Wie angespitzte Bleistifte liegen die gefällten Stämme am Boden. Faszinierend. Ein anderer Baum steht noch. Nur die angeknabberte Rinde und die zwei bis drei Zentimeter großen Holzspäne verraten die Anwesenheit von Bibern. Ihre Spuren hinterlassen die großen Nagetiere in Brandenburg allerorten, an Seen, Flüssen, Gräben und Kanälen. In der Dämmerung kann man sie schwimmen sehen, Nase und Augen über der Wasseroberfläche.
3 300 Tiere sollen es im Land mittlerweile sein, verteilt über das ganze Bundesland. Dennoch gibt es eine Biber-Hochburg. „Das Oderbruch im Osten des Landes Brandenburg kann mit etwa 1000 Tieren als biberreichster Landesteil angesehen werden“, sagt Mathias Gutt. Er ist einer von zwei Biberbeauftragten im für Umwelt und Landwirtschaft zuständigen Brandenburger Ministerium. Er kennt sich aus.
Bis zur Wiederansiedlung zum Ende der DDR-Zeit waren die Biber aus Brandenburg fast verschwunden. Sehr zur Freude von Naturfreunden ist die Gefahr des Aussterbens also nachhaltig gebannt. Sogar in Berlin wurden schon 80 Biber gezählt. Wer schon einmal einem Biber begegnet ist, ist allein von seiner Größe beeindruckt. Der Europäische Biber erreicht ohne Schwanz gemessen eine Länge von bis zu einem Meter und ein Gewicht von bis zu 30 Kilo. Damit ist er das größte Nagetier Europas. Zum Vergleich: Die Bisamratte etwa, mit der der Biber gern verwechselt wird, ist gerade mal 35 Zentimeter groß. Biber leben monogam. Sie bringen im Frühjahr zwei bis drei Junge zur Welt. Dabei sind die wasserliebenden Nager reine Vegetarier. Im Sommer fressen sie vorwiegend Grünzeug. In der kalten Jahreszeit, Biber halten keinen Winterschlaf, machen sie sich über die Gehölze her. Bekannt sind sie vor allem als grandiose Baumeister. Im Biologendeutsch heißt das: Biber gestalten ihre Lebensräume dynamisch. Einmal schaffen sie Wohnbauten, Erdhöhlen und Biberburgen, zum anderen die sogenannten Biberdämme, die vor Feinden schützen sollen und im Winter zuweilen auch als Nahrungsvorrat dienen. Wohnhöhlen und -gänge graben Biber bevorzugt ins ufernahe Erdreich. Bis 120 Zentimeter Durchmesser können diese Biberhöhlen groß sein. Für die Dämme nutzen sie Äste, Baumstämme, Steine und Schlamm. Dass Biber zuvor die Fallrichtung der Bäume berechnen, gehört allerdings ins Reich der Legenden. Die Stämme fallen meist schon deshalb ins Wasser, weil sie sich durch Gewicht und Erosion ohnehin in diese Richtung neigen. „Bei einer bevorzugten Wassertiefe von 50 bis 80 Zentimeter sind Dämme das wirksamste Mittel, um die gewünschte Wassertiefe zu erreichen. Ein ausreichender und konstanter Wasserstand ist gleichzeitig die Garantie, dass sich der Eingang zur Fortpflanzungs- und Ruhestätte, egal ob Erdröhre oder Burg, immer unterhalb des Wasserspiegels befindet“, erklärt der diplomierte Landespfleger Mathias Gutt. Das sei wichtig, damit Wolf, Fuchs und Marder ferngehalten werden. Außerdem müssen Biber schon deshalb nagen, um ihre scharfen Zähne zu pflegen. Biberzähne wachsen ein Leben lang nach. Zum ökologischen Nutzen von Bibern befragt, sagt Gutt: „Natur und Artenvielfalt profitieren durch Biber insgesamt enorm.“ Biberarchitektur verringert die Strömungsgeschwindigkeit und reinigt durch die entstandenen Staubecken vielerorts das Wasser. Nährstoffreiche Sedimente lagern sich ab und lassen Schilf und Röhricht wachsen. „Die mosaikartige Struktur eines Biberreviers zwischen trockenen, feuchten und nassen Bereichen einerseits und lichten und schattigen Bereichen andererseits bietet verschiedensten Arten, wie Insekten, Amphibien, Fischen, Vögeln und Säugetieren Platz als Tränke, zum Baden, als Jagdrevier, Laichplatz, Sonnenplatz oder als Versteck.“
In der „Wildnis“ ist für die dynamische Landschaftsgestaltung durch die Biber also Raum. Schaut man indes auf intensiv genutzte Kulturlandschaften, kommt es vermehrt zu Konflikten mit dem Menschen. So ist auch in Brandenburg mittlerweile die Freude über die Rückkehr der beeindruckenden Pelztiere an vielen Orten in Abwehr umgeschlagen. Gerade die rege Bautätigkeit der Biber stößt immer wieder auf Widerstand. „Fraß-, Wühl- und Wasserschäden“, fasst Mathias Gutt zusammen, wenn es um die Beschwerden geht, die Land- und Forstwirte sowie Wasserverbände gegen den Biber vorbringen.
Das betrifft zum einen angenagte und gefällte Bäume, besonders in den Herbst- und Wintermonaten. Gerade auf Weiden, die als Windschutz gern an Gräben gepflanzt werden, haben es die Biber abgesehen. Weichholz wird von ihnen bevorzugt. Durch Biberdämme kommt es mancherorts aber auch zu Überschwemmungen entlang von Gewässern, sehr zum Ärger der Landwirte.
Die Behausungen der Biber unterhöhlen immer wieder auch Deiche und Uferböschungen. Besonders an der Oder ist das ein großes Problem. Der Gewässer- und Deichverband Oderbruch leistet sich deshalb seit Jahren eine eigene Biber-Managerin.
Das Land Brandenburg ist in dieser Sache im letzten Jahr ebenfalls in die Offensive gegangen. Das für Umwelt und Landwirtschaft zuständige Brandenburger Ministerium hat deshalb ein Sieben-Punkte-Programm zum Umgang mit dem Biber erstellt. Dieses Programm sieht vor, den Tieren vor allem dort Lebensraum zu bieten, wo sie für den Gewässerschutz keine negative Rolle spielen. In ernsten Ausnahmefällen, wenn es etwa um den Schutz von Deichanlagen geht, darf der Biber vergrämt, gefangen oder selten sogar getötet werden. Die Biberbeauftragten sind Ansprechpartner und Mittler im Spannungsfeld zwischen Artenschutz, Gewässerunterhaltung, Hochwasserschutz und Landnutzung. Ein landesweites Netz von ehrenamtlichen Biberberatern bildet sich gerade, denn immer noch herrscht viel Unsicherheit im Umgang mit diesen beeindruckenden Tieren.
Karen Schröder