Erfolg & Preis

Zalando gehört zu den Ideen, die unseren Alltag so schnell verändert haben, dass man sich schon nach kurzer Zeit kaum noch vorstellen kann, wie es war, als es sie noch nicht gab. Wie hat man damals im Internet Schuhe bestellt, als man für den Versand noch Porto bezahlen musste – auch bei Nichtgefallen - und die Rücksendung aufwendig war? Wie war das noch, als man seine Lieblingsstücke und -marken einzeln in diversen Internetshops zusammensuchen und das komplizierte und teure Prozedere unter Umständen mehrfach wiederholen musste, bis man seinen Kauf getätigt hatte? Während heute ein paar Klicks genügen und man wenige Tage später in Ruhe zuhause unzählige Paar Schuhe – und längst auch Kleider und Accessoires – anprobieren kann und das, was nicht passt oder gefällt einfach wieder auf den Weg schickt – kostenlos und mit drei Monaten Bedenkzeit?

Das Unternehmen Zalando begann seine Erfolgsgeschichte vor acht Jahren als Startup in Berlin. Es waren die Jahre der Gründungskredite und Ich-AGs, und auch die beiden Jungunternehmer David Schneider und Robert Gentz fingen auf diese Weise an. Sie hatten sich beim Managementstudium kennengelernt und waren mit ihrer ersten Idee, einem sozialen Netzwerk in Mexiko, grandios gescheitert. Rettung kam von ihrem ehemaligen Kommilitonen Oliver Samwer, der ihnen unter die Arme griff und das Schlimmste verhinderte. Samwer war, zusammen mit seinen beiden Brüdern, einer der Stars der Startup-Szene. Ihr Geschäft bestand darin, neugegründete Internetfirmen mit Risikokapital auszustatten und sie rasch zum Erfolg zu finanzierten, um sie dann mit enormem Gewinn zu verkaufen. Zalando begann 2008 ganz klein: Die Bilanzsumme im ersten Jahr betrug gerade mal 300‘000 Euro. Doch Schneider und Gentz setzten auf extrem kundenfreundlichen Service und expandierten schon im Folgejahr nach Österreich. Gleichzeitig erweiterten sie in Deutschland ihr Angebot. Neben Schuhen boten sie jetzt auch Bekleidung an und entwickelten außerdem ihre erste Eigenmarke. Im Internetversandhandel mit Schuhen waren sie bereits nach zwei Jahren Marktführer. 2011 ging Zalando auch in die Schweiz. An den weiterhin tiefroten Zahlen war ausgerechnet die Erfolgsstrategie schuld: Berühmt wurde Zalando vor allem durch den hohen Wiedererkennungswert seiner Fernsehwerbespots. In aufwendig gefilmten kleinen Geschichten bekamen Menschen vom Postboten Zalando-Pakete geliefert – und brachen vor Freude in ekstatisches Schreien aus. Seither geht es bergauf.

2013 wurde der Umsatz mit 1,8 Milliarden Euro angegeben, im Oktober 2014 ging Zalando an die Börse. 2015 übernahm das Unternehmen die renommierte Avantgarde-Modemesse Bread & Butter, die jährlich zwei Mal in Berlin Street Fashion vorstellt. Über die Investorenfirma der Samwer-Brüder hat das Unternehmen inzwischen weltweit Ableger unter anderen Namen. Doch es gibt auch Schattenseiten. Zwar schafft Zalando allein in Deutschland tausende Arbeitsplätze – doch es sind Billigarbeitsplätze. Mehrfach wurden in der Vergangenheit die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren kritisiert. Der überzeugende Service hat seinen Preis: Das Abwickeln der zehntausenden Bestellungen und Rücksendungen täglich erfolgt für die Mitarbeiter unter höchstem Druck - und zu geringster Bezahlung, wie sie in der Logistikbranche üblich ist. 

sus

 

68 - Winter 2016