Seit Ende letzten Jahres ist Andreas Geisel (SPD) Senator für Inneres und Sport in Berlin. Zuvor war er von 2014 bis 2016 Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, und das beeinflusse, so Geisel, nach wie vor sein politisches Denken. Wenige Tage nach seinem Amtsantritt kam es zu dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Die Geschehnisse lassen die Anforderungen an die Polizei neu bewerten. Dabei muss die Politik sich mit Fragen nach Personalstärke und Ausrüstung der Berliner Polizei beschäftigen. Vom damaligen rot-roten Senat wurde seit 2001 die Zahl der Polizisten auf Berlins Straßen abgebaut, von 18 000 auf noch rund 17 000 im Jahr 2016. In diesen Prozess spielt auch die demografische Entwicklung hinein – immer mehr Polizisten erreichen den Ruhestand, der Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Parallel dazu gibt es jedoch immer mehr Einwohner in der Hauptstadt. Wie kann man dieses Missverhältnis korrigieren? Geisel erklärte bei einer Veranstaltung im Berlin Capital Club, dass ein gezielter Personalzuwachs vonnöten sei, um die Polizei handlungsfähiger zu machen und mehr Präsenz zu schaffen. Man arbeite in diesem Bereich aktuell mit höchster Kapazität, denn die Polizisten-Ausbildung dauert drei Jahre, und Nachwuchs wird dringend benötigt. Jedes Jahr können so 200 bis 300 Polizisten und Polizistinnen mehr in den Dienst kommen. Die Ausstattung der Berliner Polizei steht ebenfalls im Fokus. Diese soll sich laut Geisel in den nächsten fünf Jahren verbessern und modernisieren. Konkretes gibt es dazu aber noch nicht. Zudem dürfen die Polizisten mit einer Erhöhung der Besoldung rechnen. Die ist sicher wohlverdient, denn ihre Arbeit ist von hoher Bedeutung für die Sicherheit in der Stadt. Berlin ist im Fokus terroristischer Bedrohung, und die Gefährder müssen identifiziert und dingfest gemacht werden. Die objektive Sicherheit in der Stadt sei, laut Geisel, nach wie vor gegeben: 19 von 20 Anschlagsversuchen können verhindert werden.
Die Terror-Gefahr ist jedoch nicht das einzige Problem, mit dem die Polizei im Alltag zu kämpfen hat. Nicht selten bricht sich Unzufriedenheit mit sozialen Umständen Bahn, so beispielsweise bei der Wohnungsnot. Die Rigaer Straße als Rückzugsort für Links-Extremisten macht häufig Negativ-Schlagzeilen. Jedoch muss man sein Augenmerk auch auf die berechtigte Frage richten, was die Gentrifizierung in der Stadt bewirkt. Der sozioökonomische Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel durch Attraktivitätssteigerung für eine neue Klientel und der anschließende Zuzug zahlungskräftiger Eigentümer und Mieter verdrängt immer öfter Mieter in der Hauptstadt. Im Fall der Rigaer Straße kann, so Geisel, Polizeipräsenz bes-tenfalls Konflikte lösen. Jedoch sei grundsätzlich auch die Stadtentwicklung gefordert. Es müsse eine Entspannung des Wohnungsmarkts durch genügend bezahlbaren Wohnungsraum geschaffen werden. Über 200 000 Wohnungen würden gebraucht, die Flächen seien durchaus vorhanden. Zur Wahrung des sozialen Friedens müssten Londoner oder Pariser Verhältnisse, bei denen die Randzonen der Großstädte schon seit Langem zu Problemgebieten und möglichen Krisenherden geworden sind, vermieden werden. Um eine Stadt zusammenzuhalten und das Wohlergehen aller Bewohnerinnen und Bewohner zu sichern, sei neben genereller Handlungsfähigkeit auch das Lösen gesamtgesellschaftlicher Probleme erforderlich, die nicht allein die Polizei betreffen. Und: Prävention, Integration und Repression seien gleich wichtig, um die großen Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft zu bewältigen.
Edith Döhring