Von Blumen lernen

Die Pflanzenfotografien Karl Blossfeldts sind heute weltweit berühmt. Fast unbekannt ist, dass ihre Entstehungsgeschichte Teil der Geschichte des Berliner Kunstgewerbemuseums ist.

Retten Ranken die Welt? Inwiefern hilft ein Pflanzenstudium,  besseres und schöneres Design zu entwickeln und Konsumenten positiv zu stimulieren? Diese Fragen standen spätestens nach der Weltausstellung in London 1851 im Raum. Kunstgewerbeschulen wurden gegründet, um das ästhetische Niveau zu heben und vor allem, um es den neuen Maschinen- und Massenproduktionsbedingungen anzupassen. Nicht Blümchenkunst, sondern die Durchdringung des Wesenhaften einer Pflanze sollte zu verfeinertem Stilgefühl führen. Das Berliner Kunstgewerbemuseum, verbunden damals noch mit einer Kunstgewerbeschule,  wurde vor 150 Jahren in diesem Kontext gegründet. Seine Domizile wechselten im Laufe der Geschichte.  In diesem Jahr beginnt im Gutbrod-Gebäude ein mehrteiliges Ausstellungsprogramm. Den Auftakt macht die Schau „Form Follows Flower“, mit der an einen der ersten herausragenden Pädagogen der Kunstgewerbeschule erinnert werden soll,  den  heute fast unbekannten Lehrer Moritz Meurer (1839–1916) sowie an seinen berühmten Assistenten Karl Blossfeldt.

Für die industrielle Formfindung wurden in großem Maße neue Muster- und Vorlagenbücher, originelle Ideen und fähige Köpfe gebraucht. Sabine Tümmler, Direktorin des Kunstgewerbemuseums, Ornamentforscherin und Initiatorin der Ausstellung, zeigt begeistert, was sich da an Material aus dem eigenen Haus oder als Leihgabe auffinden ließ, welches zeichnerische Können als geistige Vorstufe für die Erfindung neuer   Muster und Gestalten sich aus den Arbeitsblättern einstiger Schüler ablesen lässt – aus dem Atelier Moritz Meurers etwa das Studienblatt Silberdistel. Das „Ornament ist die freieste Kunstform“, sagt sie lächelnd und genießt die Irritation, die dieser Satz auslöst. Die Besucher der Sonderausstellung  können sich selbst ein Bild machen. Dafür sind die in Grau gestrichenen Kabinetträume mit Büchern und Gefäßen, Pflanzenabgüssen und Modelltafeln, mit Strukturmustern, Bleistift- und Kohlezeichnungen, mit Prunk und Spartanischem wie Schatzkammern gefüllt. Keinesfalls geht es allein um den Blick zurück. An zeitgenössischen Arbeiten aus Kunst und Design wird exemplarisch gezeigt, inwiefern auch heute Pflanzenwissen gestaltgebend ist.

Anita Wünschmann

 

Information

Form Follows Flower
Moritz Meurer, Karl Blossfeldt & Co.
Kunstgewerbemuseum
Bis 14.01.2018

 

72 - Herbst 2017