Nicht umsonst heißt der Spreewaldkrimi, der um das Lübbenauer Schloss herum spielt, „Tödliche Legenden“, denn gerade an diesem Ort ist der Spreewald besonders sagenumwoben.
Wir sind im ältesten Teil der Stadt, auf der Schlossinsel. Der Schlangenkönig, Gestalt der bekanntesten Spreewaldsage, findet sich symbolisch schon am schmiedeeisernen Eingangstor zum Schlossgelände.
Die Legende besagt, dass die Grafen Lynar ihren Reichtum dem Schlangenkönig verdanken, dessen diamantbesetzte Krone sie im Schlosspark Lübbenau einst entwendeten. In Wahrheit kamen die Grafen aus der fernen Toskana ins Brandenburgische. Als Baumeister war Rochus von Lynar (ital. Linari) im 16. Jahrhundert am Bau des Berliner Stadtschlosses und der Zitadelle Spandau beteiligt. Für Preußen so bedeutend, dass er sich später in die steinernen Koryphäen der Berliner Siegesallee einreihen durfte.
1621 kauften die Grafen von Lynar das Lübbenauer Anwesen. In Bronze gegossen steht der Festungsbaumeis-ter heute wieder im Spreewald Pate. Seitdem sind fast 400 Jahre vergangen und der jetzige Graf trägt wieder den Namen seines Ahnen, Rochus von Lynar. Adel verpflichtet, so heißt es, und hier wird diese oft zitierte Redewendung überaus lebendig.
Graf Rochus von heute gab eine bevorstehende internationale Karriere als Volkswirtschaftler auf und folgte dem Ruf seines Vaters in den Spreewald. Nach der innerdeutschen Wende bekam die Familie das Anwesen nach längerem Ringen rückübertragen. Die Treuhand hätte es gern zu Geld gemacht, aber ein anderer historischer Tatbestand stand dem entgegen. Wilhelm Friedrich Graf zu Lynar, Offizier der Wehrmacht und Großvater von Rochus zu Lynar, gehörte zum Widerstandskreis vom 20. Juli 1944. Er stellte sein Schloss für ein Treffen der Verschwörer um Claus Schenk Graf von Stauffenberg zur Verfügung. Am 29. September 1944 wurde er in Plötzensee hingerichtet. Seine Frau mit vier Söhnen und zwei Töchtern wurde enteignet. Am Schloss Lübbenau befindet sich heute eine Gedenktafel für den mutigen Vorfahren. Der Einigungsvertrag von 1990 sah nun vor, dass Enteignungen aus der NS-Zeit, die Mitglieder des Widerstands betrafen, rückgängig gemacht werden sollten. Seit der Wende wurde das Schloss mit viel Aufwand restauriert und als Hotel ausgebaut. Rochus’ Vater Guido von Lynar über die Anfangszeit in den 1990er Jahren: „Treppen wurden gebaut, der dritte Stock integriert, der Südflügel war noch in einigermaßen gutem Zustand und konnte schon genutzt werden. Die Küche befand sich damals noch im Gewölbe, die Gäste mussten also im Keller essen. Erst später wurde das Gewölbe zu einem Wellnessbereich erweitert.“ Das Hotelrestaurant nannten die Betreiber später Linari, die italienischen Wurzeln der Familie hatte niemand vergessen.
Vom Schloss öffnet sich der Blick über eine große Rasenfläche hin zur einstigen Orangerie. Der klassizis-tische Bau, reizvoll im Schlosspark gelegen, wurde ebenfalls für Gäste hergerichtet. Hier lässt es sich in der warmen Jahreszeit vorzüglich tafeln. Ein großformatiges, mediterran anmutendes Fliesenbild zeigt im Innern einen Orangenbaum. Eine Reverenz an Portugal, wo Guido und Beatrix von Lynar einst lebten, bevor die alte Heimat rief. Überall ist die persönliche Handschrift der Grafenfamilie, gerade auch die von Gräfin Beatrix, abzulesen. Stilvolle Inneneinrichtung gehört zu ihren Leidenschaften.
Lübbenau ist für alle Lynars Herzenssache. Um familienfreundliche Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen, wurden im ehemaligen Marstall modern eingerichtete Ferienwohnungen geschaffen, auch sie haben etwas von der Gediegenheit des Schlossambientes. Was dem Schlosshotel allerdings lange fehlte, war ein großer Konzert- und Veranstaltungssaal. Ende 2015 feierte man mit einem rauschenden Ball die Einweihung des großzügigen Erweiterungsbaus. Die Denkmalpflege hatte zuvor grünes Licht gegeben. Entstanden ist zusätzlich die Rocco´s Linari-Bar, in der Kaffeespezialitäten und Cocktails serviert werden. Der Spreewald bekommt derzeit mancherorts internationales Flair, der Whisky aus dem nahe gelegenen Schlepzig passt ebenso in diese Reihe.
Im Jahr 2015 beging Lübbenau feierlich sein 700-jähriges Stadtjubiläum, das so eng mit der Familiengeschichte derer von Lynar verbunden ist. Was lag da näher, als in diesem Jahr auch die längst ausstehende Familienchronik herauszubringen. Der neue Festsaal bildete für die Buchpremiere einen würdigen Rahmen. Geplant ist darüber hinaus ein Museum auf dem Schlossgelände, auch das hat schließlich Tradition. Lübbenau und die Familie von Lynar haben längst wieder zueinandergefunden.
Karen Schröder