Der Flohmarkt am Mauerpark ist ein Ort, an dem man sich neu in Berlin verliebt – und Streetfood aus der ganzen Welt genießen kann. Wenn man genau hinsieht, erkennt man die Spur schon an der U-Bahnstation Eberswalder Straße: ein munteres Bächlein irgendwie interessant aussehender Menschen, die so entspannt wie zielgerichtet die Eberswalder Straße hinunterschlendern. Bereits zwei Ecken weiter, am Beginn der Bernauer Straße, wird daraus dann ein regelrechter Strom. Jetzt mischt sich Musik in die Luft: Straßensängerfolk, Chanson, manchmal auch der rumpelnde Stehbass einer ganzen Jazz-Combo. An einem Baum hängen bereits einzelne Jacken und Hemden auf Kleiderbügeln, feilgeboten von einem wilden Händler, der sich unauffällig im Hintergrund hält. Jetzt sind wir fast am Ziel: am Flohmarkt im Mauerpark. Für viele Berliner, nicht nur aus Prenzlauer Berg, ist sein Besuch fester Bestandteil eines gelungenen Sonntags in der Stadt.
Einst war hier der Todesstreifen der DDR-Grenze. Doch bereits kurz nach Öffnung der Mauer wurde das von einer hügeligen Aufschüttung begrenzte Gelände von den Anwohnern als Naherholungsgebiet genutzt – zunächst lagerte man hier noch im Schatten der Wachtürme im Gras. Nach und nach fanden sich immer mehr Straßenmusiker und andere Lebenskünstler ein, die auf ein begeisterungsfähiges Publikum trafen. Seit 2004 wird auf einem Teil des Geländes jeden Sonntag ein uriger Flohmarkt abgehalten. Unter der ersten Marktleitung wurde die eher gerümpelige Anmutung des Trödelmarkts nach und nach mit Kunsthandwerk und Selbstgemachtem ergänzt. Doch immer stand Gebrauchtes im Vordergrund: Unzählige Kisten voller staubiger Teller und nicht zusammenpassender Tassen, zwischen denen ein Kennerblick plötzlich ein paar kostbare Kris-
tallgläser erspähen kann, prägen bis heute die Atmosphäre. Prachtvolle Lüster, alte Zeitschriften, Kleider, Schuhe und alle Arten von Haushalts- und Freizeitgegenständen. Ständer voller unspektakulärer Pullover und H&M-Fähnchen, zwischen denen man plötzlich ein Designerstück oder eine seltene Vintage-Rarität erlegt.
In Zeiten von ebay und anderen online-Trödlern ist das Flohmarktleben im Mauerpark eine gleichbleibend handfeste, manchmal staubige, manchmal etwas schlammige, sinnliche Angelegenheit des realen Lebens geblieben – und ein Markt mit vielen Privatverkäufern. Für sie erfordert schon das Erobern eines der 170 überdachten Stände Ausdauer und echtes Jagdgeschick: Die Buden sind nämlich immer rasend schnell vergeben und wenn man eine will, muss man sich höchstpersönlich und vor Ort darum bemühen. Jeweils für bis zu vier Wochen im Voraus kann man am Sonntagmorgen beim kleinen, in einem Wohnwagen untergebrachten Büro vorsprechen und einen Platz reservieren. 3 Meter kosten 20 Euro und 12 Euro für den Auf- und Abbau. Doch man kann auch einfach seine Schätze auf einer der freien Flächen auf dem verwinkelten Gelände aufbauen. Wo gewuselt wird, wird auch gestritten. Etwa um Regeln, Ordnung und Sanitäranlagen. Vor zwei Jahren schrieb die Besitzerin der Fläche, das Immobilienunternehmen CA Immo Berlin, den Betrieb des Marktes neu aus und entschied sich zusammen mit dem Stadtentwicklungssenat, Vertretern des Bezirks sowie Anwohnerorganisationen für Rainer Perske als neuen Betreiber. Dieser ist für zahlreiche beliebte Märkte in Berlin, etwa am Arkonaplatz oder am Maybachufer, bekannt. Der neue Betreiber hat den Trödelmarkt sanft aufgewertet – etwa durch einen großen und sauberen Toilettentrakt und breitere Durchgänge. Vor allem aber auch durch einen charmanten Foodbereich, der im Zentrum des Marktgeländes installiert wurde und wo man sich für Flohmarktverhältnisse außergewöhnlich gut und originell verpflegen kann. Rund um einen Platz mit vielen Tischen und Bänken übertreffen sich rund zwanzig Essensstände und Foodtrucks gegenseitig mit selbst gemachten Spezialitäten. Es gibt uruguayische Empanadas und bayerischen „Steckerlfisch“ (gegrillte Forelle), koreanische Dumplings und den würzigen marokkanischen Hähnchenpie B’Stilla, sizilianische „Panzerotti“ (Teigtaschen) und venezuelanische Arepas (gebackene Maisfladen mit herzhafter Füllung). Man bekommt Reispuffer aus Japan, Buchweizencrêpes aus der Bretagne, Waffeln aus Belgien – und Sauerkrautbrötchen mit Eisbein aus Berlin.
Im Rahmen der anhaltenden Neugestaltung des Mauerparks soll die Fläche für den Flohmarkt im kommenden Jahr verkleinert und dafür auch wochentags für einen Wochenmarkt genutzt werden. Was daraus wird, steht aber, wie fast immer in Berlin, zunächst noch in den Sternen. Vorerst wird nach hauptstädtischer Sitte einfach mal weitergemacht wie bisher – und im Bedarfsfall flexibel reagiert. Darum wird der Flohmarkt am Mauerpark auch in diesem Winter ein glücklicher Ort sein. Eine der Stellen, an denen man den ganz besonderen Herzschlag der Stadt spüren kann: manchmal enervierend laut und nicht immer ganz regelmäßig. Dabei aber so fröhlich, vital und unkompliziert, dass man schon nach einem kleinen Sonntagsspaziergang über den Markt nicht nur satt und glücklich ist, sondern gleich auch wieder ein bisschen mehr in Berlin verliebt.
Susann Sitzler
Information
Flohmarkt am Mauerpark
Bernauer Straße 63 – 64,
Immer sonntags von 9 bis 18 Uhr.,
www.flohmarktimmauerpark.de