Berlin wächst unaufhaltsam. Bis zu 50000 neue Bewohner kommen jährlich in die Hauptstadt, um hier zu leben und zu arbeiten. Das stellt die Stadt vor immer wieder neue Herausforderungen. Berlin vis-à-vis sprach mit Sven Blumers, geschäftsführender Gesellschafter von Blumers Architekten, über Nachverdichtung und auch über die Bedeutung von Architekturwettbewerben.
Herr Blumers, worin besteht für Berlin die Herausforderung bei der künftigen städtebaulichen Planung?
Für mich gilt ein Grundprinzip: Jede Investition muss zu einer Verbesserung der Lebensqualität und des Wohlfühlens in den Städten und Quartieren beitragen. Denn was in der städtebaulichen Planung nicht durchdacht oder falsch entschieden wurde, kann auch durch eine schöne Architektur nicht verbessert werden. Es ist unabdingbar, dass auch künftig lebendige Stadtquartiere mit einer hohen städtebaulichen Qualität entstehen, in denen die Menschen sich auch noch in 50 Jahren wohlfühlen.
Und wie könnte das künftig noch besser umgesetzt werden?
Der Schlüssel für eine nachhaltige Stadtentwicklung mit einem bezahlbaren und attraktiven Wohn- und Arbeitsraum sind vor allem die Bauherren und deren Bereitschaft zu zukunftsfähigen Konzepten. Städte können zudem über eine intensive Beratung, aber auch über konzeptgebundene Grundstücksvergaben, Architekturwettbewerbe oder Gestaltungsbeiräte direkt und indirekt Einfluss auf die städtebauliche Qualität von Investitionen nehmen, genauso wie die Politik mit weniger restriktiven und mehr zukunftsorientierten Bestimmungen. Auch die Quartiersbewohner von Beginn an mit in die Planung einzubinden, sie zu sensibilisieren für Nachverdichtungskonzepte und Anpassungsstrategien, ist ein guter Weg, um qualitätsvoll gebaute Lebensräume in den Innenstädten zu erhalten oder weiter zu entwickeln.
Sehr oft werden für neue Bauvorhaben im Rahmen der Nachverdichtung
Architekturwettbewerbe veranstaltet. Meist gibt es aber nur einen Gewinner und viele Verlierer. Ist das heute unternehmerisch überhaupt noch sinnvoll?
Viele Architekten schätzen es, ihre Kreativität unter Beweis zu stellen und sich mit ihren Mitbewerbern im Rahmen eines Architekturwettbewerbes zu messen. Denn wo sonst hat ein Architekt die Gelegenheit, seine eigene Kreativität auszuleben, als im Wettbewerb? Vom unternehmerischen Standpunkt ist das jedoch schon eine andere Diskussion. Die meisten Wettbewerbe sind sehr teuer und aufwendig. Die Kosten liegen je nach Projektgröße in der Regel zwischen 15000 und 60000 Euro. Letztendlich ist es für jeden Architekten immer eine unternehmerische Entscheidung, wie viel er in Wettbewerbsverfahren investieren möchte. Jeder muss für sich selbst abwägen, ob es sich für ihn lohnt oder nicht. Zuletzt hat uns unter anderem ein großer Genossenschaftsverein zu einem Wettbewerb eingeladen. Dabei handelte es sich im Rahmen einer Nachverdichtung um den Neubau eines Wohnhochhauses mit 122 Wohnungen und 200 Tiefgaragenplätzen in der Berliner Gropiusstadt. Ein anderes Projekt, an dem wir im Rahmen eines Wettbewerbes einer großen Gewerbeimmobiliengesellschaft Ende vergangenen Jahres teilgenommen haben, war ein sechsstöckiges Bürogebäude in der Frank-linstraße in Berlin-Charlottenburg.
Selbstverständlich kann man sich nicht in jedem Wettbewerb durchsetzen. Das wäre aus architektonischer Sicht vielleicht auch etwas langweilig. Trotzdem ist man zusammen mit seinem Team stolz auf jeden gewonnenen Wettbewerb. So konnten wir Anfang dieses Jahres in der Hauptstadtregion wieder einen Wettbewerb für uns entscheiden. Es handelt sich um ein Wohnungsbauprojekt mit 60 Wohneinheiten am Waidmannsluster Damm.
Neben kreativen Neubauvorhaben sind Blumers Architekten vor allem für die erfolgreiche Sanierung denkmalgeschützter Gebäude bekannt.
Das ist richtig. Eines der ersten Projekte war im Jahr 2002 der teilweise Neubau und die Fassadensanierung der Spanischen Botschaft in Berlin. In den Jahren danach folgten weitere zahlreiche Projekte. Zu den jüngeren Projekten zählt – nur 25 Kilometer vom Berliner Kurfürstendamm entfernt – die Sanierung von 120 Wohnungen in der bekannten denkmalgeschützten Eisenbahnersiedlung Elstal. Das Projekt erhielt im Jahr 2015 den Deutschen Bauherrenpreis in der Kategorie Modernisierung, und der BDA Bund Deutscher Architekten verlieh dem Projekt im vergangenen Jahr den Preis „Auszeichnung guter Bauten im Land Brandenburg“. Diese Auszeichnung bekommen laut Jury Arbeiten mit einer herausragenden architektonischen und gesamtplanerischen Qualität.