Berlin-Macher

Dass Berlin dazu verdammt ist, immerfort zu werden und niemals zu sein, wusste schon im Jahr 1910 der Publizist und Kunstkritiker Karl Scheffler. Ein oft zitierter Satz, der noch heute gilt. Umso mehr sind Menschen gefragt, die vor oder hinter den Kulissen etwas bewegen und die Stadt ein Stück voranbringen. Wir stellen sie in jeder Ausgabe vor, die Berlin-Macher. Diesmal Klaus Herlitz.

Der Bär ist das Wappentier Berlins und der wohl bekannteste Markenbotschafter der deutschen Hauptstadt. Dazu ganz wesentlich beigetragen hat der Buddy Bär, der im Jahr 2001 das Licht der Welt erblickte. Seine Eltern sozusagen sind Eva und Klaus Herlitz. „Die Idee hatte meine Frau“, zeigt sich der 69-Jährige ganz als Gentleman und überlässt seiner Frau die Ehre. Inspiriert worden sei sie durch die Züricher Kühe, die Ende der neunziger Jahre für Aufsehen sorgten und im Jahr 2000 in New York ihre CowParade abhielten. Nur ein Jahr später begann dann schon der Siegeszug der Buddy Bären, die mittlerweile rund um den Globus die Vision einer zukünftig friedlichen Welt  symbolisieren und ganz nebenbei für Berlin werben.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Klaus Herlitz mit einer Marke auch Werbung für Berlin macht. Mit 25 Jahren trat er 1972 in die Firma seines Vaters ein, der sie wiederum 1935 von seinem Vater übernommen hatte. Als Marketing-Vorstand war der gebürtige Berliner viele Jahre für den Erfolg der Marke Herlitz verantwortlich. „Immer eine Idee voraus“, lautete das Firmenmotto, mit dem er das Familienunternehmen in der Papier-, Büro- und Schreibwarenbranche national wie international etablierte und im Jahresrhythmus neue Produkte auf den Markt brachte. Vor allem im Bereich Umweltschutz setzte er in der Branche Zeichen und erhielt dafür zahlreiche Umweltpreise.

1997, als schließlich das unternehmerisch geführte Familienunternehmen in eine managementgeführte Holding umgewandelt worden war, verließ Herlitz das Unternehmen, das mit seinem Namen über Jahrzehnte hinweg Berlin in alle Welt gebracht hatte. „Als Manager bin ich ungeeignet“, hat er einmal in einem Interview gesagt und damit seinen Ausstieg begründet. Und in der Tat: Der Vater von drei Söhnen und Großvater von  vier Enkeltöchtern ist mit ganzem Herzen Unternehmer, der heute statt in einem Milliardenkonzern an der Spitze einer kleinen Firma mit acht Mitarbeitern arbeitet – ehrenamtlich und gemeinsam mit seiner Frau Eva Herlitz.

Dort kann sich der promovierte Diplom-Betriebswirt so richtig austoben – und hat es in den vergangenen 15 Jahren auch getan. Über zwei Millionen Euro hat die Buddy Bär Berlin GmbH mit Versteigerungen und diversen Aktivitäten als Gesamterlös erwirtschaftet, die dann Kinderorganisationen wie Unicef, SOS Kinderdorf, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), der Bürgerstiftung Berlin, Berliner helfen e.V., Buddy Bear Help e.V. oder der Arche in Berlin zugutegekommen sind.

Aber gehen wir nochmal zum Anfang dieser Erfolgsgeschichte zurück, als der Buddy Bär entstand. Es war der österreichische Bildhauer Roman Strobl, der die Grundform entwickelte. „Damals hatte ich besonders gute Tage“, beschreibt dieser heute seinen großen (Ent-)Wurf, der nach wie vor aktuell ist. Vier verschiedene Bären-Modelle gibt es: Den „Tänzer“, der auf den Beinen steht, den „Akrobaten“, der einen Kopfstand macht, den „Freund“, der auf allen vieren daherkommt  sowie „Freund Nr. 2“, der sich sitzend präsentiert. Zwei Meter groß sind die Skulpturen, von denen es dann auch noch welche in kleineren Größen gibt.

