Der letzte Schrei

Chia-Samen schmecken nach nichts. Die kleine, vertrocknete Goji-Beere sieht aus, als hätte sie irgendwo auf dem Weg zwischen China und Berlin ihre Farbe verloren. Der Granatapfel ist schön, das Rot des Fruchtfleisches ist betörend. Alle drei sind: Superfood. Gepflanzt, um uns zu retten. Ist das super oder Quatsch?

Alle paar Monate werfen Superköche, Supermodels oder Superpromis in ihren Blogs neue Superbegriffe in die Welt. Schon gehört? Die Pukki-Bohne musst du essen. Sie macht schön, gute Laune und tolle Haare. Sie kommt aus den Regenwäldern Südamerikas, schmeckt ein wenig nach Schokolade und Senf, hilft beim Abnehmen und gegen Augenringe und ist das nächste große Ding.

Die Pukki-Bohne gibt es nicht, ich habe sie nur erfunden. Aber wir brauchen etwas Neues. Brauchen wir das wirklich?

Eine Expertin holt uns auf den Boden der Realität zurück: „Der Begriff Super-Food bezieht sich im Allgemeinen auf Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen haben sollen als andere Nahrungsmittel. Sie werden immer wieder als besonders gesund angepriesen, da sie reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, sekundären Pflanzen-stoffen, Antioxi-dantien und n-3-Fettsäuren sind“, sagt Antje Gahl, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. in Bonn. „Typische Vertreter sind die Goji-Beere, Chia-Samen, Acai-Beere oder der Granatapfel.“ Superfood stammt meist aus Afrika, Asien und Südamerika. „Auch wenn diese Lebensmittel tatsächlich hohe Gehalte an gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen wie zum Beispiel Vitamin A, C, E oder Beta-Carotin aufweisen, Superkräfte besitzen sie deshalb nicht.“ Wie wird ein Lebensmittel zum Superfood? Durch perfekte PR. Wird ein vermeintlich neues Lebensmittel durch Werbung schmackhaft gemacht, schauen interessierte Kunden nicht mehr auf den Preis. 

Foodblogs haben das Interesse vieler Menschen für gesunde Ernährung geweckt und geschürt, das ist eigentlich eine gute Nachricht. Problematisch wird es, wenn sich die Blogger zu Hütern der einzig wahren Essensweisheiten aufschwingen. Heute darf man keine Kartoffeln mehr essen, drei Tage später warnt die Konkurrenz vor Kohlsuppe und – du isst noch Chips? Ja, keine Sorge, die „guten“ aus Karotten und Roter Bete. Und dazu einen Kale-Smoothie. Smoothies gelten unter Foodies mittlerweile als ziemlich out. Wir werden wieder O-Saft trinken müssen. 

Noch ein Wort zu den Chia-Samen. Dem heimischen Leinsamen wird bei moderaten Preisen im Supermarkt eine ähnliche Wirkung wie Chia-Samen zugesprochen. Egal! Leinsamen ist langweilig. Irgendwie yesterday.

 Silvia Meixner

 

66 - Frühjahr 2016