitalent mit einer Ausstellung zu würdigen, ist der Nationalgalerie hoch anzurechnen, zumal mit August Kopisch ein Protagonist des 19. Jahrhunderts wiederentdeckt wird. Damit setzt die Nationalgalerie ihre Tradition fort, wichtigen und für uns interessanten Persönlichkeiten jener Zeit wieder einen Platz im kollektiven Gedächtnis zu geben.
Die Ausstellung in der Alten Nationalgalerie vereint all seine Talente und Interessengebiete, macht aber auch deutlich, dass ein solch vielfältiges Werk leicht in Vergessenheit geraten kann. Zu klein sind die einzelnen Bereiche. Von seinen insgesamt nur 23 nachgewiesenen Gemälden sind in der Ausstellung 13 zu sehen. Doch hier erweist sich Kopisch als wahrer Farberfinder. Mit Fantasienamen, wie „Mutterflammenlichtblau“ oder „Chrysograsbrillantfeuergrün“ schuf er eine Farbpalette, die bis dahin völlig unbekannt war. Die Farben zwischen Glutrot und Sehnsuchtsblau verliehen den Bildern eine Magie, der sich sogar der preußische König nicht entziehen konnte. 1839 erwarb er das Bild „Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang“, das Kopisch selbst im gleichen Jahr auf der Akademieausstellung erstmalig gezeigt hatte. Es drückt am deutlichsten jene Farbmagie aus, die das malerische Werk Kopischs so einzigartig macht.
Neben den Gemälden und Zeichnungen sind etwa achtzig weitere Exponate in fünf Ausstellungsräumen zu sehen, darunter der Reiseschnellofen, die Vertonungen seiner Gedichte von Meyerbeer und Brahms, Briefe, Veröffentlichungen und Illustrationen der „Heinzelmännchen“ sowie der Nachbau bzw. eine Art Adaption des Pleoramas.
In seinen Berliner Jahren trat Kopisch als Redner, Festgestalter, Gesellschafter und Improvisator auf. Auch da bewies er Vielseitigkeit und war ein gefragter Kunstkenner, pflegte Umgang mit Naturforschern, Dichtern und Künstlern. Nach seiner Thronbesteigung berief ihn Friedrich Wilhelm IV. zum Kunstsachverständigen. Nur 53-jährig starb August Kopisch, ein universell denkender Geist, der bewusst all seine Talente zu entwickeln und zu pflegen wusste. Er gehört zu jenen Universalgenies, denen sich unentwegt Inspirationsquellen auftun. „Unzähliges liegt angefangen und wartet auf bessere Muße“, schrieb er in einem seiner letzten Briefe. Die Ausstellung, die ohne die Kooperation mit der Volkswagen Kulturstiftung nicht möglich gewesen wäre, erweist sich nicht nur als Wiederentdeckung eines bedeutenden Universalkünstlers des 19. Jahrhunderts, sondern ist auch selbst durchaus eine lohnende Inspirationsquelle.
Reinhard Wahren
Information
August Kopisch. Maler, Dichter,
Entdecker, Erfinder
Bis 17. Juli 2016
Alte Nationalgalerie,
Bodestraße 1–3, 10178 Berlin