Doch der Star unter den Buddy Bären ist der zwei Meter große „Tänzer“, der, angeführt von Klaus und Eva Herlitz, seinen Siegeszug um die Welt fortsetzt. 30 Ausstellungen weltweit hat es bislang schon gegeben, „auf allen Kontinenten“, wie der unermüdliche Bärenanführer betont. Die Welttournee der über 140 „United Buddy Bears“, die von den Vereinten Nationen anerkannte Länder repräsentieren, hat 2002 in Berlin begonnen und in Städten wie Hongkong, Istanbul, Tokio, Sydney, Jerusalem, Pjöngjang, Buenos Aires, Helsinki, Kuala Lumpur, Neu Delhi, St. Petersburg, Rio de Janeiro, Havanna oder Santiago de Chile über 35 Millionen Besucher angelockt. Letzte Station war die malaysische Insel Penang, auf der die Bären für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben geworben haben.

Acht Container müssen jedes Mal transportiert werden, um die Bären von A nach B zu bringen. „Ohne die unentgeltliche Hilfe von Transportunternehmen wie der Hamburg Süd Gruppe, Schenker oder Hellmann Worldwide Logistics wäre das alles nicht möglich“, weiß Herlitz die Unterstützung zu schätzen, die ihm und seiner kleinen Mannschaft zuteil wird. Denn ohne sie wären die Bären nicht auch noch ein Verkaufsschlager.

Bevor der erste Prototyp im April 2001 überhaupt gezeigt werden konnte, waren bereits die ersten 60 Zwei-Meter-Bären verkauft. Im Juni wurden die ersten in der Stadt durch die Berliner Stadtreinigung aufgestellt, nachdem sie von verschiedenen Künstlern gestaltet worden waren. Mittlerweile gibt es weltweit über 1 500 solcher Bären, wobei nur 300 in Berlin und Brandenburg zu finden sind.

Besonders gefragt sind die Bären bei deutschen  diplomatischen Auslandsvertretungen und deutschen Firmen auf der ganzen Welt. Eine deutsche Botschaft nach der anderen legt sich einen Buddy Bären zu. „In Addis Abeba beispielsweise hat der deutsche Botschafter zuletzt gemeinsam mit der äthiopischen Langlauflegende Haile Gebrselassie den von einer einheimischen Künstlerin gestalteten Buddy Bären enthüllt“, erzählt Herlitz, „danach wusste selbst jedes Kind in der Stadt, wo sich die deutsche Botschaft befindet.“

Mittlerweile ist aber auch der kleine, ein Meter große Bruder des „Tänzers“ im Einsatz. Über 100 Bären werben unter dem gleichen Motto wie ihre großen Vorbilder für ein friedliches Mit- und Nebeneinander unter den Völkern: „Wir müssen uns besser kennenlernen, dann können wir uns besser verstehen, mehr vertrauen und besser zusammenleben.“ Seit ihrer  ersten Ausstellung in Berlin im Jahre 2004 sind die Minis in über 20 Ausstellungen von Tausenden begeisterten Besuchern bewundert worden.

Wenn der Chef der Buddy Bären von seinen Babys erzählt, kann man das Herzblut, mit dem Herlitz und seine Frau zu Werke gehen, förmlich spüren. Und die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Denn das Paar, das seit 44 Jahren verheiratet ist, hat immer noch Träume und Visionen: Die United Buddy Bears  vor dem UNO-Gebäude in New York oder auf dem Petersplatz in Rom. „Das wär’s“, sagt Herlitz und blickt verschmitzt. Es sieht so aus, als wenn er die Orte bereits fest im Blick hat.

Detlef Untermann

 

68 - Winter 2016