Eva Fabianova trainiert in Hoppegarten Rennpferde. Dabei liegt ihr ein respektvoller Umgang mit den Vollblütern am Herzen.
Eva Fabianova schüttelt sich die Regentropfen von der Arbeitsweste und stampft sich den Sand aus den Schuhsohlen. „Kein Wetter zum Spazierengehen“, sagt sie. „Andere holen die Pferde bei solcher Nässe erst gar nicht aus dem Stall. Aber die Tiere sind ja an Zeiten gewöhnt, da müssen wir dann eben durch.“
Die Chefin des Newcomer-Stalles Germanius am Rande der Galopprennbahn Hoppegarten schaut nicht erst aus dem Fenster, bevor sie sich täglich auf den kurzen Weg zum Stall macht, um bereits vor sechs als Erste die Türen aufzusperren. „Ich schaue in alle Boxen, mische das Futter und mache ein paar Arbeiten, dann kommen auch schon die anderen“, sagt sie. Die anderen, das sind ihre Tochter Alexandra und der ehemalige tschechische Spitzenjockey Jan Korpas, die die gut zwei Dutzend Vollblüter des Rennstalls Germanius in der Morgenarbeit reiten, sowie Evas Mann Mario, der sich um das Management kümmert. „Es gibt viele Tage, da ist das Wetter schöner. Aber man sollte nicht mit schlechter Laune in den Stall kommen. Das merken die Pferde und reagieren dann entsprechend.“
Das Wohl der Pferde steht bei Eva Fabianova an erster Stelle und die Parallele zum Leistungssport ist dabei schnell hergestellt. Als Olympiasieger Jan Frodeno im Herbst den Ironman auf Hawaii gewonnen hatte, gab der Triathlet im Ziel zu, sich niemals im Leben für den Erfolg so gequält zu haben. Das ist beim Spitzensport der Pferde genau das Gleiche. „Allerdings kann mir das ein Pferd nicht erzählen. Deshalb muss ich es erkennen. Ich muss merken, wann es einem Pferd Freude macht, mit den Artgenossen um die Wette zu rennen. Hat es keinen Spaß daran, dann gehört es nicht in den Rennstall, sondern soll sein Leben als Reitpferd genießen und dabei alt werden.“ Mit dieser Maxime führt die Slowakin auch ihren Stall Germanius direkt am Rande der großzügig angelegten Trainierbahn. „Wenn wir unsere Arbeit als Passion statt als Job verstehen, dann vermitteln wir das auch den Pferden. Die Tiere merken sofort, ob wir mit Freude bei der Arbeit sind oder nur fürs Geld schindern.“ Dass es Frauen in diesem harten Job schwerer haben als Männer oder die Arbeit sanfter angehen, darüber hat die Pferde-Trainerin noch nie nachgedacht. „Warum? Das sind doch Vorurteile. Dass Frauen sensibler wären, mehr Gefühl hätten, kann alles sein. Aber für unsere Arbeit ist das nicht ausschlaggebend. Wichtig ist, mit der Liebe zum Tier und der Freude für Vollblut und Trainer gleichermaßen die beste Leistung zu erreichen. Ich nehme zum Reiten immer als Hilfsmittel die Gerte mit, aber ich muss sie nicht einsetzen“, erklärt sie.
Obwohl in ihrer Geburtsstadt Sala, unweit von Trnava, auch heute noch eine Jockeyschule beheimatet ist, ist die Slowakin nie Rennen geritten, sondern im Springreiten groß geworden. Und als Eva Fabianova 2004 durch ihren guten Bekannten Miro Lihan nach Deutschland kam, konnte sie kein Wort in der fremden Landessprache sprechen. „Ich wollte aber unbedingt was Neues machen und fing bei Trainer Roland Dzubasz hier im benachbarten Stall an – hatte keine Ahnung vom Galoppsport und verstand auch kein Wort. ,,Wir haben mit Händen und Füßen geredet, aber irgendwie klappte es. Doch in dieser Beziehung bin ich Maximalist und bekomme Komplexe, wenn ich irgendwas nicht verstehe. Das hat mich unheimlich gewurmt.“ Sie brachte sich die Sprache selbst bei und lässt heute in der Unterhaltung kaum noch erkennen, dass das erst zwölf Jahre her ist.
Danach arbeitete Eva Fabianova bei verschiedenen Trainern, hat somit verschiedene Arbeitsweisen kennengelernt und unterschiedliche Herangehensweisen. Mittlerweile hat sich ihre eigene herauskristallisiert, seit sie vor vier Jahren die Trainerprüfung begann und erfolgreich abschloss. Und seitdem gilt ihre Maxime: Das Wichtigste ist die Liebe zum Pferd, die Achtung vor dem Tier und die Freude an der Tätigkeit.
„Na klar, wir müssen auch sehen, dass wir schwarze Zahlen schreiben“, sagt sie. Trotzdem arbeitet ihr Rennstall Germanius vorwiegend mit eigenen Pferden aus der Zucht des Stalls Leander und vertraut auf den erfahrenen Jan Korpas und Trainer-Tochter Alexandra als Angestellte, die was von ihrer Arbeit verstehen und ihren Job nicht nur machen, weil er bezahlt wird. „Wir legen bei allen Dingen zuerst Wert auf Qualität, wollen aber natürlich auch in die Gewinnzone kommen“, erläutert Ehemann Mario. Mit ihm hat sie die Idee entwickelt, einen eigenen Stall zu gründen. In dem idyllischen Quartier, das vor zwei Jahrzehnten von Galopper-Legende Hein Bollow eingeweiht und wo einige Zeit auch der ungarische Wundersprinter Overdose trainiert wurde, liefen in dieser Saison die hier vorbereiteten Vollblüter, die auch von Altmeister Frank Trobisch als Trainer mitbetreut werden, in 13 Rennen als Sieger durchs Ziel. „Das ist schon in Ordnung für einen kleineren Rennstall.“
Auf die Frage nach Freizeit bekommt man höchstens einen erstaunten Blick als Antwort. „Ich bin von früh bis nachmittags im Stall und komme abends noch einmal, um mir die Pferde anzusehen. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, was gibt es Schöneres?“ Im Wintermonat Januar, wenn keine Rennen anstehen, lockt aber zur Abwechslung ein Urlaub irgendwo in der Sonne. „Um mal die Pferde aus dem Kopf zu kriegen – und sich dann wieder auf sie zu freuen.“
Hans-Christian Moritz