Wie sicher ist die Stadt?

Seit dem terroristischen Attentat am Breitscheidplatz ist das Sicherheitsgefühl vieler Berliner angeschlagen. Seine Bürger vor Gewalt, Verbrechen und Terror zu schützen, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. 

Ein Workshop zur Stärkung des Sicherheitsempfindens von Besuchern und Beschäftigten in der City West brachte neue Erkenntnisse zum spätestens seit dem Breitscheidplatz-Attentat gewachsenen Wunsch nach Gefahrlosigkeit in öffentlichen Räumen.

Sicherheit zu erleben ist ein elementares menschliches Grundbedürfnis und bedeutet Angstfreiheit, Geborgenheit und Vertrauen. Beim Workshop zur Stärkung des Sicherheitsempfindens kamen Mitglieder der AG City und Vertreter der Berliner Polizei im Sommer dieses Jahres zusammen. Es gab bereits im Jahr zuvor einen solchen Workshop zum Thema – noch vor dem islamistischen Attentat am 19. Dezember auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz mit Toten und Verletzten. 

Die Mitglieder der AG City sind in Sorge – wenn sich die Menschen nicht sicher fühlen, könnten sie bestimmte Orte meiden. Größtmögliche Unverletzlichkeit ist das Ziel. Der Weg zu mehr Sicherheit ist ein Prozess, an dem viele mitwirken müssen. Und alle sind auf der Suche nach Antworten.

Die Aufgaben der Polizei sind vielfältig, auch abseits terroristischer Bedrohungen: Taschen- und Trickdiebstahl müssen eingedämmt, Hütchenspieler und sogenannte „Antänzer“ dingfest gemacht und Verkehrs-Rowdys in Schach gehalten werden. Dazu ist ständige Präsenz in der City West wichtig, auch mit vier Schwerpunkteinsätzen pro Monat, von denen Polizeidirektor Karsten Schlüter, der Leiter des Polizeiabschnitts für die City West, berichtete. Und auch die vermehrten Maßnahmen zur Terrorismus-Bekämpfung sind sichtbar: Betonsperren, höhere Polizei-Präsenz und Videoüberwachung, die mit gutem Erfolg anlässlich des Kirchentags erprobt wurde. Auch dank Aktionen wie diesen ist es in der Hauptstadt keineswegs zu einem Einbruch der Besucherzahlen gekommen, im Gegenteil – Berlin ist populärer denn je.

Der übliche Vielklang eines touristischen Besuchs – An- und Abreise, Unterkunft, Sightseeing, Konsum, Kultur – kann allerdings nicht allein von der Polizei abgedeckt werden. Von besonderer Wichtigkeit ist auch die Prävention, teils durch polizeiliche Infos im Vorfeld, teils durch Gewerbetreibende vor Ort selbst. Speziell Warn- und Verhaltenshinweise sind von großem Nutzen.

Der für islamistischen Extremismus und Terrorismus zuständige  LKA-Vertreter Marco Müller gab Einblicke in die Gefährdungslage. Zwar sei Deutschland seit Langem ein Gegner terroristischer Organisationen, besonders gefährdet durch Rückkehrer aus den Jihad-Kriegsgebieten Syrien und Irak. Und trotz aller Aufmerksamkeit und vorbeugender Arbeit seien auch künftig Anschläge bewaffneter Einzeltäter, Selbstmordattentate oder auch komplexere Angriffe nicht völlig auszuschließen. Doch die Maßnahmen des polizeilichen Staatsschutzes im LKA Berlin seien vielfältig und wirksam: personelle Verstärkung, Austausch auf Bundes- und Landesebene sowie eine Beteiligung am Deradikalisierungsnetzwerk wurden genannt. Auch würden gefährdete Personen oder Objekte individuell sicherheitstechnisch beraten. Jeder müsse, so der Rat des LKA-Vertreters, aber wachsam sein und Verhaltenshinweise verinnerlichen, auch um sich etwas konkreter auf eine mögliche Überraschung vorzubereiten. 

Auf einen besonders interessanten Aspekt wies Ingrid Hermannsdörfer hin, die für das Landeskriminalamt in der städtebaulichen Kriminalprävention tätig ist. Sie gab Anregungen zur Gestaltung öffentlicher Räume und erläuterte die wissenschaftlich belegte sogenannte „Broken Windows“-Theorie, nach der sichtbare Normverletzungen weitere Normverletzungen nach sich zögen. Das heißt im Klartext, dass schlecht gepflegte, vernachlässigte äußere Bereiche gute Tatgelegenheiten sind. Denn Täter würden eine Kosten-Nutzen-Analyse machen, um einschätzen zu können, wo sich eine kriminelle Tat am meis-ten lohnt. Darum würden Orte nicht zufällig zu Tatorten. Kriminalitätsvorbeugung sei jedoch durch zielgerichtete präventive Gestaltung möglich, sie stärke die soziale Kontrolle. Als mögliche Maßnahmen, die die Bewirtschafter öffentlicher Räume treffen sollten, wurden genannt: Übersichtlichkeit, gute Orientierung, Beleuchtung, Gepflegtheit, Barrierefreiheit, Nutzungsvielfalt und Schaffung von Identifikation. Wer hier gute Arbeit leis-te, so Ingrid Hermannsdörfer, reduziere die Tatgelegenheit und erhöhe das Risiko, ertappt zu werden.

Edith Döhring

 

71 - Sommer 2017
Stadt