Streuobstwiesen sind vom Aussterben bedroht. Aber sie sind für den Artenerhalt unverzichtbar. Deshalb stehen sie unter Schutz. Den größten Reichtum an Streuobstwiesen in Brandenburg gibt es in der Niederlausitz.
Alte knorrige Obstbäume stehen locker verteilt am Südhang. Rotbäckige Äpfel leuchten von den Zweigen und gelbe saftige Birnen. Eine Ahnung vom Paradies weht uns an. Ein wenig erinnern sie an den Garten Eden, die Obstbaulandschaften, in denen die Bäume noch alt werden und wachsen dürfen. Die Abstände zwischen den einzelnen Gehölzen sind oft beträchtlich. Auf einer Streuobstwiese sind die Bäume König und tragen eine ausladende Krone. Sind einige Äste abgestorben, dürfen sie gelegentlich bleiben. Sie bieten dann Vögeln Brutmöglichkeiten und Insekten Unterschlupf. Der Specht klopft an. „Streuobstwiesen sind Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten, Stichwort Biodiversität; Dünger und Pflanzenschutzmittel kommen ja nicht zum Einsatz“, sagt David Wagner vom NABU Brandenburg. Im Vergleich dazu die industriell anmutenden Obstplantagen mit den praktischen Niederstämmen in Reih und Glied. Pestizide vertreiben jegliches Getier. Trotz ihrem großen ökologischen Wert sind Streuobstwiesen natürlich keine reinen Naturlandschaften sondern sind auch altes bäuerliches Kulturgut. Sie prägen Landschaften und schaffen Identifikation.
„Hab geschlafen unterm Apfelbaum/ Und der hing mit Äpfeln voll/ Als ich träumte einen Apfeltraum in Moll.“ Dieses Lied der DDR-Rockgruppe Renft gab einem Demeter-Hof in Müncheberg vor knapp 25 Jahren seinen Namen „Apfeltraum“. Nicht umsonst haben die Gründer des biologisch-dynamischen Betriebs diesen Namen gewählt. Mit den Äpfeln fing es an in Münchehofe, gelegen am Rande der Märkischen Schweiz, 50 Kilometer östlich von Berlin. Neben anderen landwirtschaftlichen Betätigungsfeldern gibt es eine große vielfältige Streuobstwiese, die von Schafen beweidet wird, eine Baumschule und die Imkerei. Das alles gehört zusammen. Mathias Bartsch leitet die Baumschule. Allein 50 Apfelsorten bietet er an. Spezialisiert hat er sich vor allem auf alte Sorten. „Ich habe aber auch einige jüngere Züchtungen wie Discovery, Carola, Topaz oder Alkmene dabei. Sie tragen regelmäßig und sind nicht so anfällig für Schorf“, Bartsch zählt noch zu den wenigen Baumschulgärtnern, die Bäume aus Sämlingen ziehen und sie später veredeln. Auf diese Weise gezogene Bäume gelten in der Regel als stabiler und kräftiger, ideal für eine Streuobstwiese. „Alle zwei bis drei Jahre sollte man die Bäume aber auslichten, sonst können die Äste unter der Last der Früchte brechen.“
Ein Erbe der DDR waren die riesigen, intensiv betriebenen Obstplantagen, in der Regel Monokulturen. In Werder gab es sie, soweit das Auge reichte. Seit der Wende sind derartige Flächen deutlich geschrumpft. Der Landschaftspflegeverein Potsdamer Kulturlandschaft hat einerseits das Ziel, den Obstbau in der Region zu erhalten, ihn andererseits aber auch ökologisch umzubauen. Obstbäume unterschiedlicher Arten und Sorten sind auf einer Streuobstwiese vereint. Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von wertvollen Biotopen zu hören, aber auch von Schönheit. Nicht zu unterschätzen sei die Bedeutung für den Tourismus.
Der Potsdamer Landschaftspflegeverein betreut zusammen mit Anwohnern unter anderen zwei Streuobstwiesen, die am Rande von neuer Wohnbebauung in Bornstedt und Golm entstanden sind. In Töplitz wird eine bestehende Süßkirschenplantage ökologisch in eine Streuobstwiese verwandelt. Der Besitzer war einverstanden, und die Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg hat das Projekt finanziell gefördert. Es gehören also immer mehrere Akteure dazu, wenn ein solches Vorhaben erfolgreich sein soll. Gerade die Bürgerbeteiligung ist den Initiatoren aber sehr wichtig.
Den größten Reichtum an Streuobstwiesen in Brandenburg gibt es allerdings nicht an der Havel sondern in der Niederlausitz. Vor allem um die Orte Hohenleipisch-Döllingen herum. „Wir haben bei uns etwa 100 Hektar Streuobstwiesen, die auch bewirtschaftet werden. Das sind rund 10 000 Bäume“, so Andrea Opitz. Sie arbeitet im Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft und ist gleichzeitig erste Vorsitzende im Verein Kerngehäuse, der den traditionellen Obstanbau fördert. Die Menschen sollen erfahren, dass es nicht nur die blank polierten wenigen Sorten gibt, die im Supermarkt ausliegen.
Um auch touristisch auf die Region aufmerksam zu machen, wurde die Niederlausitzer Apfelroute ins Leben gerufen. Der wichtigste Anlaufpunkt ist der Pomologische Garten in Döllingen. „Hier gibt es allein 64 Apfelsorten, dazu 41 Birnensorten, 24 Pflaumenartige und 34 Kirschsorten. Dazu kommen noch die Nüsse und das Wildobst“, erklärt Andrea Opitz nicht ohne Stolz. Seltene Sorten wie der Dülmener Rosenapfel und die Konferenzbirne, die Große Grüne Reneklode und die Süßkirsche Nalina, die Radonia-Quitte und die Nancy Mirabelle wollen entdeckt sein. Es gibt Schautafeln und Führungen. Besucher erfahren etwas über Herkunft, Eignung und Verarbeitung der verschiedenen Obstsorten.
Karen Schröder