Es gibt nicht viele Unternehmen, die wie die Berliner Gasag auf eine so lange Geschichte zurückblicken können. Begonnen hat diese vor 170 Jahren mit der Erleuchtung der Laternen in den Straßen Berlins.
Aus dem einstigen Nur-Gaslieferanten für die Stadt ist ein Energiemanager geworden. In vielen Hochs und Tiefs, über zwei Weltkriege, wechselnde gesellschaftliche Verhältnisse hat das Unternehmen sich behauptet und sich auch stets neu erfunden. Jüngstes Beispiel ist die Mercedes-Benz Arena, die Heimspielstätte des Eishockeyclubs Eisbären Berlin, in der die Gasag das Eis kühlt. Seit Juni 2016 wird auf dem Anschutz-Areal an einem neuen großen Kultur- und Freizeitangebot gearbeitet: Kino, Music Hall, Restaurants, Büros, Gelände für Open Airs. Ein sogenannter Entertainment District nach amerikanischem Vorbild soll entstehen. Drei Jahre Bauzeit sind ge-plant. Die Gasag hat das Energie-Konzept entwickelt und wird sich um dessen Umsetzung und dann um den Betrieb kümmern. Die Stadt und der Berliner Energie-Lieferant sind untrennbar verbunden, obwohl seit Ende der 1990er privatisiert und wirtschaft-lich getrennt. Und, wie bei vielen später untrennbaren Verbindungen, begann diese Verbundenheit mit einem Streit. 1826 brennen die ersten Gaslaternen zwischen Schlossbrücke und Brandenburger Tor. Man ist begeistert, so hell, so rein ist das Licht. Euphorie pur. Es ist eine englische Firma, die die Laternen betreibt, aber das Gas stammt aus einer Berliner Gaserleuchtungsanstalt. Die Briten hatten es sich zur Aufgabe gemacht, europaweit die Gasversorgung aufzubauen und dazu mit der Preußischen Regierung einen Vertrag von 21 Jahren Laufzeit ausgehandelt. Sie hatten den richtigen Riecher und bauten das Rohrnetz auf 100 Kilometer aus, ließen über 2 000 Laternen brennen, versorgten fast 10 000 Privatflammen, wie ein Küchenherd auch genannt wurde.
Aber die Unternehmer von der Insel wurden übermütig, drehten an der Preisschraube und erhoben immer größere Forderungen an die Stadt. Es kam zum Bruch, und eine königliche Kabinettsorder erlaubte der Stadt Berlin die öffentliche Erleuchtung, wie es damals noch hieß, zu übernehmen. Das war am 1. Januar 1847 – wenn man so will die Geburtsstunde der Gasag, das Energieunternehmen der Stadt Berlin – auch wenn es noch nicht so hieß und im späteren Verlauf die Namen variierten, Tochtergesellschaften und Fusionen hinzukamen und wieder verschwanden. Bemerkenswert ist, dass die städtischen Gaswerke nicht den Gewinn zum Ziel hatten, sondern die öffentliche Beleuchtung zu moderaten Preisen. Der Bedarf stieg enorm. 1890 leben etwa 1,9 Millionen Menschen in Berlin, die Vororte mitgerechnet 2,5 Millionen. Alle wollen kochen und die Industrie boomt.
Ein Blick auf das Berlin gute zehn Jahre später zeigt Elend und Glanz gleichermaßen: Berlin ist die größte Mietskasernenstadt der Welt, das KaDeWe wird eröffnet, die U-Bahn in Betrieb genommen und Schuster Wilhelm Voigt narrt die Obrigkeit, Gasballonwettfahrten finden statt. Und alle brauchen Energie.
Der beiden Weltkriege bringen der Gasag zunächst, bedingt durch die Aufträge der Rüstungsindustrie, Gewinne, die dann abrupt einbrechen. Zwischen den Kriegen – in der Weltwirtschaftskrise fällt das Unternehmen in ein großes Loch, immer weniger Gas wird abgenommen. Die Stadt Berlin versucht daraufhin, ihren Gasanbieter zu verkaufen. Keiner will ihn. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die Lage noch verheerender, denn nichts steht mehr. Das Gasleitungsnetz ist nahezu vollständig zerstört. Berlin wird in Ost und West geteilt. Im Ostteil wird die Gasag volkseigen. Auch die Energiepolitik unterschied sich, während der Osten auf Erdgas aus der Sowjetunion setzte, musste der Wes-
ten aufgrund seiner Insellage und auch, um sich nicht abhängig zu machen, bei Stadtgas bleiben. Erdgas hat die Vorteile, dass es ergiebiger ist, nicht giftig und damit umweltfreundlicher. So einigte man sich Anfang der 1980er Jahre darauf, ebenfalls Erdgas aus der Sowjetunion zu beziehen. Um die Rohre von Ost nach West weiterzuführen, mussten die Grenzanlagen an einem Tag auf einer Länge von 20 Metern geöffnet werden. Das war vier Jahre vor dem Mauerfall. Die Wiedervereinigung brachte dann auch die Wiedervereinigung der Gasleitungen. Nun standen keine weltanschaulichen Grenzen mehr der Umstellung auf Erdgas im Wege. Aber viele Haushaltsgeräte vertrugen das neue Gas nicht ohne Weiteres. Die Regler mussten umgestellt werden, die Düsen und Ventile ausgetauscht. Auf zehn Jahre war dieser Prozess ausgelegt – er hat nur fünf gedauert. Gasanbieter Ost und Gasanbieter West sind 1993 vereinigt und werden fast gleichzeitig privatisiert. Das Land Berlin stößt alle Aktien ab – 1998 endet die Geschichte der städtischen Gasversorgung. Aber nicht die Geschichte der Gasag. Sie ist nach wie vor der erste Gaslieferant am Platze. Und bespielt alternative Energiefelder wie Biogasanlagen und Windparks. Das Unternehmen versteht sich als Energiemanager und bietet kompakte und komplexe Lösungen für die Woh-nungs-wirtschaft und ganze Stadtviertel an. Vera Gäde-Butzlaff, Vorstandsvorsitzende der Gasag, fasst die Leistungen des Unternehmens fast liebevoll zusammen: „Die Gasag ist trotz ihres hohen Alters kein bisschen müde. Die Herausforderungen heute sind zwar deutlich vielfältiger als zur Gründungszeit. Wir scheuen uns aber nicht davor, sie gerne anzunehmen.“
Martina Krüger